Woran leiden Menschen mit Post Covid?
Auf den Websites vieler Krankenkassen und Kliniken in Deutschland lässt sich mittlerweile verständlich nachlesen, welche Symptome bei einer Post-Covid-Erkrankung auftreten können. 1
Das Bild, das sich daraus ergibt, ist sehr vielfältig und anders als bei anderen bekannten Erkrankungen, wie Migräne, Bluthochdruck oder Diabetes Mellitus, nicht eng definierbar. An dieser Stelle sollen nur die häufigsten Beschwerden genannt werden; sie zu kennen ist für Yogaunterrichtende relevant, denn viele von Post-Covid betroffene Menschen kommen damit in den Unterricht.
Im Vordergrund stehen eine übermäßige Erschöpfung und reduzierte Belastbarkeit. Diese Beschwerden gehen in der Regel mit weiteren Symptomen einher und werden von den meisten Betroffenen berichtet. Sowohl private als auch berufliche Anforderungen können nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden, und Phasen der Ruhe müssen länger sein als zuvor bekannt.
Eine besondere Form von Erschöpfung ist das führende Symptom des sogenannten chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS). Das, worüber hier gesprochen wird, bestimmt den Alltag von Menschen mit Post-Covid in außergewöhnlich hohem Maße. Es handelt sich um eine Müdigkeit, die sich weder durch Schlaf noch durch Ruhe beheben lässt, sowie um eine Erschöpfung, die bereits bei kleinen alltäglichen Aufgaben auftritt. Betroffene erleben häufig eine deutliche Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit – sowohl im privaten als auch im beruflichen Alltag. Dies wird als massiver Leistungseinbruch empfunden. Selbst geringfügige Überanstrengungen können sich in Form von tagelanger extremer Mattigkeit rächen – die wissenschaftliche Bezeichnung dafür ist postexertionelle Malaise (PEM), auch Crash genannt, also ein Zusammenbruch des Allgemeinbefindens nach vorangegangenen körperlichen, mentalen oder sozialen Aktivitäten. Hinter der Diagnose chronisches Fatigue-Syndrom ME/CPS verbirgt sich ein komplexes schweres Krankheitsbild, das bei über der Hälfte aller Post-Covid-Patient:innen anzutreffen ist. Eine ausführliche und fundierte Darstellung des chronischen Fatigue-Syndroms, veröffentlicht von Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen et al., Dt. Ärzteblatt Jg.120, Heft 20 19.5.2023. Prof. Scheibenbogen ist Leiterin der Ambulanz für ME/Chronic Fatigue Syndrom an der Charité Berlin und Mitinitiatorin des Post Covid Netzwerks ME/CFS.
Es handelt sich um eine schon seit vielen Jahren als Folge anderer Virusinfektionen bekannte schwere Erkrankung. Z. B. nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, welches das bekannte Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononucleosis infectiosa) hervorruft. Es gehört zur Gruppe der Herpes-Viren. Lange Zeit wurde sie häufig als psychisches Phänomen missinterpretiert, wenn nicht sogar als »eingebildete Krankheit« verkannt. Mittlerweile ist ME/CFS als eine eigenständige schwere Krankheit anerkannt; gerade die Häufung ihres Auftretens nach Covid-Infektionen trägt aktuell dazu bei, dass sie endlich intensiver erforscht wird.
Heute weiß man, dass hinter dieser Erkrankung deutliche Veränderungen auf Zellebene stecken: Manche Viruserkrankungen können das Immunsystem überstimulieren, sodass es nicht mehr zur Ruhe kommt, wie es normalerweise nach viralen Infekten wie Erkältungen oder einer Grippe der Fall ist. Im Rahmen einer Covid-Erkrankung entstandene Antikörper, also Antikörper gegen das Virus, können das Immunsystem veranlassen, sogenannte Auto-Antikörper zu bilden, also solche, die eigene Körperstrukturen angreifen und so zu Fehlfunktionen führen. Solche Antikörper lassen sich bei einem großen Teil der Patient:innen nachweisen, die von Post-Covid betroffen sind.
Über starke Konzentrationsstörungen, ein dumpfes wattiges Kopfgefühl („brain fog“) und Gedächtnisstörungen klagt etwa ein Drittel aller von Post-Covid betroffenen Menschen. Solche Störungen können zu starken Einschränkungen im beruflichen und im privaten Umfeld führen. Schnell wird „alles zu viel“: Gespräche, Geräusche, visuelle Eindrücke und emotionale Situationen. Schlafstörungen, hauptsächlich bei jungen Patient:innen sind bei ca. 30 Prozent der Post-Covid-Patient:innen zu beobachten. Die Folgen davon sind Leistungseinschränkungen und Aufmerksamkeitsstörungen. Schmerzen, viele davon Kopfschmerzen, die auf die üblichen Medikamente nicht oder nur schlecht reagieren und weitere Schmerzen an Muskeln und Gelenken machen ebenfalls etwa ein Drittel der Symptome aller Post-Covid-Patient:innen aus. Auch das Herz-Kreislaufsystem ist betroffen, fast immer ohne nachweisbaren körperlichen Befund: Vor allem Frauen kennen das sogenannte PODS (postural disregulation syndrom): Bei Positionsveränderungen, etwa vom Sitzen zum Stehen oder Liegen kommt es zu Herzrasen und Schwindel – eine Anpassungsstörung des autonomen Nervensystems. Ein besonderes Phänomen der Post-Covid-Erkrankung sind Atemnot und andere Atemstörungen wie Hyperventilation bei Belastungen – auch sie treten bei etwa einem Drittel der Post-Covid-Betroffenen auf. Bei weitem nicht in allen Fällen lässt sich eine Störung der Lungenfunktion nachweisen – die Messwerte von Lungenkapazität oder -volumen können vollkommen normal ausfallen. Sind aber Atemstörungen ein Teil ihres Beschwerdebildes, beeinträchtigen sie die Menschen sehr. Treppensteigen wird zur Last, Joggen geht nicht mehr, der bisher betriebene Sport fällt aus. Es wird vermutet, dass diese Störungen ihren Ursprung in einer ineffizient arbeitenden Atemmuskulatur haben.
Dass das Leiden unter all diesen Symptomen und den damit verbundenen Lebenseinschränkungen sich in der Psyche der Betroffenen niederschlägt, liegt auf der Hand. Angststörungen und Depressionen lassen sich regelmäßig als Teil des Post-Covid-Syndroms beobachten. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass sie nur dann auftreten, wenn schon vor der Corona-Erkrankung solche Beschwerden oder Dispositionen vorhanden waren. Wie dem auch sei: Die Lebensbeschränkungen durch eine Post-Covid-Erkrankung fordern den Menschen ein hohes Maß an psychischer Widerstandskraft ab. Dies umso mehr, als sie mit ihren Beschwerden auch heute noch nicht überall in der medizinischen Versorgungswelt auf offenen Ohren und Empathie stoßen. Immer wieder treffen Post-Covid-Betroffene auf Ärztinnen und Ärzte, die sie aus Unkenntnis des Krankheitsbildes in ihrem Leiden nicht ernst nehmen und die Beschwerden kleinreden – eine Erfahrung, die viele Betroffene noch weiter an ihrer Erkrankung verzweifeln lässt. Die gute Nachricht dazu: An fast allen großen Kliniken sind mittlerweile Post-Covid-Zentren entstanden, die Existenz dieser Erkrankung ist somit für alle Öffentlichkeit seriös belegt, die Forschung wird vorangetrieben.
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1 https://pcn.charite.de – dort finden sich gut verständliche Informationen über das Post-Covid-Syndrom