Leiden an Post-Covid

Die Pandemie ist vorüber – was bleibt? Am 5. Mai 2023 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell das Ende der Pandemie.

Infektionen mit dem Coronavirus hatten nicht nur akut schwere Auswirkungen auf das Befinden und die Gesundheit von Milliarden Menschen. Das war hauptsächlich zu Beginn der Pandemie der Fall, als die Virusvarianten starke Krankheitsbilder verursachten und für viele Menschen sogar den Tod bedeuteten. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder aus Bergamo, New York, Indien und vielen anderen Ländern. Allmählich stellte sich heraus, dass die Probleme, die das Virus mit sich brachte, nicht immer mit dem Abschluss der akuten Krankheitsphase erledigt waren. Unter den Begriffen Post-Covid und Long Covid wurden die Spätfolgen dieser SARS-CoV-2-Erkrankung als eigenständige Krankheit erkannt.

In einem ersten von insgesamt drei Artikeln beschreibt Viveka zunächst den Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid aus medizinischer Sicht – das ist wichtig für das Verständnis der beiden Folgeartikel.

Im folgenden zweiten Artikel geht es um die Möglichkeiten, die Yoga bei Post-Covid bietet. Im letzten Beitrag schließlich darum, was Yoga im Kontext des chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) leisten kann.

Leiden an Post-Covid

Die Pandemie ist vorüber – was bleibt? Am 5. Mai 2023 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell das Ende der Pandemie.

Infektionen mit dem Coronavirus hatten nicht nur akut schwere Auswirkungen auf das Befinden und die Gesundheit von Milliarden Menschen. Das war hauptsächlich zu Beginn der Pandemie der Fall, als die Virusvarianten starke Krankheitsbilder verursachten und für viele Menschen sogar den Tod bedeuteten. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder aus Bergamo, New York, Indien und vielen anderen Ländern. Allmählich stellte sich heraus, dass die Probleme, die das Virus mit sich brachte, nicht immer mit dem Abschluss der akuten Krankheitsphase erledigt waren. Unter den Begriffen Post-Covid und Long Covid wurden die Spätfolgen dieser SARS-CoV-2-Erkrankung als eigenständige Krankheit erkannt.

In einem ersten von insgesamt drei Artikeln beschreibt Viveka zunächst den Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid aus medizinischer Sicht – das ist wichtig für das Verständnis der beiden Folgeartikel.

Im folgenden zweiten Artikel geht es um die Möglichkeiten, die Yoga bei Post-Covid bietet. Im letzten Beitrag schließlich darum, was Yoga im Kontext des chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) leisten kann.

Leiden an Post-Covid

Die Pandemie ist vorüber – was bleibt? Am 5. Mai 2023 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell das Ende der Pandemie.

Infektionen mit dem Coronavirus hatten nicht nur akut schwere Auswirkungen auf das Befinden und die Gesundheit von Milliarden Menschen. Das war hauptsächlich zu Beginn der Pandemie der Fall, als die Virusvarianten starke Krankheitsbilder verursachten und für viele Menschen sogar den Tod bedeuteten. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder aus Bergamo, New York, Indien und vielen anderen Ländern. Allmählich stellte sich heraus, dass die Probleme, die das Virus mit sich brachte, nicht immer mit dem Abschluss der akuten Krankheitsphase erledigt waren. Unter den Begriffen Post-Covid und Long Covid wurden die Spätfolgen dieser SARS-CoV-2-Erkrankung als eigenständige Krankheit erkannt.

In einem ersten von insgesamt drei Artikeln beschreibt Viveka zunächst den Unterschied zwischen Long Covid und Post Covid aus medizinischer Sicht – das ist wichtig für das Verständnis der beiden Folgeartikel.

Im folgenden zweiten Artikel geht es um die Möglichkeiten, die Yoga bei Post-Covid bietet. Im letzten Beitrag schließlich darum, was Yoga im Kontext des chronischen Fatigue-Syndroms (CFS) leisten kann.

Was ist Long Covid und was Post Covid?

Schon während sich die Pandemie in rasanter Weise ausbreitete, zeigte sich mehr und mehr ein Phänomen, auf das im Umgang mit der Pandemie niemand vorbereitet war: Trotz überstandener Infektion und Virenfreiheit gestaltete sich die Erholung der Erkrankten schleppend oder blieb ganz aus. Unter dem Eindruck einer wachsenden Zahl solcher Verläufe der Infektion wurde 2021 von der WHO der Begriff Post Covid geprägt.

Er galt für alle Infektionsverläufe, in denen Krankheitszeichen und Beschwerden auch noch vier Wochen nach einer Infektion anhielten oder neu auftraten. Der weitere Verlauf der Pandemie verlangte bald nach einer Ergänzung der Definition.

Die WHO definiert das Post-Covid-Syndrom als das Fortbestehen oder Auftreten neuer Symptome drei Monate nach der Erkrankung, die mindestens zwei Monate andauern. Diese Symptome waren vor der Infektion nicht vorhanden und lassen sich nur durch Covid erklären.

Mittlerweile wird der Begriff Long Covid immer mehr für die Langfolgen einer Covid-Infektion verwendet.1

Für die Arbeit mit Yoga ist eine Unterscheidung der beiden Begriffe irrelevant. Auf diesem Hintergrund wird im Weiteren dieser Darstellung nur noch von Post-Covid gesprochen. Man geht heute davon aus, dass etwa jeder zehnte Mensch, der eine Covid-Infektion erlitten hat, mit dem Phänomen Post-Covid zu kämpfen hat.

„In Europa leben nach aktuellen Aussagen der WHO etwa 36 Millionen Menschen mit Long Covid, von denen die meisten in ihrem Alltag eingeschränkt sind und von denen viele kein normales Leben mehr führen können.“
Prof. Carmen Scheibenbogen, Gründerin und Leiterin des Charité-Chronic-Fatigue-Zentrums, Berlin, Expertin für Post Covid-Erkrankungen

Weltweit leiden einer Studie zufolge etwa 65 Millionen Menschen an Post-Covid, 36 Millionen davon laut WHO in 53 Ländern Europas. Patient:innen, die schwere akute Verläufe hatten, haben häufiger mit den Langzeitfolgen zu kämpfen; jedoch trifft es auch sehr viele Menschen mit milden Krankheitsverläufen.

