Die Pandemie ist vorüber – was bleibt?

Am 5. Mai 2023 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell das Ende der Pandemie. Infektionen mit dem Coronavirus hatten nicht nur akut schwere Auswirkungen auf das Befinden und die Gesundheit von Milliarden Menschen. Das war vor allem zu Beginn der Pandemie der Fall, als die Virusvarianten starke Krankheitsbilder verursachten und für viele Menschen sogar den Tod bedeuteten. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder aus Bergamo, New York, Indien und vielen anderen Ländern. Nach und nach stellte sich heraus, dass die Probleme, die das Virus mit sich brachte, nicht immer mit dem Abschluss der akuten Krankheitsphase erledigt waren. Unter den Begriffen Post-Covid und Long Covid wurden die Spätfolgen dieser SARS-CoV-2-Erkrankung als eigenständige Krankheit erkannt.

In diesem dritten von drei Artikeln geht es um die Frage, was Yoga im Zusammenhang mit dem chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) leisten kann.

Im vorhergehenden ersten Beitrag dieser Kurzserie wurde der Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid aus medizinischer Sicht beschrieben. Im zweiten Artikel geht es darum, wie Yoga bei Post-Covid unterstützen kann.

Die Pandemie ist vorüber – was bleibt?

Am 5. Mai 2023 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell das Ende der Pandemie. Infektionen mit dem Coronavirus hatten nicht nur akut schwere Auswirkungen auf das Befinden und die Gesundheit von Milliarden Menschen. Das war vor allem zu Beginn der Pandemie der Fall, als die Virusvarianten starke Krankheitsbilder verursachten und für viele Menschen sogar den Tod bedeuteten. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder aus Bergamo, New York, Indien und vielen anderen Ländern. Nach und nach stellte sich heraus, dass die Probleme, die das Virus mit sich brachte, nicht immer mit dem Abschluss der akuten Krankheitsphase erledigt waren. Unter den Begriffen Post-Covid und Long Covid wurden die Spätfolgen dieser SARS-CoV-2-Erkrankung als eigenständige Krankheit erkannt.

In diesem dritten von drei Artikeln geht es um die Frage, was Yoga im Zusammenhang mit dem chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) leisten kann.

Im vorhergehenden ersten Beitrag dieser Kurzserie wurde der Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid aus medizinischer Sicht beschrieben. Im zweiten Artikel geht es darum, wie Yoga bei Post-Covid unterstützen kann.

Die Pandemie ist vorüber – was bleibt?

Am 5. Mai 2023 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell das Ende der Pandemie. Infektionen mit dem Coronavirus hatten nicht nur akut schwere Auswirkungen auf das Befinden und die Gesundheit von Milliarden Menschen. Das war vor allem zu Beginn der Pandemie der Fall, als die Virusvarianten starke Krankheitsbilder verursachten und für viele Menschen sogar den Tod bedeuteten. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder aus Bergamo, New York, Indien und vielen anderen Ländern. Nach und nach stellte sich heraus, dass die Probleme, die das Virus mit sich brachte, nicht immer mit dem Abschluss der akuten Krankheitsphase erledigt waren. Unter den Begriffen Post-Covid und Long Covid wurden die Spätfolgen dieser SARS-CoV-2-Erkrankung als eigenständige Krankheit erkannt.

In diesem dritten von drei Artikeln geht es um die Frage, was Yoga im Zusammenhang mit dem chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) leisten kann.

Im vorhergehenden ersten Beitrag dieser Kurzserie wurde der Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid aus medizinischer Sicht beschrieben. Im zweiten Artikel geht es darum, wie Yoga bei Post-Covid unterstützen kann.

Yoga und das chronische Fatigue-Syndrom (CFS)

Vorweg: Im Umgang mit CFS sollten sich Yogaunterrichtende stets drei Gegebenheiten vergegenwärtigen:

  • Zum einen; die Erschöpfung beim chronischen Fatigue-Syndrom übertrifft alles, was ein halbwegs gesunder Mensch an Erschöpfung kennt. Schon minimale Anstrengungen körperlicher oder kognitiver Art oder auch nur ein Anflug von Stress lösen maximale Erschöpfung aus.
  • Zum anderen: die Folgen einer Überanstrengung für von CFS-Betroffene. Gehen diese auch nur ein wenig über ihre Belastungsgrenze, so führt das in aller Regel zu einem sogenannten Crash, einem extremen Rückschlag des Wohlbefindens und einer anhaltenden Krankheitsverschlechterung – und dies nicht nur für ein paar Stunden, sondern über Tage oder sogar Wochen.
  • Und zum Dritten zeigt die Erfahrung, dass die Belastungsgrenze für jeden Menschen sehr unterschiedlich ist. Schwer Betroffene können schon von einem kurzen Gespräch überfordert sein, leichter Erkrankte können sogar manchmal ein wenig Sport betreiben.

Gruppenunterricht oder individuelle Begleitung?

Es scheint so, dass manche Menschen im Rahmen eines Post-Covid-Syndroms ein Fatigue-Syndrom entwickeln, während andere eher mit Atem- und Kreislaufstörungen, eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit und Schmerzen reagieren. Während letztere von einem Gruppenunterricht sehr profitieren können, sieht dies für das chronische Fatigue-Syndrom anders aus.

