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Wie alt ist Yoga?

„Wem gehört Yoga?“

… so überschrieb die indische Wissenschaftlerin Meera Nanda einen inzwischen berühmt gewordenen Zeitungsartikel, der sich mit den vielen Mythen über die Geschichte des Yoga auseinandersetzte und inzwischen von vielen online-Diensten übernommen wurde. Meera Nanda ist Professorin für Geschichte der Wissenschaften am Indien Institute of Science Education and Research in Mohali. Ihr Thema: Wie berechtigt ist der Anspruch hinduistischer Lobbyisten, den Yoga als Erfindung des Hinduismus für sich zu beanspruchen, die sich bis hin zu den alten Zeiten der Veden zurückverfolgen ließe?
Wir haben den Artikel mit kleinen Kürzungen und Zusammenfassungen für Sie übersetzt:
 

Hinduistischer Lobbyismus

Im Zusammenhang mit Yoga ist es üblich geworden, dass Inder – sogar solche, die selbst nicht besonders spirituell sind – Amerikaner und andere »dekadente« Westler beschuldigen, ihren spirituellen Reichtum auf bloße Fittness-Übungen zu reduzieren. Die führende Indo-Amerikanische Lobbyistenvereinigung, die »Hindu American Foundation« begann kürzlich in diesem Sinne Stimmung zu machen und will die Amerikaner daran erinnern, dass es Hindus waren, die Yoga erfunden haben. Und zwar nicht einfach normale Hindus. Vielmehr sollen es Sanskrit sprechende, im Wald wohnende Brahmanen gewesen sein. Die Hindu American Foundation behauptet so, dass aller Yoga, Hatha Yoga eingeschlossen, seine Wurzeln im Hinduismus, im hinduistischen »Way of Life« hat und damit zurückgeht auf die vedischen Weisen und Yogis.
Das einzige Problem mit dieser Geschichte des Yoga: Sie ist falsch.

Die Entstehung des Modernen Yoga

Weit entfernt davon, sie als Krone des Hinduismus zu begreifen, wurde lange Zeit von hinduistischen Intellektuellen und Reformern – den großen Swami Vivekananda eingeschlossen – auf Yoga-Âsana herabgeschaut als etwas, das allenfalls für Magier und Fakire taugt. Darüber hinaus begann die Trennung der Âsana von ihrem spirituellen Hintergrund – die Hindu American Foundation nennt es den »Diebstahl des Yoga« – keineswegs im angeblich dekadenten Westen. Vielmehr begann diese Trennung in den Ringerschulen und Turnhallen im Indien des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts. Sie wurden von indischen Nationalisten betrieben, um dem Bild des Westens von den verweichlichten Indern entgegen zu treten. In dieser Zeit einer nationalistisch geprägten Stimmung gegen die englische Kolonialherrschaft in Indien wurden in den Hatha Yoga viele Elemente westlicher Gynmnastik und Körperkultur integriert, was sich in den weltbekannten Yogaschulen von Iyengar und Ashtanga Vinyasa zeigt. Aber statt diese Mitwirkung des Westens am modernen Yoga ehrlich anzuerkennen, drücken wir Inder allem Yoga gerne den Stempel »vedisch« auf: eine selbstgefällige, intellektuell unredliche Haltung.
Natürlich gibt es in der alten indischen Tradition Texte, in denen Âsana im Mittelpunkt stehen. Allerdings sie sind definitiv keine 5000 Jahre alt wie uns die Hindu-Nationalisten glauben machen wollen: keiner davon taucht vor dem zehnten bis zwölften Jahrhundert auf.

Hatha Yoga

Hatha Yoga war eine Schöpfung der Kanphata Nâth Siddha. Bei ihnen handelt es sich aber nicht um Sanskrit sprechende und in den Höhen des Himalaya meditierende Weise. Vielmehr waren sie (und sind noch) genau jene langhaarigen, Asche beschmierten Sadhus mit großen Ohrringen in den dafür gespalteten Ohren (kanphata), welche die Hindu American Foundation aus Vorstellungen von Hinduismus verbannen will, die sich im Westen immer noch finden lassen. Wenn tatsächlich irgendeine hinduistische Tradition überhaupt ein Patent auf die Moderne Âsanapraxis beanspruchen kann, dann sind es sie: Sie waren in Wirklichkeit dem Kastenystem trotzende, Haschisch rauchende, sexuell freizügige, Shiva und Shakti verehrende Magier, Alchemisten und Tantriker – von ihrer Herkunft her vor allem Kuhirten, Töpfer und ähnliches. Sie unterwarfen sich großen körperlichen Entbehrungen, nicht weil sie reines Bewusstsein erlangen wollten, unbelastet vom Körper und anderer grober Materie, sondern weil sie auf magische Kräfte (siddhis) aus waren. Sie wollten die Natur beherrschen und vor allem eines: unsterblich werden.Weit entfernt davon, rein vedischer Herkunft zu sein, wurde damals Hatha Yoga in Wahrheit als ein Mischling geboren. Wie der Nobelpreisträger Amatya Sen auf dem letzten Indischen Wissenschaftskongress uns erinnerte, waren damalige Universitäten wie etwa Nalanda (eine im fünften/ sechsten Jahrhundert gegründete Universiät im heutigen Patna in Bihar, Nordindien) ein Schmelztiegel, wo zum Beispiel buddhistischer Tantra in engen Kontakt mit dem Taoismus aus China kam.

Transkultureller Austausch

Die historischen Forschung zeigt, dass sich in jener Zeit Taoismus, Buddhismus und tantrischer Shivaismus gegenseitig beeinflusst haben. Aber diese Synthese aus Taoismus, Buddhismus und Shivaismus war nur der Anfang. In der modernen Zeit hat der Hatha Yoga noch viel mehr Einflüsse aufgenommen, dieses Mal allerdings aus dem Westen.Aktuelle, sehr gut fundierte wissenschaftliche Recherchen zeigen heutzutage den großen Einfluss westlicher Körperdisziplinen auf die Entwicklung des Yoga im Indien der zwanziger und dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Als herausragender Akteur in dieser modernen Verschmelzung unterschiedlicher Einflüsse mit der Yogatradition Patañjalis gilt allen ohne Frage eine Person: T. Krishnamacharya.

Wem also gehört Yoga?

Die lautstarke Beschwerde der Hindu American Foundation über den Diebstahl des Yoga durch den Westen ignoriert völlig den gewaltigen Umfang von gegenseitiger Beeinflussung und Vermischung, aus dem der Yoga, so wie wir ihn heute kennen, geboren wurde. Weder aus den Zeiten des Altertums oder des Mittelalters noch heutzutage kann der Hinduismus einen besonderen Anspruch auf die Entwicklung der Modernen Âsanapraxis des einundzwanzigsten Jahrhunderts anmelden. Etwas anderes zu behaupten ist borniert und schlicht falsch. Tatsächlich ist der heutige Yoga ein einzigartiges Beispiel einer wirklich globalen Innovation, in der sich östliche und westliche Praktiken verbanden, um etwas zu schaffen, das inzwischen in der ganzen Welt viel beachtet wird und sich einer großen Wertschätzung erfreut.


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