Meditation heute – Travelling Yoga

Wer reist, verändert sich! Das geht Menschen so, aber auch Übungswege, Techniken und Gewissheiten wandeln sich; sie übernehmen Werte und Strukturen der Denkweisen und Kulturen, in die sie hinein geraten sind. So hat auch der Yoga auf seinem Weg von Ost nach West bedeutende Veränderungen erfahren. Diesem Bedeutungswandel kann sich auch die Meditation nicht entziehen.

Was Meditation ist, davon handelt der folgende Artikel. Fortgesetzt wird diese Diskussion in weiteren Beiträgen: Welches Potenzial hat Meditation für den Wunsch, sich selbst besser zu verstehen und sich zu verändern? Wie kann sie helfen, Sinn und inneren Halt zu geben? Und die Frage: Inwieweit das Yoga Sūtra Übende im Bedeutungswandel von Meditation begleiten und leiten kann und wo dabei seine Grenzen liegen.

Meditation heute – Travelling Yoga

Wer reist, verändert sich! Das geht Menschen so, aber auch Übungswege, Techniken und Gewissheiten wandeln sich; sie übernehmen Werte und Strukturen der Denkweisen und Kulturen, in die sie hinein geraten sind. So hat auch der Yoga auf seinem Weg von Ost nach West bedeutende Veränderungen erfahren. Diesem Bedeutungswandel kann sich auch die Meditation nicht entziehen.

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Meditation heute – Travelling Yoga

Wer reist, verändert sich! Das geht Menschen so, aber auch Übungswege, Techniken und Gewissheiten wandeln sich; sie übernehmen Werte und Strukturen der Denkweisen und Kulturen, in die sie hinein geraten sind. So hat auch der Yoga auf seinem Weg von Ost nach West bedeutende Veränderungen erfahren. Diesem Bedeutungswandel kann sich auch die Meditation nicht entziehen.

Was Meditation ist, davon handelt der folgende Artikel. Fortgesetzt wird diese Diskussion in weiteren Beiträgen: Welches Potenzial hat Meditation für den Wunsch, sich selbst besser zu verstehen und sich zu verändern? Wie kann sie helfen, Sinn und inneren Halt zu geben? Und die Frage: Inwieweit das Yoga Sūtra Übende im Bedeutungswandel von Meditation begleiten und leiten kann und wo dabei seine Grenzen liegen.

Meditation: Übung – Erfahrung – Wirkung

Für das Verständnis von Meditation ist es hilfreich, drei verschiedene Aspekte zu unterscheiden, drei Blickwinkel einzunehmen.

  • Meditation lässt sich zunächst einmal verstehen als eine Übung.
  • Der zweite Blickwinkel auf Meditation bezieht sich auf das damit verbundene Erleben, die dabei erlebte oder erwünschte Erfahrung.
  • Und als Drittes lässt sich Meditation mit dem Blick auf ihre Wirkungen betrachten. Dabei ist mit der erwarteten Wirkung auch die Intention von Praktizierenden angesprochen.

Im Prozess der Meditation selbst hängen Übung, Erfahrung und Intention/Wirkung eng zusammen. Aber die Beschreibung einer bestimmten Meditationsübung sagt bisher nicht, was jemand dabei erlebt. Und was jemand in einer Meditation erlebt, ist nicht das Gleiche wie schließlich deren Wirkung. Im Gespräch über Meditation wird aber das eine nicht selten mit dem anderen verwechselt. Als Folge davon schleicht sich im praktischen Umgang mit Meditation oft ein unreflektierter Dogmatismus und eine weltanschauliche Enge ein.