Sinnvolle Yoga-Angebote für Menschen mit einem chronischen Fatigue-Syndrom finden am besten im individuellen Rahmen statt. Für diese Menschen erscheint das Üben in einer Gruppe aufgrund der starren zeitlichen Vorgaben allein schon deshalb nicht sinnvoll. Ein üblicherweise aus ein bis eineinhalb Kursstunden bestehender Unterricht ist für Menschen, die an einem chronischen Fatigue-Syndrom leiden, völlig unpassend und überfordernd. Dies gilt in aller Regel auch für leichter Betroffene, denn auch ihnen kann das Überschreiten der Belastungsgrenze schwere Crashs bescheren, die die Erkrankung insgesamt verschlimmern.

Grundsätzlich gilt deshalb: Je individueller das Yoga-Angebot für CFS-Betroffene gestaltet werden kann, desto angemessener kann gearbeitet werden. Wer also sinnvolle Yoga-Angebote für diese Gruppe machen möchte, stellt sich am besten auf eine individuelle Begleitung der Erkrankten ein.

Das Ziel: Die Belastungsgrenze respektieren und gleichzeitig aktiv bleiben.

Pacing – oder was Yogalehrende von den Empfehlungen der medizinischen Expert:innen lernen können

Eine zentrale Empfehlung, welche die Expert:innen den betroffenen CFS - Erkrankten geben, wird unter dem Begriff Pacing Der Begriff leitet sich aus dem englischen Wort to pace ab: etwas abschreiten, einen Schritt nach dem anderen machen zusammengefasst. Mit dieser Empfehlung geht die Absicht einher, die Menschen mit CFS darin zu unterstützen, weiterhin aktiv zu bleiben, um zu verhindern, dass Schäden aus Immobilität und Inaktivität heraus entstehen, und sie gleichermaßen dazu befähigen, ihre sozialen Bezüge weiterhin zu leben.

Beim Pacing handelt es sich nicht um eine bestimmte Anwendung oder ein medikamentöses Angebot; vielmehr umfasst es eine Reihe von Ratschlägen, die alle auf das gleiche Ziel hinauslaufen: das Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze zu vermeiden.

Beim Pacing geht es darum, in allem, was getan wird, stets unterhalb der individuellen Belastungsmarge zu agieren. Pacing beinhaltet, dass man aufhört, etwas zu tun, bevor man zu viel tut – egal, welche Aktivität es sein mag: eine körperliche, kognitive, emotionale oder soziale – und dass man sich danach immer ausreichend ausruht. Pacing beinhaltet auch, im Alltag die eigenen Aktivitäten zu begrenzen – nicht noch schnell dies zu Ende führen oder noch kurz jenes erledigen.

Es beinhaltet auch den Vorschlag, nicht zu lange mit einer gleichen Aktivität fortzufahren, sondern die Aktivitäten und damit die Anforderungen zu wechseln. Aber wo ist die Grenze, die schnell überschritten ist, zu verorten? Es ist offensichtlich, dass den Betroffenen eine klare Selbstbeobachtung und ein großer Lernprozess abverlangt wird. Beim Pacing werden Menschen mit CFS zudem aufgefordert, ihre Aktivitäten neu zu bewerten und sich nicht immer wieder an den früheren, vor der Erkrankung bestehenden Kapazitäten zu messen. 1 Beim Pacing werden Menschen mit CFS zudem aufgefordert, ihre Aktivitäten neu zu bewerten und sich nicht immer wieder an den früheren, vor der Erkrankung bestehenden Kapazitäten zu messen.

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1 Unter anderem wird das Führen eines Tagebuchs empfohlen, siehe auch https://www.mecfs.de/wp-content/uploads/2022/04/DGMECFS_Pacing_A4.pdf

Yoga als therapeutische Intervention bei CFS – was ist wichtig?

Bei den Grundprinzipien der Anwendung von Yoga als Therapie lassen sich erstaunliche Parallelen zum Pacing feststellen. In diesem Format der Yogavermittlung arbeiten Yogalehrende grundsätzlich so, dass sie einen Praxisvorschlag entlang der individuellen Gegebenheiten ihrer Klient:innen gestalten und sich im Verlauf entlang konkreter Wirkungen und individueller Erfahrungen orientieren. Alle Angebote richten sich danach aus, das empfundene Leid der Betroffenen nicht zu verstärken. Leistung zählt nicht, sondern die Qualität des Übens steht ganz im Vordergrund und ist auf eine Kontinuität im Üben ausgelegt. Eine wesentliche Rolle spielt in einem fundierten Yogaunterricht dieser Art, dass Selbstständigkeit und Eigenkompetenz gestärkt werden – bekannt ist uns dieses Verfahren unter dem Begriff Viniyoga.

Wie eine solche Unterstützung durch Yoga aussehen kann, wird im nächsten Kapitel beispielhaft an der Situation einer erkrankten jungen Frau dargestellt.

Ein Fall

Die Klientin – eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern im Alter von zwei und vier Jahren – kommt zur Konsultation; ihr Mann bringt sie mit dem Auto.

Sie erzählt: Im Oktober 2022 erkrankte sie an Covid, mit einem leichten Verlauf, wie sie berichtet. Nach einer Woche fühlte sie sich wieder fit. Drei Wochen nach Beginn der Infektion bemerkte sie, dass etwas nicht stimmt. Sie fühlte sich schnell erschöpft und die tägliche Arbeit zu Hause sowie die Arbeit am PC - sie arbeitet im Homeoffice - fielen ihr zunehmend schwer.