„Leider zeigen unsere Daten, dass Post-Covid-Betroffene mit schwerer Fatigue auch mehr als eineinhalb Jahre nach ihrer Infektion noch immer krank sind.“
Dr. Judith Bellmann-Strobl, Oberärztin der Hochschulambulanz für Neuroimmunologie des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), Berlin

Im Verlauf der zwei Pandemiejahre entwickelte sich rasch eine intensive Forschung zu diesem Krankheitsbild, die bis heute anhält. Eine große Anzahl von Studien und Metastudien tauchte schon recht früh in der wissenschaftlichen medizinischen Forschung auf, das Wissen über diese Krankheit nahm schnell zu. Dabei zeigte sich, dass das Krankheitsbild von Post-Covid zu einem der umfangreichsten und „buntesten“ gehört, welches wir aktuell kennen. Für das Erkennen der so unterschiedlichen Symptome erwies es sich als sehr hilfreich, dass die Erkrankung pandemisch stattfand, also überall auf der Welt. Ebenso wie die rasche Verbreitung der SARS-Corona-Infektion dazu führte, dass durch intensive globale Forschung in erstaunlich kurzer Zeit Impfstoffe entwickelt wurden, die vor Infektionen schützten und schwere Krankheitsverläufe verhinderten, begannen weltweit Forscherinnen und Forscher frühzeitig, das Phänomen Post-Covid zu untersuchen. Dabei standen sie in einem regen Austausch miteinander. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt und es kann gesagt werden, dass die Forschungen zu Post-Covid international so gut vernetzt sind wie wenige andere. Gleichwohl ist aus heutiger Sicht der Stand der Ursachenforschung, der für die Entwicklung wirksamer Therapien erforderlich ist, noch sehr unbefriedigend. Man ist noch weit entfernt davon, die krankheitsverursachenden Mechanismen dieser schweren Erkrankung sicher benennen zu können.

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1 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/long-covid-2134624

Woran leiden Menschen mit Post Covid?

Auf den Websites vieler Krankenkassen und Kliniken in Deutschland lässt sich mittlerweile verständlich nachlesen, welche Symptome bei einer Post-Covid-Erkrankung auftreten können. 1

Das Bild, das sich daraus ergibt, ist sehr vielfältig und anders als bei anderen bekannten Erkrankungen, wie Migräne, Bluthochdruck oder Diabetes Mellitus, nicht eng definierbar. An dieser Stelle sollen nur die häufigsten Beschwerden genannt werden; sie zu kennen ist für Yogaunterrichtende relevant, denn viele von Post-Covid betroffene Menschen kommen damit in den Unterricht.

Im Vordergrund stehen eine übermäßige Erschöpfung und reduzierte Belastbarkeit. Diese Beschwerden gehen in der Regel mit weiteren Symptomen einher und werden von den meisten Betroffenen berichtet. Sowohl private als auch berufliche Anforderungen können nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden, und Phasen der Ruhe müssen länger sein als zuvor bekannt.

Eine besondere Form von Erschöpfung ist das führende Symptom des sogenannten chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS). Das, worüber hier gesprochen wird, bestimmt den Alltag von Menschen mit Post-Covid in außergewöhnlich hohem Maße. Es handelt sich um eine Müdigkeit, die sich weder durch Schlaf noch durch Ruhe beheben lässt, sowie um eine Erschöpfung, die bereits bei kleinen alltäglichen Aufgaben auftritt. Betroffene erleben häufig eine deutliche Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit – sowohl im privaten als auch im beruflichen Alltag. Dies wird als massiver Leistungseinbruch empfunden. Selbst geringfügige Überanstrengungen können sich in Form von tagelanger extremer Mattigkeit rächen – die wissenschaftliche Bezeichnung dafür ist postexertionelle Malaise (PEM), auch Crash genannt, also ein Zusammenbruch des Allgemeinbefindens nach vorangegangenen körperlichen, mentalen oder sozialen Aktivitäten. Hinter der Diagnose chronisches Fatigue-Syndrom ME/CPS verbirgt sich ein komplexes schweres Krankheitsbild, das bei über der Hälfte aller Post-Covid-Patient:innen anzutreffen ist. Eine ausführliche und fundierte Darstellung des chronischen Fatigue-Syndroms, veröffentlicht von Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen et al., Dt. Ärzteblatt Jg.120, Heft 20 19.5.2023. Prof. Scheibenbogen ist Leiterin der Ambulanz für ME/Chronic Fatigue Syndrom an der Charité Berlin und Mitinitiatorin des Post Covid Netzwerks ME/CFS.

Es handelt sich um eine schon seit vielen Jahren als Folge anderer Virusinfektionen bekannte schwere Erkrankung. Z. B. nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, welches das bekannte Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononucleosis infectiosa) hervorruft. Es gehört zur Gruppe der Herpes-Viren. Lange Zeit wurde sie häufig als psychisches Phänomen missinterpretiert, wenn nicht sogar als »eingebildete Krankheit« verkannt. Mittlerweile ist ME/CFS als eine eigenständige schwere Krankheit anerkannt; gerade die Häufung ihres Auftretens nach Covid-Infektionen trägt aktuell dazu bei, dass sie endlich intensiver erforscht wird.

Heute weiß man, dass hinter dieser Erkrankung deutliche Veränderungen auf Zellebene stecken: Manche Viruserkrankungen können das Immunsystem überstimulieren, sodass es nicht mehr zur Ruhe kommt, wie es normalerweise nach viralen Infekten wie Erkältungen oder einer Grippe der Fall ist. Im Rahmen einer Covid-Erkrankung entstandene Antikörper, also Antikörper gegen das Virus, können das Immunsystem veranlassen, sogenannte Auto-Antikörper zu bilden, also solche, die eigene Körperstrukturen angreifen und so zu Fehlfunktionen führen. Solche Antikörper lassen sich bei einem großen Teil der Patient:innen nachweisen, die von Post-Covid betroffen sind.