Meditation als Übung

Die Formen, in denen Meditation verwirklicht werden kann, sind mannigfaltig:

  • Meditation kann im Lotussitz glücken
  • sie gelingt aber auch im Gehen
  • sie kann in der Stille erfolgen, aber auch im Rezitieren oder Singen
  • die Augen können geöffnet sein oder geschlossen
  • der Blick entspannt oder auf die Nasenspitze gerichtet
  • die Hände gefaltet, locker oder die Finger zu Figuren geformt …

Ebenso vielfältig sind mögliche Inhalte:

  • sei es der Atem, der Körper
  • eine Visualisierung
  • eine Silbe
  • ein Text
  • ein Wunsch
  • Konzepte
  • ein Gebet
  • Gott oder der Kosmos
  • oder eine Frage …

Diese Vielfalt von Meditationsformen findet sich auch in den unterschiedlichen Traditionen des Yoga wieder, die eine besondere Yoga-Meditation gibt es aber nicht. Sicher, ein stabiler Sitz und eine Vorbereitung durch ein Prāṇāyāma, in dem der Atem fein und gleichförmig geführt wird, werden zum Beispiel im Yoga Sūtra als wichtige Rahmenbedingungen einer erfolgversprechenden Meditation genannt. Aber was tatsächlich alle Meditationen charakterisiert und was gerade auch das Yoga Sūtra als das Wesen jeder Meditationspraxis beschreibt, lässt sich in eine schlichte Definition fassen: Meditation als Übung besteht in der Disziplinierung des Geistes. Einen guten Überblick über die vielfältigen Formen der „Disziplinierung der Geistes“ in den verschiedenen Meditationstraditionen gibt Joseph Walser, „Meditation“ in der Encyclopedia of Religious and Spiritual Development, 2006

Einer Disziplinierung des Geistes, die sich in einem besonderen Zustand unserer mentalen Aktivitäten ausdrückt:

  • Sie finden mehr Ruhe
  • Wir gewinnen die Freiheit zu entscheiden, wohin wir sie ausrichten

Meditation ist kein mentaler Stillstand, sondern vielmehr getragen von einer mentalen Aktivität – sogar einer sehr hohen, wie es Neurowissenschaftler anhand von Untersuchungen an erfahrenen Praktizierenden nachgewiesen haben.

Ein durch Meditationspraxis disziplinierter Geist ist keiner, der sich selbst überlassen bleibt.

Wer Meditation praktiziert, weiß nur allzu gut, wie schnell der Geist sich seiner Disziplinierung entziehen kann. Von einer Sekunde auf die andere folgt er dann wieder seiner eigenen, gewohnten Dynamik, sprunghaft, Gedankenkaskaden produzierend, tagträumend oder ruhelos. Zu Anfang ihrer Meditationspraxis mag die in der Meditation gesuchte innere Verfassung viel bewusste Anstrengung verlangen, später weniger, schließlich ist sie vielleicht gar nicht mehr spürbar. Es verhält sich mit der Meditation nicht anders als mit anderen Fähigkeiten, die das Mentale fordern, etwa dem Klavierspiel – es braucht Übung.

Meditation bleibt also immer charakterisiert durch die Fähigkeit, den Geist von seiner Tendenz abzuhalten, Gedankenkreise zu ziehen, hin- und herzuspringen und jeder Ablenkung nachzugeben. Eine Fähigkeit, die daraus erwächst, dass durch ein fortdauerndes Bemühen (abhyāsa) Siehe Yoga Sūtra / 1. Kapitel – Sūtra 12 – das ist der Charakter von Übung – ein stabiles, immer einfacher abrufbares mentales Muster erschaffen wird, ein neues positives samskāra Siehe Yoga Sūtra / 3. Kapitel – Sūtra 10 wie es im Yoga Sūtra genannt wird. Dieses Muster innerer mentaler Aktivität scheint am treffendsten beschrieben als Fähigkeit einer frei gewählten Ausrichtung, worin sich das Prozesshafte der Meditation deutlicher niederschlägt als in – sicher auch sinnvollen – Begriffen wie Achtsamkeit, Wachsamkeit oder Gegenwärtigkeit.

Diese Ausrichtung, in die der Geist in der Meditation gerät, unterscheidet sich grundsätzlich von der Konzentration, die entsteht, wenn etwas – ein treffendes Wort – fesselt, sei es von einem äußeren Stimulus oder einer Eigendynamik von Gedanken und Gefühlen. Man bleibt dabei, weil man in diese Aktivität hinein-gezogen, oft selbst dann, wenn es als quälend erlebt wird. Den Unterschied zwischen einem sich in Freiheit ausrichten und einem Gezogen werden können schon wenige Minuten Meditationserfahrung deutlich machen. Im konkreten Umgang mit Meditation lässt sich mit dieser Wissenslücke aber gut leben. Genau dabei hilft das Verständnis von Meditation als eine Technik zur Disziplinierung des Geistes. Diese Definition mag einfach erscheinen, ist aber von großem praktischem Wert:

Sie beschreibt mit dem Bemühen, den Geist zu disziplinieren, den Kern der Aufgabe, die sich einer/m Praktizierenden in jeder Meditation stellt. So wie für das Āsana-Üben die Qualität stabil und leicht (sthira sukha) Siehe Yoga Sūtra / 2. Kapitel – Sūtra 26 für das Üben von Prāṇāyāma die Qualität von ausgedehnt und fein (dīrgha sūkṣma) Siehe Yoga Sūtra / 2. Kapitel – Sūtra 50 für eine gelungene Praxis steht, ist es in der Meditation die Qualität des Ausgerichtet-Seins (ekāgratā). Siehe Yoga Sūtra / 3. Kapitel – Sūtra 1 und 12 Eine Qualität, auf deren Grundlage eine Meditationspraxis schließlich ihre Wirkungen entfalten kann. Gleichzeitig gibt sie Orientierung für die Entwicklung einer der jeweiligen Meditationsform angemessenen Pädagogik.

Sie ist von großer Offenheit und frei von dogmatischen Abgrenzungen und hierarchischen Bewertungen gegenüber den in unterschiedlicher Weise möglichen Inhalten und Techniken verschiedener Meditationsformen.

Nicht zuletzt hat dieses Verständnis den Vorzug, genau jener Vorstellung des Wesens von Meditation zu folgen, die in den ersten Versen des dritten Kapitels im Yoga Sūtra dargelegt wird. Danach beginnt der Meditationsprozess mit dem inneren Bemühen, den Geist an einen Ort zu binden (deśa bandhaḥ) und wird zur eigentlichen Übung Meditation (dhyānam), wenn es gelingt, diese Anbindung, diese Ausrichtung zu einem ununterbrochenen mentalen Fluss (pratyayaikatānata) Siehe Yoga Sūtra / 3. Kapitel – Sūtra 2 werden zu lassen.

Wenn Meditation also als Übung beschrieben wird, geht es darum, was in der Praxis von Meditation getan werden kann und gelassen werden muss und in welchen Zustand der Geist gebracht oder gehalten wird (oder er sich selbst hält), um Ausdruck einer zu einem, durch regelmäßiges Üben, gewordenen besonderen Eigendynamik, eines positiven Musters zu werden.

Meditation als Erfahrung und Erleben

Um einen anderen Blick geht es, wenn wir nach dem Erleben während einer Meditationspraxis fragen. Wie aus jeder anderen Übung oder Tätigkeit auch, erwächst aus jeder Meditationspraxis eine individuelle, komplexe und einmalige Erfahrung. Sicher, hinter allem Erleben in der Meditation steht die Grundstimmung eines ausgerichteten, nicht abgelenkten Geistes, erfahren als ein emotionaler Zustand innerer Ruhe.

Aber diese innere Ruhe kann unterschiedliche Färbungen annehmen, sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln und vertiefen. Sie kann als Entspannung einfach genossen, kann als eine Auszeit vom alltäglichen Ansturm vielfältiger Sinneseindrücke und rastloser Gedanken erlebt werden.

Meditationspraxis kann sich aber auch als Blick ins eigene Innere in unterschiedlichstem Erleben ausdrücken, sie kann einen Raum öffnen, in dem Konzepte, Bilder, Töne, Texte, Wörter auf besondere Weise erfahren und erspürt werden. Diese Ruhe kann so auch als ein Gesammeltsein in sich erlebt werden.

Dieses Gesammelt sein in sich kann auch, aber muss nicht, mehr als das Ich oder das eigene Leben zum Gegenstand haben, sondern gleichzeitig die Welt, das im Ganzen sein. Ernst Tugendhat, Anthropologie statt Metaphysik, 2007, S.179 f. Dann drückt es sich aus im Erleben einer besonderen Verbundenheit mit der Welt einerseits und einer Relativierung eigener Bedeutung, Ziele und Sorgen andererseits. Diese besondere Entwicklung kann auch als die Grundlage aller mystischen Erfahrungen verstanden werden.1

Die Vorstellung, eine intensive Meditationspraxis würde am Ende in einer immer gleichen Erleuchtung enden, ist ein Mythos.