Gute und schlechte Tage wechselten sich ab, aber insgesamt nahm das Gefühl von Erschöpfung stetig zu und sie entwickelte ein starkes Schlafbedürfnis. Selbst kleinere Aktivitäten wie das Anziehen der Kinder oder das Ausräumen der Geschirrspülmaschine führten zu heftigen Erschöpfungsanfällen. Sie musste sich dann sofort hinlegen und hatte Schwierigkeiten, wieder aufzustehen. An Fahrradfahren, was sie früher gerne und oft tat, war überhaupt nicht mehr zu denken, sagt sie. Bei einem Versuch war sie nach nicht einmal fünf Minuten völlig erschöpft. Vormittags konnte sie sich mehrmals für eine Viertelstunde wieder aufraffen, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern, aber ab 16.00 Uhr war sie "kaum noch zu gebrauchen". Wenn sie dennoch weitermachte, führte das zu einem Rückschlag von einem bis zwei Tagen, an denen sie eigentlich nur noch liegen konnte. Sie hatte dann Kopfschmerzen und schwere Gliedmaßen. Sie klagte über Druck in der Herzgegend, schnellen Herzschlag und Kraftlosigkeit – ärztlicherseits gab es jedoch keine Anzeichen für eine organische Erkrankung.

Dringend benötigte sie ihren mittäglichen Schlaf, sonst ging gar nichts mehr. Ihr Mann übernahm vieles im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, beruflich war sie seit Ende November krankgeschrieben. Ihre Konzentrationsfähigkeit hatte stark gelitten. Gespräche mit mehreren Menschen gleichzeitig strengten sie enorm an, und es war generell schwer für sie, in Gesellschaft zu sein. Sie beschrieb sich als "fassungslos diesem Zustand gegenüber" und wirkte sehr bedrückt. Bis hierher hatte die Klientin alles heraus gesprochen und war fast erleichtert, dass jemand ihre traurige Geschichte einfach nur in Ruhe anhörte. Ihr Wunsch, den sie mit Yoga-Unterstützung mitbrachte, war es, wieder belastungsfähiger zu werden und irgendwann wieder zu meinem alten Leben zurückzufinden.

Diese junge Frau gehört zu denen, die als Folge einer Infektion ein schweres chronisches Fatigue-Syndrom entwickelt haben.

Die praktische Umsetzung

Nachdem alle persönlichen Informationen ausführlich zur Sprache gekommen sind, wird das Gespräch vermehrt vonseiten der Yogatherapeutin gestaltet. Sie fragt nach dem morgendlichen Zustand. „Da geht es mir noch am besten und auch direkt nach meinem Mittagsschlaf“, danach, was die Klientin in den Zeiten tut, wenn sie „nur liegt“ („Musik hören tut gut, auch mal einen Podcast, lange Telefonate, Videos oder Fernsehschauen ermüden mich sehr“), nach möglichen körperlichen Aktivitäten („Gegen 14.00 Uhr versuche ich, 15 Minuten spazieren zu gehen, die frische Luft und die Bewegung tun mir gut, aber es darf wirklich nicht mehr sein“).

All diese Fragen dienen dazu, aktuell vorhandene Ressourcen zu ermitteln, die individuelle Belastbarkeit festzustellen, und Möglichkeiten zu eruieren, wie die Klientin mobil bleiben und mobiler werden kann.

Die Suche nach den Ressourcen, die zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, erscheint in einem solchen deutlich ausgeprägten Fall wie diesem oftmals nicht sehr ergiebig, dennoch ist sie wichtig.

  • Zu einem großen Teil ist es hier die Praxis selbst, die hilft, das Maß der Ressourcen zu bestimmen. Denn als Übungsverfahren baut Yoga auf die Wirkungen einer selbstständig geübten Praxis, und dies in mehreren Hinsichten.
  • Und es wird die körperliche Ebene ausgelotet. Die gleiche Praxis regt dazu an, sich auf das eigene Tun zu konzentrieren und sich genauer zu beobachten und dies in Bezug auf die positiven Erfahrungen und nicht auf die des Mangels und Misslingens.

All dies trägt dazu bei, dass dort gesammelte Erfahrungen von den betroffenen Menschen als Momente der Kraft identifiziert werden und ein Hinweis darauf sind, sie mehr zu suchen und in Anspruch zu nehmen.

Das Herausfinden der individuellen Belastungsfähigkeit wird von Expert:innen-Seite als eine der wichtigsten Aufgaben beim Umgang mit dem CFS beschrieben, löst doch selbst ein leichtes Überschreiten derselben die sogenannte Posterexertionelle Malaise (PEM), auch Crash genannt aus, wie ihn auch die junge Frau beschreibt. Dies ist umso wichtiger, als mehr und mehr erlebte Crashs den Gesamtzustand immer weiter verschlechtern.

Für einen Praxisvorschlag heißt das z.B. – wie wir auch in diesem Fall sehen werden:

  • sehr klare Vorgaben bezüglich der Anzahl der Wiederholungen einzelner Übungen zu machen
  • die Dauer der Praxis festzulegen
  • die passende Tageszeit für das Üben gemeinsam zu bestimmen.

Im Gespräch selbst dient das Nachfragen der Schärfung des Bewusstseins bei den Klient:innen für deren aktuelle Grenzen und ihrer Aufmerksamkeit für Möglichkeiten, diese nach und nach zu erweitern. Für diesen Bereich sollte das Gespräch, das immer Teil der gesamten Yogabegleitung ist, von besonderer Empathie und Behutsamkeit getragen sein, um Frustrationen zu vermeiden.

Für eine regelmäßig geübte Praxis geht es immer wieder um das richtige Maß der gestellten Anforderungen.