Über starke Konzentrationsstörungen, ein dumpfes wattiges Kopfgefühl („brain fog“) und Gedächtnisstörungen klagt etwa ein Drittel aller von Post-Covid betroffenen Menschen. Solche Störungen können zu starken Einschränkungen im beruflichen und im privaten Umfeld führen. Schnell wird „alles zu viel“: Gespräche, Geräusche, visuelle Eindrücke und emotionale Situationen. Schlafstörungen, hauptsächlich bei jungen Patient:innen sind bei ca. 30 Prozent der Post-Covid-Patient:innen zu beobachten. Die Folgen davon sind Leistungseinschränkungen und Aufmerksamkeitsstörungen. Schmerzen, viele davon Kopfschmerzen, die auf die üblichen Medikamente nicht oder nur schlecht reagieren und weitere Schmerzen an Muskeln und Gelenken machen ebenfalls etwa ein Drittel der Symptome aller Post-Covid-Patient:innen aus. Auch das Herz-Kreislaufsystem ist betroffen, fast immer ohne nachweisbaren körperlichen Befund: Vor allem Frauen kennen das sogenannte PODS (postural disregulation syndrom): Bei Positionsveränderungen, etwa vom Sitzen zum Stehen oder Liegen kommt es zu Herzrasen und Schwindel – eine Anpassungsstörung des autonomen Nervensystems. Ein besonderes Phänomen der Post-Covid-Erkrankung sind Atemnot und andere Atemstörungen wie Hyperventilation bei Belastungen – auch sie treten bei etwa einem Drittel der Post-Covid-Betroffenen auf. Bei weitem nicht in allen Fällen lässt sich eine Störung der Lungenfunktion nachweisen – die Messwerte von Lungenkapazität oder -volumen können vollkommen normal ausfallen. Sind aber Atemstörungen ein Teil ihres Beschwerdebildes, beeinträchtigen sie die Menschen sehr. Treppensteigen wird zur Last, Joggen geht nicht mehr, der bisher betriebene Sport fällt aus. Es wird vermutet, dass diese Störungen ihren Ursprung in einer ineffizient arbeitenden Atemmuskulatur haben.

Dass das Leiden unter all diesen Symptomen und den damit verbundenen Lebenseinschränkungen sich in der Psyche der Betroffenen niederschlägt, liegt auf der Hand. Angststörungen und Depressionen lassen sich regelmäßig als Teil des Post-Covid-Syndroms beobachten. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass sie nur dann auftreten, wenn schon vor der Corona-Erkrankung solche Beschwerden oder Dispositionen vorhanden waren. Wie dem auch sei: Die Lebensbeschränkungen durch eine Post-Covid-Erkrankung fordern den Menschen ein hohes Maß an psychischer Widerstandskraft ab. Dies umso mehr, als sie mit ihren Beschwerden auch heute noch nicht überall in der medizinischen Versorgungswelt auf offenen Ohren und Empathie stoßen. Immer wieder treffen Post-Covid-Betroffene auf Ärztinnen und Ärzte, die sie aus Unkenntnis des Krankheitsbildes in ihrem Leiden nicht ernst nehmen und die Beschwerden kleinreden – eine Erfahrung, die viele Betroffene noch weiter an ihrer Erkrankung verzweifeln lässt. Die gute Nachricht dazu: An fast allen großen Kliniken sind mittlerweile Post-Covid-Zentren entstanden, die Existenz dieser Erkrankung ist somit für alle Öffentlichkeit seriös belegt, die Forschung wird vorangetrieben.

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1 https://pcn.charite.de – dort finden sich gut verständliche Informationen über das Post-Covid-Syndrom

Wie kommt es zu einer Post-Covid-Erkrankung?

Wie weiter oben schon angedeutet, fordert jede Infektion – und so auch die Infektion mit SARS-CoV-2 und all seinen Varianten – das menschliche Immunsystem heraus, sich mit dem Eindringling auseinanderzusetzen. Bei Infektionen mit einfachen Viren wie solchen, die einen Schnupfen oder eine leichte Erkältung verursachen, hat das Immunsystem schnell die Oberhand. Auch bei einer echten Grippe besiegt es in den meisten Fällen das Virus, ohne selbst Schaden zu nehmen.

Bei einer Corona-Infektion scheint das anders zu sein: Offenbar führt die Konfrontation mit dem Virus zu einer nachhaltigen Störung im Immunsystem selbst, die auch als Umstimmung des Immunsystems bezeichnet wird. Es ist diese Veränderung im körpereigenen Abwehrsystem, die bei der Entstehung von Post-Covid eine bedeutende Rolle zu spielen scheint, auch wenn das verursachende Virus den Körper schon wieder verlassen hat und die Patient:innen Covid-negativ geworden sind.

Das Covid-Virus führt zu einer Umstimmung des Immunsystems.

Allerdings spielen mit großer Wahrscheinlichkeit noch andere Mechanismen beim Entstehen einer Post-Covid-Erkrankung eine Rolle. So lassen sich zum Beispiel noch nach langer Zeit bei vielen Patient:innen Bruchstücke von SARS-CoV-2-Viren nachweisen, als Reste der zuvor aktiven Viren. In der Forschergemeinde wird deshalb auch diskutiert, ob diese Reste eine allgemeine Entzündungsreaktion im Körper aufrechterhalten, die dann zu den Symptomen von Post-Covid führt.

Weiterhin wird ein weiteres Phänomen unter den Wissenschaftler:innen erörtert: Es lässt sich beobachten, dass die Körpergewebe bei Post-Covid-Patient:innen im Vergleich zu gesunden Menschen eine deutlich geringere Kapazität aufweisen, den ihnen zugeführten Sauerstoff zu verwerten. Diese mangelhafte Sauerstoffaufnahmefähigkeit, insbesondere der Muskulatur, könnte hinter der allgemeinen Belastungsstörung, den Muskelschmerzen und dem Leistungsknick stecken, von dem fast alle Betroffenen berichten. Auch hinter den neurologischen Beschwerden – häufig Schmerzen – kann eine Schädigung von Nervengewebe stehen, deren Hintergrund mit einer verringerten Durchblutung zu tun hat. Ebenso wird hier aber auch das oben erwähnte Entzündungsgeschehen diskutiert.

Die mangelhafte Sauerstoffverwertung spielt vermutlich auch eine Rolle bei Atemstörungen, bei denen keine krankhaften Befunde der Lungen nachzuweisen sind. Die Atemmuskulatur verrichtet ihre Arbeit nicht mehr als 100 Prozent, wie es bei einem gesunden Menschen der Fall ist. Die Atmung wird flach und unvollständig, und es bleibt immer ein vergrößertes Restvolumen nach jeder Ausatmung zurück, das die folgende vollständige Einatmung behindert und zu Atemnot führt. Eine durch das Virus verursachte mangelhafte Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Körpergewebes könnte für einige Beschwerden verantwortlich sein.

An dieser Stelle muss immer wieder betont werden: Alle Forschenden sind sich einig, dass noch längst nicht alle Faktoren, die zur Post-Covid-Erkrankung führen, bekannt sind. Und dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ein einzelner Mechanismus ist, der zum Krankheitsbild führt, sondern verschiedene Faktoren zusammenspielen. Gleichzeitig besteht aber auch die Hoffnung, dass ein schnellerer Wissenszuwachs zu erwarten ist als in üblichen Forschungsprozessen, da während der Pandemie wissenschaftliche Ergebnisse zu Post-Covid auf kurzem Wege kommuniziert und diskutiert wurden. Diese Ergebnisse sind wichtig, denn nur aus ihnen lassen sich Antworten auf die folgende Frage ableiten, die für die Betroffenen allein zählen und auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird.

Welche Therapien gibt es für Post-Covid?

Diese Antworten helfen, sinnvolle und nachweisbar wirksame Therapien von haltlosen und unwirksamen Behandlungen zu trennen und bringen die Behandelnden immer wieder auf den neuesten Stand des Wissens.

Was das Thema Post-Covid betrifft, so hat man sich vonseiten der Gesundheitspolitik erst spät des Themas „Richtlinie“ angenommen. Da bisher jedoch noch keine echte Therapie-Richtlinie entwickelt werden konnte, wird bis zum 31.12.2023 eine Richtlinie für eine „berufsübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung …“ angestrebt. Ärzte-Zeitung (Springer Medizin) vom 15.2.2023 sowie 23.8.2023

Medikamentöse Therapien

Die Suche nach einem Medikament, das die vielen unterschiedlichen Symptome lindern soll, ist seit geraumer Zeit in vollem Gange – bisher jedoch leider mit recht unbefriedigenden Ergebnissen. Große Hoffnungen werden derzeit auf die Erforschung eines Mittels mit vorläufigem Namen BC 007 gesetzt. Mit dieser Forschung wird der Ansatz verfolgt, die Autoimmun-Antikörper zu blockieren.1 Was die Diskussion um andere Medikamente oder auch um das große Feld der Nahrungsergänzungsmittel betrifft, findet sich hier das gleiche Phänomen wie bei anderen schwer beeinflussbaren Erkrankungen. Wenn die Not groß ist, entsteht schnell ein Markt für angeblich erfolgreiche Therapien. Gesichert – das lässt sich 2023 sagen – ist bisher kein solches gesundungversprechendes Angebot gefunden. 2

Symptomatische Therapien

Das therapeutische Interesse richtet sich somit derzeit auf die Behandlung einzelner Symptome. Hierfür stehen schon lange vorhandene und nachweislich wirksame Methoden wie Schmerzmittel, aber auch physiotherapeutische und psychotherapeutische Interventionen zur Verfügung. Immer mehr Rehabilitationskliniken haben sich auf die Behandlung von Post-Covid-Patient:innen spezialisiert. Die dort gemachten Beobachtungen und Erfahrungen haben einen Ausblick eröffnet auf eine Möglichkeit, die sich in der gesamten medizinischen Welt erst langsam ihren Platz erobert: das Selbstmanagement.

Selbstmanagement

Als derzeit effizienteste Maßnahme im Bereich der Post-Covid-Erkrankung wird den Betroffenen eine gute individuelle Selbstfürsorge nahegelegt. Sie umfasst die Aufforderung zu einer genauen Selbstbeobachtung, einschließlich einer Dokumentation der individuellen Symptome und ihrer Modalitäten in Form einer Art Tagebuch. Verbunden damit ist die Absicht, über diesen Weg einen reflektierten Umgang mit der Erkrankung abzuleiten.
Erfahrungen mit Anweisungen, wie regelmäßig körperlich zu trainieren, ohne sich zu überfordern, werden so für die Betroffenen verständlicher und auf sinnvolle Weise anwendbar. Das Stichwort bezüglich der Empfehlung zu körperlicher Bewegung lautet hier pacing, das meint ein immer wieder auf seine Grenzen hin streng kontrolliertes Training oder eine körperliche Belastung.
Wichtige Hinweise werden vermittelt, wie jede Form von Überforderung zu vermeiden, um schwere Rückfälle, die sogenannten Crashs zu vermeiden. Der medizinische Begriff für einen solchen crash ist „Postexertionelle malaise“ PEM.

Des Weiteren wird den Patient:innen nahegelegt, für eine gute Schlafhygiene zu sorgen, also für Bedingungen, die einen erfrischenden Schlaf fördern. 3

Es ist gerade dieses besondere Feld der Selbstfürsorge, in dem auch der Yoga eine große Rolle spielen kann. 4

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1 Eine große Anzahl von Studien zu Immununterdrückung und Entzündungshemmung ist mittlerweile angelaufen; etwa 60 Medikamente werden in diesem Zusammenhang in Post-Covid-Studien erprobt. Die Forscher:innen beklagen jedoch noch immer mangelnde finanzielle Unterstützung für diese notwendigen Untersuchungsreihen. Die Pharmaindustrie steigt in der Regel erst dann mit Geld in diesen Bereich ein, wenn die Grundlagenforschung sichere Ergebnisse geliefert hat. Eine große Studie, mit der ein Berliner Biotechnologieunternehmen gemeinsam mit den Studienzentren von europaweit zwölf Kliniken die Wirksamkeit von BC 007 erproben möchte, ist aktuell in Gang.