So erfordert Erschöpfung viel Liegen; gleichzeitig führt dies zu einer Trägheit der Kreislaufregulation und zu einer starken Unterforderung des Bewegungssystems, zu verminderter Beweglichkeit bis hin zum Muskelabbau. Ebenso ist die Bedeutung regelmäßiger Bewegung für die Stimmungslage des Menschen durch zahlreiche Untersuchungen belegt.2 Mobil bleiben, wird daher in den Beratungen zum Umgang mit CFS immer wieder betont. Yogapraxis kann hier eine wichtige Rolle spielen, verfügt sie doch über eine Vielzahl von Möglichkeiten, Āsana so zu variieren, dass sie weniger oder mehr Anforderungen an die Übenden stellen. Dabei eignet sich das Prinzip des Vinyāsa krama, also des sinnvoll aufeinander aufbauenden Anwendens von Übungen perfekt, um eine schonende Mobilisierung zu bewirken.

Oft hilft eine regelmäßig geübte Praxis auch dort, wo man ihre Wirkungen nicht unbedingt erwartet, in einem Feld, das jedoch aus Sicht der medizinischen Expert:innen für die Psyche der Betroffenen essenziell ist, nämlich bei der Neubewertung ihrer Tätigkeiten.

Diese Aufgabe mag zu den schwierigsten gehören, die Menschen mit CFS abverlangt werden. Dennoch ist sie angebracht, denn die bitteren Erfahrungen, die diese Krankheit mit sich bringt, verstärken den Stress, der aus einer nicht mehr gelingenden Alltagsbewältigung entsteht; dieser wiederum verstärkt Krankheit und Krankheitserleben, ein schlechter Kreis schließt sich. Dem kann eine Neubewertung der eigenen Tätigkeiten entgegengesetzt werden. Nicht das, was vor der Erkrankung geleistet werden konnte, darf jetzt die Messlatte sein, sondern das, was an guten Tagen möglich war und ist.

___

2 z.B. https://www.rki.de/DE/Content/Service/Sozialberatung/BGBL_Krprl_Akt_psych_Gesund.pdf?__blob=publicationFile

Die erste Praxis

Nach einer guten halben Stunde des Gesprächs ist zu spüren, dass die Konzentration der jungen Frau nachlässt, sie entwickelt leichte Sprachfindungsstörungen und fragt zunehmend nach, ob sie etwas richtig verstanden hat. Sie wird gebeten, sich hinzulegen und sich etwas auszuruhen. Die Suche nach der passenden Praxis beginnt.

Ziel der ersten Praxis ist es, der Klientin zwei Dinge zu ermöglichen:

  • ein Üben ohne Crash
  • und die Vermittlung der Erfahrung, sich selbst aktiv eine Entspannung zu ermöglichen.

Auf diesem Hintergrund wird auch der Wunsch der Klientin, ihr Programm im Stehen anzufangen, diskutiert und stattdessen eine weniger kraft-fordernde Variante im Sitzen vorgeschlagen. Daneben kann sich so ein erster Eindruck der aktuellen Belastungsgrenzen verschafft werden. Das ist auch der Grund dafür, dass die Anzahl der Wiederholungen von Beginn an nicht der Klientin überlassen wird, sondern streng festgelegt ist. Durch einfache Armbewegungen im Liegen wird die Koordination von Atem und Bewegung geübt; sie wird gleich verstanden und als angenehm empfunden. So können alle Übungen mit dem Atem verbunden werden. Die Praxis wird auf Audio aufgenommen und der Klientin mitgegeben, um beim selbstständigen Üben zu Hause ihre Konzentrationsfähigkeit nicht zu überfordern.

Abb. 1

Beim zweiten Treffen berichtet die Klientin, dass sie jeden Abend geübt hat; sie fühlte sich gut danach. Keine Crashs nach der Praxis. Das Audio benutzte sie nur an den ersten zwei Tagen, die Übungen seien leicht zu merken. Die 4. Übung sei etwas langweilig geworden, deshalb wird sie in der 2. Praxis verändert (Abb. 2).

Abb. 2

Bei den folgenden Treffen werden einige Änderungen vorgenommen. Der alte Wunsch, im Stehen anzufangen, kommt noch einmal auf und wird nun im Vertrauen auf die gewachsene Eigenkompetenz der Klientin als Option in der 3. Praxis eingearbeitet.

Abb. 3

Bei dem folgenden Kontakt berichtet die Klientin, dass sie die Standpositionen nur zwei Mal probiert habe – diese habe sie aber doch ziemlich erschöpft, deshalb sei sie wieder zu der Sitzvariante zurückgekehrt. Hier zeigt sich: Was zu Beginn der ersten Praxis als Fehlschlag hätte enden können, stellt sich an dieser Stelle als positiver Lerneffekt heraus: Die Klientin bemerkt eigenständig ihre Belastungsgrenze und richtet sich danach. Im Gespräch ergaben sich Hinweise für weitere kleine Änderungen und Ergänzungen. Die Praxis sah danach so aus (Abb. 4).

Abb. 4

Beim letzten direkten Kontakt berichtet sie von einer schwierigen Phase, die sie hinter sich hat – der Versuch, wieder in die Arbeit einzusteigen, hatte zu einem erheblichen Crash geführt. Wochenlang war sie zurückgeworfen auf ein sehr niedriges Belastungsniveau, viele Zukunftsängste plagten sie, der Schlaf war schlecht. Selbst Yoga-Üben war in dieser Zeit nicht möglich.

Seit zwei Wochen kann sie wieder üben, dies tat ihr sehr gut. Die Übung Nummer 7 fiel ihr allerdings derzeit sehr schwer; sie habe sie durch eine einfache Armbewegung ersetzt. Diese wird als Übung so ins Programm aufgenommen.