2 Wesentlich dreht es sich bei allen Forschungen, die derzeit unternommen werden, darum, Mittel gegen die Antikörper zu finden, die das Virus im Blut der Post Covid-Erkrankten zurückgelassen hat. In diesem Zusammenhang wurde schon früh ein Verfahren in der Öffentlichkeit diskutiert, welches die Antikörper gleichsam auswaschen soll – die sogenannte Immunabsorption. Allerdings ist dies – so die Expertin Prof. Scheibenbogen – kein Verfahren, das bei vielen Patient:innen angewendet werden kann, denn es ist sehr aufwendig und für die Betroffenen extrem belastend. Das Gleiche lässt sich für ein weiteres Verfahren sagen, das über eine bestimmte Zeit größere Aufmerksamkeit auf sich zog, die Lipid-Apherese.

3 Sehr gute Hinweise darauf, was sinnvoll sein kann und was nicht, finden sich hierzu auf der Post Covid Network (PCN) – Website der Charité Berlin: https://pcn.charite.de/informationen_fuer_patientinnen_und_patienten/

4 Erst kürzlich wieder wurde in einer neueren Metastudie neben dem Nachweis der Wirksamkeit von Yoga beim restless-leg -Syndrom auch belastbare Belege dafür gefunden, dass Yoga Depressionen auch das chronische Fatigue-Syndrom positiv beeinflusst. Diese Wirkung ist schon seit längerer Zeit bekannt; der Einsatz von Yoga wird auch vom CFS-Zentrum der Charité Berlin empfohlen. https://www.iqwig.de/download/ht21-04_nicht-medikamentoese-verfahren-bei-restless-legs-syndrom_hta-bericht_v1-0.pdf

Was ist Long Covid und was Post Covid?

Schon während sich die Pandemie in rasanter Weise ausbreitete, zeigte sich mehr und mehr ein Phänomen, auf das im Umgang mit der Pandemie niemand vorbereitet war: Trotz überstandener Infektion und Virenfreiheit gestaltete sich die Erholung der Erkrankten schleppend oder blieb ganz aus. Unter dem Eindruck einer wachsenden Zahl solcher Verläufe der Infektion wurde 2021 von der WHO der Begriff Post Covid geprägt.

Er galt für alle Infektionsverläufe, in denen Krankheitszeichen und Beschwerden auch noch vier Wochen nach einer Infektion anhielten oder neu auftraten. Der weitere Verlauf der Pandemie verlangte bald nach einer Ergänzung der Definition.

Die WHO definiert das Post-Covid-Syndrom als das Fortbestehen oder Auftreten neuer Symptome drei Monate nach der Erkrankung, die mindestens zwei Monate andauern. Diese Symptome waren vor der Infektion nicht vorhanden und lassen sich nur durch Covid erklären.

Mittlerweile wird der Begriff Long Covid immer mehr für die Langfolgen einer Covid-Infektion verwendet.1

Für die Arbeit mit Yoga ist eine Unterscheidung der beiden Begriffe irrelevant. Auf diesem Hintergrund wird im Weiteren dieser Darstellung nur noch von Post-Covid gesprochen. Man geht heute davon aus, dass etwa jeder zehnte Mensch, der eine Covid-Infektion erlitten hat, mit dem Phänomen Post-Covid zu kämpfen hat.

„In Europa leben nach aktuellen Aussagen der WHO etwa 36 Millionen Menschen mit Long Covid, von denen die meisten in ihrem Alltag eingeschränkt sind und von denen viele kein normales Leben mehr führen können.“
Prof. Carmen Scheibenbogen, Gründerin und Leiterin des Charité-Chronic-Fatigue-Zentrums, Berlin, Expertin für Post Covid-Erkrankungen

Weltweit leiden einer Studie zufolge etwa 65 Millionen Menschen an Post-Covid, 36 Millionen davon laut WHO in 53 Ländern Europas. Patient:innen, die schwere akute Verläufe hatten, haben häufiger mit den Langzeitfolgen zu kämpfen; jedoch trifft es auch sehr viele Menschen mit milden Krankheitsverläufen.

„Leider zeigen unsere Daten, dass Post-Covid-Betroffene mit schwerer Fatigue auch mehr als eineinhalb Jahre nach ihrer Infektion noch immer krank sind.“
Dr. Judith Bellmann-Strobl, Oberärztin der Hochschulambulanz für Neuroimmunologie des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), Berlin

Im Verlauf der zwei Pandemiejahre entwickelte sich rasch eine intensive Forschung zu diesem Krankheitsbild, die bis heute anhält. Eine große Anzahl von Studien und Metastudien tauchte schon recht früh in der wissenschaftlichen medizinischen Forschung auf, das Wissen über diese Krankheit nahm schnell zu. Dabei zeigte sich, dass das Krankheitsbild von Post-Covid zu einem der umfangreichsten und „buntesten“ gehört, welches wir aktuell kennen. Für das Erkennen der so unterschiedlichen Symptome erwies es sich als sehr hilfreich, dass die Erkrankung pandemisch stattfand, also überall auf der Welt. Ebenso wie die rasche Verbreitung der SARS-Corona-Infektion dazu führte, dass durch intensive globale Forschung in erstaunlich kurzer Zeit Impfstoffe entwickelt wurden, die vor Infektionen schützten und schwere Krankheitsverläufe verhinderten, begannen weltweit Forscherinnen und Forscher frühzeitig, das Phänomen Post-Covid zu untersuchen. Dabei standen sie in einem regen Austausch miteinander. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt und es kann gesagt werden, dass die Forschungen zu Post-Covid international so gut vernetzt sind wie wenige andere. Gleichwohl ist aus heutiger Sicht der Stand der Ursachenforschung, der für die Entwicklung wirksamer Therapien erforderlich ist, noch sehr unbefriedigend. Man ist noch weit entfernt davon, die krankheitsverursachenden Mechanismen dieser schweren Erkrankung sicher benennen zu können.

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1 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/long-covid-2134624

Woran leiden Menschen mit Post Covid?

Auf den Websites vieler Krankenkassen und Kliniken in Deutschland lässt sich mittlerweile verständlich nachlesen, welche Symptome bei einer Post-Covid-Erkrankung auftreten können. 1

Das Bild, das sich daraus ergibt, ist sehr vielfältig und anders als bei anderen bekannten Erkrankungen, wie Migräne, Bluthochdruck oder Diabetes Mellitus, nicht eng definierbar. An dieser Stelle sollen nur die häufigsten Beschwerden genannt werden; sie zu kennen ist für Yogaunterrichtende relevant, denn viele von Post-Covid betroffene Menschen kommen damit in den Unterricht.

Im Vordergrund stehen eine übermäßige Erschöpfung und reduzierte Belastbarkeit. Diese Beschwerden gehen in der Regel mit weiteren Symptomen einher und werden von den meisten Betroffenen berichtet. Sowohl private als auch berufliche Anforderungen können nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden, und Phasen der Ruhe müssen länger sein als zuvor bekannt.

Eine besondere Form von Erschöpfung ist das führende Symptom des sogenannten chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS). Das, worüber hier gesprochen wird, bestimmt den Alltag von Menschen mit Post-Covid in außergewöhnlich hohem Maße. Es handelt sich um eine Müdigkeit, die sich weder durch Schlaf noch durch Ruhe beheben lässt, sowie um eine Erschöpfung, die bereits bei kleinen alltäglichen Aufgaben auftritt. Betroffene erleben häufig eine deutliche Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit – sowohl im privaten als auch im beruflichen Alltag. Dies wird als massiver Leistungseinbruch empfunden. Selbst geringfügige Überanstrengungen können sich in Form von tagelanger extremer Mattigkeit rächen – die wissenschaftliche Bezeichnung dafür ist postexertionelle Malaise (PEM), auch Crash genannt, also ein Zusammenbruch des Allgemeinbefindens nach vorangegangenen körperlichen, mentalen oder sozialen Aktivitäten. Hinter der Diagnose chronisches Fatigue-Syndrom ME/CPS verbirgt sich ein komplexes schweres Krankheitsbild, das bei über der Hälfte aller Post-Covid-Patient:innen anzutreffen ist. Eine ausführliche und fundierte Darstellung des chronischen Fatigue-Syndroms, veröffentlicht von Prof. Dr. med. Carmen Scheibenbogen et al., Dt. Ärzteblatt Jg.120, Heft 20 19.5.2023. Prof. Scheibenbogen ist Leiterin der Ambulanz für ME/Chronic Fatigue Syndrom an der Charité Berlin und Mitinitiatorin des Post Covid Netzwerks ME/CFS.

Es handelt sich um eine schon seit vielen Jahren als Folge anderer Virusinfektionen bekannte schwere Erkrankung. Z. B. nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus, welches das bekannte Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononucleosis infectiosa) hervorruft. Es gehört zur Gruppe der Herpes-Viren. Lange Zeit wurde sie häufig als psychisches Phänomen missinterpretiert, wenn nicht sogar als »eingebildete Krankheit« verkannt. Mittlerweile ist ME/CFS als eine eigenständige schwere Krankheit anerkannt; gerade die Häufung ihres Auftretens nach Covid-Infektionen trägt aktuell dazu bei, dass sie endlich intensiver erforscht wird.

Heute weiß man, dass hinter dieser Erkrankung deutliche Veränderungen auf Zellebene stecken: Manche Viruserkrankungen können das Immunsystem überstimulieren, sodass es nicht mehr zur Ruhe kommt, wie es normalerweise nach viralen Infekten wie Erkältungen oder einer Grippe der Fall ist. Im Rahmen einer Covid-Erkrankung entstandene Antikörper, also Antikörper gegen das Virus, können das Immunsystem veranlassen, sogenannte Auto-Antikörper zu bilden, also solche, die eigene Körperstrukturen angreifen und so zu Fehlfunktionen führen. Solche Antikörper lassen sich bei einem großen Teil der Patient:innen nachweisen, die von Post-Covid betroffen sind.

Über starke Konzentrationsstörungen, ein dumpfes wattiges Kopfgefühl („brain fog“) und Gedächtnisstörungen klagt etwa ein Drittel aller von Post-Covid betroffenen Menschen. Solche Störungen können zu starken Einschränkungen im beruflichen und im privaten Umfeld führen. Schnell wird „alles zu viel“: Gespräche, Geräusche, visuelle Eindrücke und emotionale Situationen. Schlafstörungen, hauptsächlich bei jungen Patient:innen sind bei ca. 30 Prozent der Post-Covid-Patient:innen zu beobachten. Die Folgen davon sind Leistungseinschränkungen und Aufmerksamkeitsstörungen. Schmerzen, viele davon Kopfschmerzen, die auf die üblichen Medikamente nicht oder nur schlecht reagieren und weitere Schmerzen an Muskeln und Gelenken machen ebenfalls etwa ein Drittel der Symptome aller Post-Covid-Patient:innen aus. Auch das Herz-Kreislaufsystem ist betroffen, fast immer ohne nachweisbaren körperlichen Befund: Vor allem Frauen kennen das sogenannte PODS (postural disregulation syndrom): Bei Positionsveränderungen, etwa vom Sitzen zum Stehen oder Liegen kommt es zu Herzrasen und Schwindel – eine Anpassungsstörung des autonomen Nervensystems. Ein besonderes Phänomen der Post-Covid-Erkrankung sind Atemnot und andere Atemstörungen wie Hyperventilation bei Belastungen – auch sie treten bei etwa einem Drittel der Post-Covid-Betroffenen auf. Bei weitem nicht in allen Fällen lässt sich eine Störung der Lungenfunktion nachweisen – die Messwerte von Lungenkapazität oder -volumen können vollkommen normal ausfallen. Sind aber Atemstörungen ein Teil ihres Beschwerdebildes, beeinträchtigen sie die Menschen sehr. Treppensteigen wird zur Last, Joggen geht nicht mehr, der bisher betriebene Sport fällt aus. Es wird vermutet, dass diese Störungen ihren Ursprung in einer ineffizient arbeitenden Atemmuskulatur haben.