Abb. 5

Sie möchte auch versuchen, die Übungssequenz zweimal täglich zu machen, und die Yogatherapeutin empfiehlt ihr, beim zweiten Üben zunächst alle Übungen nur halb so oft zu wiederholen wie bei ihrer aktuellen Sequenz. Eine telefonische Rückmeldung wird vereinbart. Beim vorerst letzten telefonischen Kontakt 3 Monate später berichtet die Klientin, dass sie sich bei Weitem noch nicht wieder voll einsatzfähig fühle; der Einbruch von damals wirkte noch immer nach. Ihre Yogapraxis übt sie weiterhin regelmäßig, manchmal wie abgesprochen zweimal täglich; sie sei ein wichtiger Moment ihres Tagesablaufs geblieben: „Wenn ich meine 15 Minuten Yoga mache, fühle ich mich endlich mal nicht krank“ – wie sie es beschreibt.

Was gesunden Menschen sehr wenig, vielleicht banal erscheint, ist für schwer erkrankte Menschen wie die hier beschriebene Klientin eine Erholung, ein wichtiger Ankerpunkt in ihrem Alltag. Und es hält die Hoffnung aufrecht, dass sich ihr Leben auf lange Sicht wieder einpendeln kann in Richtung dessen, was sie vor ihrer Erkrankung als normal leben konnte. Dazu werden mit Sicherheit die Erfolge medizinischer Forschung beitragen; dazu wird aber auch das beitragen, was wir aus den wissenschaftlichen Diskussionen über die Wirkungen von Verfahren, wie Yoga wissen: Durch bewusstes Bewegen, verlangsamtes Atmen, durch ins eigene Tun kommen gibt Yoga Impulse zur Reorganisation der inneren Dynamik des menschlichen Systems, die aus dem Gleichgewicht geraten ist und kann damit gestörte Selbstheilungskräfte wieder in Gang bringen. ▼

Yoga und das chronische Fatigue-Syndrom (CFS)

Vorweg: Im Umgang mit CFS sollten sich Yogaunterrichtende stets drei Gegebenheiten vergegenwärtigen:

  • Zum einen; die Erschöpfung beim chronischen Fatigue-Syndrom übertrifft alles, was ein halbwegs gesunder Mensch an Erschöpfung kennt. Schon minimale Anstrengungen körperlicher oder kognitiver Art oder auch nur ein Anflug von Stress lösen maximale Erschöpfung aus.
  • Zum anderen: die Folgen einer Überanstrengung für von CFS-Betroffene. Gehen diese auch nur ein wenig über ihre Belastungsgrenze, so führt das in aller Regel zu einem sogenannten Crash, einem extremen Rückschlag des Wohlbefindens und einer anhaltenden Krankheitsverschlechterung – und dies nicht nur für ein paar Stunden, sondern über Tage oder sogar Wochen.
  • Und zum Dritten zeigt die Erfahrung, dass die Belastungsgrenze für jeden Menschen sehr unterschiedlich ist. Schwer Betroffene können schon von einem kurzen Gespräch überfordert sein, leichter Erkrankte können sogar manchmal ein wenig Sport betreiben.

Gruppenunterricht oder individuelle Begleitung?

Es scheint so, dass manche Menschen im Rahmen eines Post-Covid-Syndroms ein Fatigue-Syndrom entwickeln, während andere eher mit Atem- und Kreislaufstörungen, eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit und Schmerzen reagieren. Während letztere von einem Gruppenunterricht sehr profitieren können, sieht dies für das chronische Fatigue-Syndrom anders aus.

Sinnvolle Yoga-Angebote für Menschen mit einem chronischen Fatigue-Syndrom finden am besten im individuellen Rahmen statt. Für diese Menschen erscheint das Üben in einer Gruppe aufgrund der starren zeitlichen Vorgaben allein schon deshalb nicht sinnvoll. Ein üblicherweise aus ein bis eineinhalb Kursstunden bestehender Unterricht ist für Menschen, die an einem chronischen Fatigue-Syndrom leiden, völlig unpassend und überfordernd. Dies gilt in aller Regel auch für leichter Betroffene, denn auch ihnen kann das Überschreiten der Belastungsgrenze schwere Crashs bescheren, die die Erkrankung insgesamt verschlimmern.

Grundsätzlich gilt deshalb: Je individueller das Yoga-Angebot für CFS-Betroffene gestaltet werden kann, desto angemessener kann gearbeitet werden. Wer also sinnvolle Yoga-Angebote für diese Gruppe machen möchte, stellt sich am besten auf eine individuelle Begleitung der Erkrankten ein.

Das Ziel: Die Belastungsgrenze respektieren und gleichzeitig aktiv bleiben.

Pacing – oder was Yogalehrende von den Empfehlungen der medizinischen Expert:innen lernen können

Eine zentrale Empfehlung, welche die Expert:innen den betroffenen CFS - Erkrankten geben, wird unter dem Begriff Pacing Der Begriff leitet sich aus dem englischen Wort to pace ab: etwas abschreiten, einen Schritt nach dem anderen machen zusammengefasst. Mit dieser Empfehlung geht die Absicht einher, die Menschen mit CFS darin zu unterstützen, weiterhin aktiv zu bleiben, um zu verhindern, dass Schäden aus Immobilität und Inaktivität heraus entstehen, und sie gleichermaßen dazu befähigen, ihre sozialen Bezüge weiterhin zu leben.

Beim Pacing handelt es sich nicht um eine bestimmte Anwendung oder ein medikamentöses Angebot; vielmehr umfasst es eine Reihe von Ratschlägen, die alle auf das gleiche Ziel hinauslaufen: das Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze zu vermeiden.