Dass das Leiden unter all diesen Symptomen und den damit verbundenen Lebenseinschränkungen sich in der Psyche der Betroffenen niederschlägt, liegt auf der Hand. Angststörungen und Depressionen lassen sich regelmäßig als Teil des Post-Covid-Syndroms beobachten. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass sie nur dann auftreten, wenn schon vor der Corona-Erkrankung solche Beschwerden oder Dispositionen vorhanden waren. Wie dem auch sei: Die Lebensbeschränkungen durch eine Post-Covid-Erkrankung fordern den Menschen ein hohes Maß an psychischer Widerstandskraft ab. Dies umso mehr, als sie mit ihren Beschwerden auch heute noch nicht überall in der medizinischen Versorgungswelt auf offenen Ohren und Empathie stoßen. Immer wieder treffen Post-Covid-Betroffene auf Ärztinnen und Ärzte, die sie aus Unkenntnis des Krankheitsbildes in ihrem Leiden nicht ernst nehmen und die Beschwerden kleinreden – eine Erfahrung, die viele Betroffene noch weiter an ihrer Erkrankung verzweifeln lässt. Die gute Nachricht dazu: An fast allen großen Kliniken sind mittlerweile Post-Covid-Zentren entstanden, die Existenz dieser Erkrankung ist somit für alle Öffentlichkeit seriös belegt, die Forschung wird vorangetrieben.

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1 https://pcn.charite.de – dort finden sich gut verständliche Informationen über das Post-Covid-Syndrom

Wie kommt es zu einer Post-Covid-Erkrankung?

Wie weiter oben schon angedeutet, fordert jede Infektion – und so auch die Infektion mit SARS-CoV-2 und all seinen Varianten – das menschliche Immunsystem heraus, sich mit dem Eindringling auseinanderzusetzen. Bei Infektionen mit einfachen Viren wie solchen, die einen Schnupfen oder eine leichte Erkältung verursachen, hat das Immunsystem schnell die Oberhand. Auch bei einer echten Grippe besiegt es in den meisten Fällen das Virus, ohne selbst Schaden zu nehmen.

Bei einer Corona-Infektion scheint das anders zu sein: Offenbar führt die Konfrontation mit dem Virus zu einer nachhaltigen Störung im Immunsystem selbst, die auch als Umstimmung des Immunsystems bezeichnet wird. Es ist diese Veränderung im körpereigenen Abwehrsystem, die bei der Entstehung von Post-Covid eine bedeutende Rolle zu spielen scheint, auch wenn das verursachende Virus den Körper schon wieder verlassen hat und die Patient:innen Covid-negativ geworden sind.

Das Covid-Virus führt zu einer Umstimmung des Immunsystems.

Allerdings spielen mit großer Wahrscheinlichkeit noch andere Mechanismen beim Entstehen einer Post-Covid-Erkrankung eine Rolle. So lassen sich zum Beispiel noch nach langer Zeit bei vielen Patient:innen Bruchstücke von SARS-CoV-2-Viren nachweisen, als Reste der zuvor aktiven Viren. In der Forschergemeinde wird deshalb auch diskutiert, ob diese Reste eine allgemeine Entzündungsreaktion im Körper aufrechterhalten, die dann zu den Symptomen von Post-Covid führt.

Weiterhin wird ein weiteres Phänomen unter den Wissenschaftler:innen erörtert: Es lässt sich beobachten, dass die Körpergewebe bei Post-Covid-Patient:innen im Vergleich zu gesunden Menschen eine deutlich geringere Kapazität aufweisen, den ihnen zugeführten Sauerstoff zu verwerten. Diese mangelhafte Sauerstoffaufnahmefähigkeit, insbesondere der Muskulatur, könnte hinter der allgemeinen Belastungsstörung, den Muskelschmerzen und dem Leistungsknick stecken, von dem fast alle Betroffenen berichten. Auch hinter den neurologischen Beschwerden – häufig Schmerzen – kann eine Schädigung von Nervengewebe stehen, deren Hintergrund mit einer verringerten Durchblutung zu tun hat. Ebenso wird hier aber auch das oben erwähnte Entzündungsgeschehen diskutiert.

Die mangelhafte Sauerstoffverwertung spielt vermutlich auch eine Rolle bei Atemstörungen, bei denen keine krankhaften Befunde der Lungen nachzuweisen sind. Die Atemmuskulatur verrichtet ihre Arbeit nicht mehr als 100 Prozent, wie es bei einem gesunden Menschen der Fall ist. Die Atmung wird flach und unvollständig, und es bleibt immer ein vergrößertes Restvolumen nach jeder Ausatmung zurück, das die folgende vollständige Einatmung behindert und zu Atemnot führt. Eine durch das Virus verursachte mangelhafte Sauerstoffaufnahmefähigkeit des Körpergewebes könnte für einige Beschwerden verantwortlich sein.

An dieser Stelle muss immer wieder betont werden: Alle Forschenden sind sich einig, dass noch längst nicht alle Faktoren, die zur Post-Covid-Erkrankung führen, bekannt sind. Und dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ein einzelner Mechanismus ist, der zum Krankheitsbild führt, sondern verschiedene Faktoren zusammenspielen. Gleichzeitig besteht aber auch die Hoffnung, dass ein schnellerer Wissenszuwachs zu erwarten ist als in üblichen Forschungsprozessen, da während der Pandemie wissenschaftliche Ergebnisse zu Post-Covid auf kurzem Wege kommuniziert und diskutiert wurden. Diese Ergebnisse sind wichtig, denn nur aus ihnen lassen sich Antworten auf die folgende Frage ableiten, die für die Betroffenen allein zählen und auf die im nächsten Abschnitt eingegangen wird.

Welche Therapien gibt es für Post-Covid?

Diese Antworten helfen, sinnvolle und nachweisbar wirksame Therapien von haltlosen und unwirksamen Behandlungen zu trennen und bringen die Behandelnden immer wieder auf den neuesten Stand des Wissens.