Beim Pacing geht es darum, in allem, was getan wird, stets unterhalb der individuellen Belastungsmarge zu agieren. Pacing beinhaltet, dass man aufhört, etwas zu tun, bevor man zu viel tut – egal, welche Aktivität es sein mag: eine körperliche, kognitive, emotionale oder soziale – und dass man sich danach immer ausreichend ausruht. Pacing beinhaltet auch, im Alltag die eigenen Aktivitäten zu begrenzen – nicht noch schnell dies zu Ende führen oder noch kurz jenes erledigen.

Es beinhaltet auch den Vorschlag, nicht zu lange mit einer gleichen Aktivität fortzufahren, sondern die Aktivitäten und damit die Anforderungen zu wechseln. Aber wo ist die Grenze, die schnell überschritten ist, zu verorten? Es ist offensichtlich, dass den Betroffenen eine klare Selbstbeobachtung und ein großer Lernprozess abverlangt wird. Beim Pacing werden Menschen mit CFS zudem aufgefordert, ihre Aktivitäten neu zu bewerten und sich nicht immer wieder an den früheren, vor der Erkrankung bestehenden Kapazitäten zu messen. 1 Beim Pacing werden Menschen mit CFS zudem aufgefordert, ihre Aktivitäten neu zu bewerten und sich nicht immer wieder an den früheren, vor der Erkrankung bestehenden Kapazitäten zu messen.

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1 Unter anderem wird das Führen eines Tagebuchs empfohlen, siehe auch https://www.mecfs.de/wp-content/uploads/2022/04/DGMECFS_Pacing_A4.pdf

Yoga als therapeutische Intervention bei CFS – was ist wichtig?

Bei den Grundprinzipien der Anwendung von Yoga als Therapie lassen sich erstaunliche Parallelen zum Pacing feststellen. In diesem Format der Yogavermittlung arbeiten Yogalehrende grundsätzlich so, dass sie einen Praxisvorschlag entlang der individuellen Gegebenheiten ihrer Klient:innen gestalten und sich im Verlauf entlang konkreter Wirkungen und individueller Erfahrungen orientieren. Alle Angebote richten sich danach aus, das empfundene Leid der Betroffenen nicht zu verstärken. Leistung zählt nicht, sondern die Qualität des Übens steht ganz im Vordergrund und ist auf eine Kontinuität im Üben ausgelegt. Eine wesentliche Rolle spielt in einem fundierten Yogaunterricht dieser Art, dass Selbstständigkeit und Eigenkompetenz gestärkt werden – bekannt ist uns dieses Verfahren unter dem Begriff Viniyoga.

Wie eine solche Unterstützung durch Yoga aussehen kann, wird im nächsten Kapitel beispielhaft an der Situation einer erkrankten jungen Frau dargestellt.

Ein Fall

Die Klientin – eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern im Alter von zwei und vier Jahren – kommt zur Konsultation; ihr Mann bringt sie mit dem Auto.

Sie erzählt: Im Oktober 2022 erkrankte sie an Covid, mit einem leichten Verlauf, wie sie berichtet. Nach einer Woche fühlte sie sich wieder fit. Drei Wochen nach Beginn der Infektion bemerkte sie, dass etwas nicht stimmt. Sie fühlte sich schnell erschöpft und die tägliche Arbeit zu Hause sowie die Arbeit am PC - sie arbeitet im Homeoffice - fielen ihr zunehmend schwer.

Gute und schlechte Tage wechselten sich ab, aber insgesamt nahm das Gefühl von Erschöpfung stetig zu und sie entwickelte ein starkes Schlafbedürfnis. Selbst kleinere Aktivitäten wie das Anziehen der Kinder oder das Ausräumen der Geschirrspülmaschine führten zu heftigen Erschöpfungsanfällen. Sie musste sich dann sofort hinlegen und hatte Schwierigkeiten, wieder aufzustehen. An Fahrradfahren, was sie früher gerne und oft tat, war überhaupt nicht mehr zu denken, sagt sie. Bei einem Versuch war sie nach nicht einmal fünf Minuten völlig erschöpft. Vormittags konnte sie sich mehrmals für eine Viertelstunde wieder aufraffen, um sich um Kinder und Haushalt zu kümmern, aber ab 16.00 Uhr war sie "kaum noch zu gebrauchen". Wenn sie dennoch weitermachte, führte das zu einem Rückschlag von einem bis zwei Tagen, an denen sie eigentlich nur noch liegen konnte. Sie hatte dann Kopfschmerzen und schwere Gliedmaßen. Sie klagte über Druck in der Herzgegend, schnellen Herzschlag und Kraftlosigkeit – ärztlicherseits gab es jedoch keine Anzeichen für eine organische Erkrankung.

Dringend benötigte sie ihren mittäglichen Schlaf, sonst ging gar nichts mehr. Ihr Mann übernahm vieles im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, beruflich war sie seit Ende November krankgeschrieben. Ihre Konzentrationsfähigkeit hatte stark gelitten. Gespräche mit mehreren Menschen gleichzeitig strengten sie enorm an, und es war generell schwer für sie, in Gesellschaft zu sein. Sie beschrieb sich als "fassungslos diesem Zustand gegenüber" und wirkte sehr bedrückt. Bis hierher hatte die Klientin alles heraus gesprochen und war fast erleichtert, dass jemand ihre traurige Geschichte einfach nur in Ruhe anhörte. Ihr Wunsch, den sie mit Yoga-Unterstützung mitbrachte, war es, wieder belastungsfähiger zu werden und irgendwann wieder zu meinem alten Leben zurückzufinden.