Was das Thema Post-Covid betrifft, so hat man sich vonseiten der Gesundheitspolitik erst spät des Themas „Richtlinie“ angenommen. Da bisher jedoch noch keine echte Therapie-Richtlinie entwickelt werden konnte, wird bis zum 31.12.2023 eine Richtlinie für eine „berufsübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung …“ angestrebt. Ärzte-Zeitung (Springer Medizin) vom 15.2.2023 sowie 23.8.2023

Medikamentöse Therapien

Die Suche nach einem Medikament, das die vielen unterschiedlichen Symptome lindern soll, ist seit geraumer Zeit in vollem Gange – bisher jedoch leider mit recht unbefriedigenden Ergebnissen. Große Hoffnungen werden derzeit auf die Erforschung eines Mittels mit vorläufigem Namen BC 007 gesetzt. Mit dieser Forschung wird der Ansatz verfolgt, die Autoimmun-Antikörper zu blockieren.1 Was die Diskussion um andere Medikamente oder auch um das große Feld der Nahrungsergänzungsmittel betrifft, findet sich hier das gleiche Phänomen wie bei anderen schwer beeinflussbaren Erkrankungen. Wenn die Not groß ist, entsteht schnell ein Markt für angeblich erfolgreiche Therapien. Gesichert – das lässt sich 2023 sagen – ist bisher kein solches gesundungversprechendes Angebot gefunden. 2

Symptomatische Therapien

Das therapeutische Interesse richtet sich somit derzeit auf die Behandlung einzelner Symptome. Hierfür stehen schon lange vorhandene und nachweislich wirksame Methoden wie Schmerzmittel, aber auch physiotherapeutische und psychotherapeutische Interventionen zur Verfügung. Immer mehr Rehabilitationskliniken haben sich auf die Behandlung von Post-Covid-Patient:innen spezialisiert. Die dort gemachten Beobachtungen und Erfahrungen haben einen Ausblick eröffnet auf eine Möglichkeit, die sich in der gesamten medizinischen Welt erst langsam ihren Platz erobert: das Selbstmanagement.

Selbstmanagement

Als derzeit effizienteste Maßnahme im Bereich der Post-Covid-Erkrankung wird den Betroffenen eine gute individuelle Selbstfürsorge nahegelegt. Sie umfasst die Aufforderung zu einer genauen Selbstbeobachtung, einschließlich einer Dokumentation der individuellen Symptome und ihrer Modalitäten in Form einer Art Tagebuch. Verbunden damit ist die Absicht, über diesen Weg einen reflektierten Umgang mit der Erkrankung abzuleiten.
Erfahrungen mit Anweisungen, wie regelmäßig körperlich zu trainieren, ohne sich zu überfordern, werden so für die Betroffenen verständlicher und auf sinnvolle Weise anwendbar. Das Stichwort bezüglich der Empfehlung zu körperlicher Bewegung lautet hier pacing, das meint ein immer wieder auf seine Grenzen hin streng kontrolliertes Training oder eine körperliche Belastung.
Wichtige Hinweise werden vermittelt, wie jede Form von Überforderung zu vermeiden, um schwere Rückfälle, die sogenannten Crashs zu vermeiden. Der medizinische Begriff für einen solchen crash ist „Postexertionelle malaise“ PEM.

Des Weiteren wird den Patient:innen nahegelegt, für eine gute Schlafhygiene zu sorgen, also für Bedingungen, die einen erfrischenden Schlaf fördern. 3

Es ist gerade dieses besondere Feld der Selbstfürsorge, in dem auch der Yoga eine große Rolle spielen kann. 4

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1 Eine große Anzahl von Studien zu Immununterdrückung und Entzündungshemmung ist mittlerweile angelaufen; etwa 60 Medikamente werden in diesem Zusammenhang in Post-Covid-Studien erprobt. Die Forscher:innen beklagen jedoch noch immer mangelnde finanzielle Unterstützung für diese notwendigen Untersuchungsreihen. Die Pharmaindustrie steigt in der Regel erst dann mit Geld in diesen Bereich ein, wenn die Grundlagenforschung sichere Ergebnisse geliefert hat. Eine große Studie, mit der ein Berliner Biotechnologieunternehmen gemeinsam mit den Studienzentren von europaweit zwölf Kliniken die Wirksamkeit von BC 007 erproben möchte, ist aktuell in Gang.

2 Wesentlich dreht es sich bei allen Forschungen, die derzeit unternommen werden, darum, Mittel gegen die Antikörper zu finden, die das Virus im Blut der Post Covid-Erkrankten zurückgelassen hat. In diesem Zusammenhang wurde schon früh ein Verfahren in der Öffentlichkeit diskutiert, welches die Antikörper gleichsam auswaschen soll – die sogenannte Immunabsorption. Allerdings ist dies – so die Expertin Prof. Scheibenbogen – kein Verfahren, das bei vielen Patient:innen angewendet werden kann, denn es ist sehr aufwendig und für die Betroffenen extrem belastend. Das Gleiche lässt sich für ein weiteres Verfahren sagen, das über eine bestimmte Zeit größere Aufmerksamkeit auf sich zog, die Lipid-Apherese.

3 Sehr gute Hinweise darauf, was sinnvoll sein kann und was nicht, finden sich hierzu auf der Post Covid Network (PCN) – Website der Charité Berlin: https://pcn.charite.de/informationen_fuer_patientinnen_und_patienten/

4 Erst kürzlich wieder wurde in einer neueren Metastudie neben dem Nachweis der Wirksamkeit von Yoga beim restless-leg -Syndrom auch belastbare Belege dafür gefunden, dass Yoga Depressionen auch das chronische Fatigue-Syndrom positiv beeinflusst. Diese Wirkung ist schon seit längerer Zeit bekannt; der Einsatz von Yoga wird auch vom CFS-Zentrum der Charité Berlin empfohlen. https://www.iqwig.de/download/ht21-04_nicht-medikamentoese-verfahren-bei-restless-legs-syndrom_hta-bericht_v1-0.pdf

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