Diese junge Frau gehört zu denen, die als Folge einer Infektion ein schweres chronisches Fatigue-Syndrom entwickelt haben.

Die praktische Umsetzung

Nachdem alle persönlichen Informationen ausführlich zur Sprache gekommen sind, wird das Gespräch vermehrt vonseiten der Yogatherapeutin gestaltet. Sie fragt nach dem morgendlichen Zustand. „Da geht es mir noch am besten und auch direkt nach meinem Mittagsschlaf“, danach, was die Klientin in den Zeiten tut, wenn sie „nur liegt“ („Musik hören tut gut, auch mal einen Podcast, lange Telefonate, Videos oder Fernsehschauen ermüden mich sehr“), nach möglichen körperlichen Aktivitäten („Gegen 14.00 Uhr versuche ich, 15 Minuten spazieren zu gehen, die frische Luft und die Bewegung tun mir gut, aber es darf wirklich nicht mehr sein“).

All diese Fragen dienen dazu, aktuell vorhandene Ressourcen zu ermitteln, die individuelle Belastbarkeit festzustellen, und Möglichkeiten zu eruieren, wie die Klientin mobil bleiben und mobiler werden kann.

Die Suche nach den Ressourcen, die zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, erscheint in einem solchen deutlich ausgeprägten Fall wie diesem oftmals nicht sehr ergiebig, dennoch ist sie wichtig.

  • Zu einem großen Teil ist es hier die Praxis selbst, die hilft, das Maß der Ressourcen zu bestimmen. Denn als Übungsverfahren baut Yoga auf die Wirkungen einer selbstständig geübten Praxis, und dies in mehreren Hinsichten.
  • Und es wird die körperliche Ebene ausgelotet. Die gleiche Praxis regt dazu an, sich auf das eigene Tun zu konzentrieren und sich genauer zu beobachten und dies in Bezug auf die positiven Erfahrungen und nicht auf die des Mangels und Misslingens.

All dies trägt dazu bei, dass dort gesammelte Erfahrungen von den betroffenen Menschen als Momente der Kraft identifiziert werden und ein Hinweis darauf sind, sie mehr zu suchen und in Anspruch zu nehmen.

Das Herausfinden der individuellen Belastungsfähigkeit wird von Expert:innen-Seite als eine der wichtigsten Aufgaben beim Umgang mit dem CFS beschrieben, löst doch selbst ein leichtes Überschreiten derselben die sogenannte Posterexertionelle Malaise (PEM), auch Crash genannt aus, wie ihn auch die junge Frau beschreibt. Dies ist umso wichtiger, als mehr und mehr erlebte Crashs den Gesamtzustand immer weiter verschlechtern.

Für einen Praxisvorschlag heißt das z.B. – wie wir auch in diesem Fall sehen werden:

  • sehr klare Vorgaben bezüglich der Anzahl der Wiederholungen einzelner Übungen zu machen
  • die Dauer der Praxis festzulegen
  • die passende Tageszeit für das Üben gemeinsam zu bestimmen.

Im Gespräch selbst dient das Nachfragen der Schärfung des Bewusstseins bei den Klient:innen für deren aktuelle Grenzen und ihrer Aufmerksamkeit für Möglichkeiten, diese nach und nach zu erweitern. Für diesen Bereich sollte das Gespräch, das immer Teil der gesamten Yogabegleitung ist, von besonderer Empathie und Behutsamkeit getragen sein, um Frustrationen zu vermeiden.

Für eine regelmäßig geübte Praxis geht es immer wieder um das richtige Maß der gestellten Anforderungen.

So erfordert Erschöpfung viel Liegen; gleichzeitig führt dies zu einer Trägheit der Kreislaufregulation und zu einer starken Unterforderung des Bewegungssystems, zu verminderter Beweglichkeit bis hin zum Muskelabbau. Ebenso ist die Bedeutung regelmäßiger Bewegung für die Stimmungslage des Menschen durch zahlreiche Untersuchungen belegt.2 Mobil bleiben, wird daher in den Beratungen zum Umgang mit CFS immer wieder betont. Yogapraxis kann hier eine wichtige Rolle spielen, verfügt sie doch über eine Vielzahl von Möglichkeiten, Āsana so zu variieren, dass sie weniger oder mehr Anforderungen an die Übenden stellen. Dabei eignet sich das Prinzip des Vinyāsa krama, also des sinnvoll aufeinander aufbauenden Anwendens von Übungen perfekt, um eine schonende Mobilisierung zu bewirken.

Oft hilft eine regelmäßig geübte Praxis auch dort, wo man ihre Wirkungen nicht unbedingt erwartet, in einem Feld, das jedoch aus Sicht der medizinischen Expert:innen für die Psyche der Betroffenen essenziell ist, nämlich bei der Neubewertung ihrer Tätigkeiten.

Diese Aufgabe mag zu den schwierigsten gehören, die Menschen mit CFS abverlangt werden. Dennoch ist sie angebracht, denn die bitteren Erfahrungen, die diese Krankheit mit sich bringt, verstärken den Stress, der aus einer nicht mehr gelingenden Alltagsbewältigung entsteht; dieser wiederum verstärkt Krankheit und Krankheitserleben, ein schlechter Kreis schließt sich. Dem kann eine Neubewertung der eigenen Tätigkeiten entgegengesetzt werden. Nicht das, was vor der Erkrankung geleistet werden konnte, darf jetzt die Messlatte sein, sondern das, was an guten Tagen möglich war und ist.

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2 z.B. https://www.rki.de/DE/Content/Service/Sozialberatung/BGBL_Krprl_Akt_psych_Gesund.pdf?__blob=publicationFile

Die erste Praxis

Nach einer guten halben Stunde des Gesprächs ist zu spüren, dass die Konzentration der jungen Frau nachlässt, sie entwickelt leichte Sprachfindungsstörungen und fragt zunehmend nach, ob sie etwas richtig verstanden hat. Sie wird gebeten, sich hinzulegen und sich etwas auszuruhen. Die Suche nach der passenden Praxis beginnt.

Ziel der ersten Praxis ist es, der Klientin zwei Dinge zu ermöglichen:

  • ein Üben ohne Crash
  • und die Vermittlung der Erfahrung, sich selbst aktiv eine Entspannung zu ermöglichen.

Auf diesem Hintergrund wird auch der Wunsch der Klientin, ihr Programm im Stehen anzufangen, diskutiert und stattdessen eine weniger kraft-fordernde Variante im Sitzen vorgeschlagen. Daneben kann sich so ein erster Eindruck der aktuellen Belastungsgrenzen verschafft werden. Das ist auch der Grund dafür, dass die Anzahl der Wiederholungen von Beginn an nicht der Klientin überlassen wird, sondern streng festgelegt ist. Durch einfache Armbewegungen im Liegen wird die Koordination von Atem und Bewegung geübt; sie wird gleich verstanden und als angenehm empfunden. So können alle Übungen mit dem Atem verbunden werden. Die Praxis wird auf Audio aufgenommen und der Klientin mitgegeben, um beim selbstständigen Üben zu Hause ihre Konzentrationsfähigkeit nicht zu überfordern.

Abb. 1

Beim zweiten Treffen berichtet die Klientin, dass sie jeden Abend geübt hat; sie fühlte sich gut danach. Keine Crashs nach der Praxis. Das Audio benutzte sie nur an den ersten zwei Tagen, die Übungen seien leicht zu merken. Die 4. Übung sei etwas langweilig geworden, deshalb wird sie in der 2. Praxis verändert (Abb. 2).

Abb. 2

Bei den folgenden Treffen werden einige Änderungen vorgenommen. Der alte Wunsch, im Stehen anzufangen, kommt noch einmal auf und wird nun im Vertrauen auf die gewachsene Eigenkompetenz der Klientin als Option in der 3. Praxis eingearbeitet.

Abb. 3

Bei dem folgenden Kontakt berichtet die Klientin, dass sie die Standpositionen nur zwei Mal probiert habe – diese habe sie aber doch ziemlich erschöpft, deshalb sei sie wieder zu der Sitzvariante zurückgekehrt. Hier zeigt sich: Was zu Beginn der ersten Praxis als Fehlschlag hätte enden können, stellt sich an dieser Stelle als positiver Lerneffekt heraus: Die Klientin bemerkt eigenständig ihre Belastungsgrenze und richtet sich danach. Im Gespräch ergaben sich Hinweise für weitere kleine Änderungen und Ergänzungen. Die Praxis sah danach so aus (Abb. 4).

Abb. 4

Beim letzten direkten Kontakt berichtet sie von einer schwierigen Phase, die sie hinter sich hat – der Versuch, wieder in die Arbeit einzusteigen, hatte zu einem erheblichen Crash geführt. Wochenlang war sie zurückgeworfen auf ein sehr niedriges Belastungsniveau, viele Zukunftsängste plagten sie, der Schlaf war schlecht. Selbst Yoga-Üben war in dieser Zeit nicht möglich.

Seit zwei Wochen kann sie wieder üben, dies tat ihr sehr gut. Die Übung Nummer 7 fiel ihr allerdings derzeit sehr schwer; sie habe sie durch eine einfache Armbewegung ersetzt. Diese wird als Übung so ins Programm aufgenommen.

Abb. 5

Sie möchte auch versuchen, die Übungssequenz zweimal täglich zu machen, und die Yogatherapeutin empfiehlt ihr, beim zweiten Üben zunächst alle Übungen nur halb so oft zu wiederholen wie bei ihrer aktuellen Sequenz. Eine telefonische Rückmeldung wird vereinbart. Beim vorerst letzten telefonischen Kontakt 3 Monate später berichtet die Klientin, dass sie sich bei Weitem noch nicht wieder voll einsatzfähig fühle; der Einbruch von damals wirkte noch immer nach. Ihre Yogapraxis übt sie weiterhin regelmäßig, manchmal wie abgesprochen zweimal täglich; sie sei ein wichtiger Moment ihres Tagesablaufs geblieben: „Wenn ich meine 15 Minuten Yoga mache, fühle ich mich endlich mal nicht krank“ – wie sie es beschreibt.

Was gesunden Menschen sehr wenig, vielleicht banal erscheint, ist für schwer erkrankte Menschen wie die hier beschriebene Klientin eine Erholung, ein wichtiger Ankerpunkt in ihrem Alltag. Und es hält die Hoffnung aufrecht, dass sich ihr Leben auf lange Sicht wieder einpendeln kann in Richtung dessen, was sie vor ihrer Erkrankung als normal leben konnte. Dazu werden mit Sicherheit die Erfolge medizinischer Forschung beitragen; dazu wird aber auch das beitragen, was wir aus den wissenschaftlichen Diskussionen über die Wirkungen von Verfahren, wie Yoga wissen: Durch bewusstes Bewegen, verlangsamtes Atmen, durch ins eigene Tun kommen gibt Yoga Impulse zur Reorganisation der inneren Dynamik des menschlichen Systems, die aus dem Gleichgewicht geraten ist und kann damit gestörte Selbstheilungskräfte wieder in Gang bringen. ▼

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