Zu groß ist dafür die (auch in den Traditionen berichtete) Vielfalt möglichen Erlebens und zu individuell. Vor allem aber ist dieses Erleben immer geprägt vom Rahmen, in dem eine Meditation gelehrt und/oder praktiziert wird:

  • sei es der kulturelle und gesellschaftliche Rahmen
  • sei es ein strenger Rahmen, wie ihn religiöse Meditationswege setzen

Ein Blick in die traditionellen Lehrstrukturen von Meditation zeigt, wie viel pädagogischer Aufwand getrieben und wie eng die Bindung Lehrer (Guru) – Schüler gestaltet werden muss, um die Meditationserfahrungen der Mitglieder einer bestimmten Glaubensgemeinschaft zu vereinheitlichen, sie den Dogmen der jeweiligen Tradition konform zu machen und vor allem auch gegen die Deutungen von Meditationserfahrungen durch andere Traditionen abzugrenzen.

Traditionell war die Praxis von Meditation immer eingebettet in eine strenge Definition ihrer Ziele und der entsprechend erwünschten und damit auch erwarteten besonderen Erfahrungen. Die Vertreter der jeweiligen Traditionen, die Priester, Lehrer und Gurus deuteten bestimmte innere Stimmungen ganz selbstverständlich in einer Weise, die es ermöglichte, die Erfahrungen des Meditierenden innerhalb ihres vorgegebenen Welt- und Menschenverständnisses und ihrer Konzepte von Wirklichkeit zu erklären und einzubinden.

Die Erfahrung einer großen Geistesruhe wurde dann etwa gelesen als das Aufscheinen des Reinen Bewusstseins, einer Leere oder das Erleben einer besonderen Verbundenheit mit dem Ganzen als Erfahrung der All-Einheit oder als Erkenntnis der Identität von Atman und Brahman, jedenfalls immer entsprechend den vorgegebenen Konzepten und Erfordernissen der jeweiligen Tradition. Traditionell war die Praxis von Meditation immer eingebettet in eine strenge Definition ihrer Ziele und der entsprechend erwünschten und damit auch erwarteten besonderen Erfahrungen.

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1 Eine Sichtweise, die Ernst Tugendhat auf überzeugende Weise in seinem Festvortrag „Über Mystik“ anlässlich der Verleihung des Meister Eckhart – Preises 2005 dargelegt hat: PDF-Download

Wirkung und Intention von Meditation

Niemand meditiert, ohne damit eine Absicht zu verfolgen, sich eine Wirkung zu erhoffen. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, dass die mithilfe von Meditationspraxis jeweils erhoffte Wirkung sich dann auch einstellt. Und es gibt Wirkungen, die sich – sogar ohne erstrebt worden zu sein – hinter dem Rücken der Praktizierenden realisieren, etwa die Senkung eines zu hohen Blutdrucks oder ein unorthodoxer oder gar ketzerischer neuer Blick auf die Welt mit den entsprechenden Konflikten für die oder den Betroffenen.

Intention und Wirkung von Meditation sind nicht das Gleiche.

Über die mit einer Meditation verbundenen Intentionen lässt sich dabei viel einfacher Klarheit verschaffen als über deren Wirkung. Heute können wir Praktizierende direkt danach nach ihren Absichten fragen, für die Tradition geben uns die Texte und mündliche Überlieferung ein Bild davon, welche Vielfalt unterschiedlicher Wirkungen von einer jeweiligen Praxis erwartet wird und wurde.

Dabei unterscheidet sich das Interesse an Meditation heute und damals erheblich voneinander. Heutzutage beziehen sich die Erwartungen an Meditation vorrangig auf Wünsche;

  • nach Entlastung
  • nach Erhaltung oder Verbesserung der Gesundheit
  • nach mehr Wohlbefinden
  • nach einer Zeit des Bei-Sich-Seins
  • bisweilen auch als Hilfe, sich selbst besser zu verstehen
  • oder als Unterstützung auf einer ganz individuell unternommenen Suche nach Sinn und innerem Halt.

Sehr viel weniger eindeutig als die traditionell und heute vorherrschenden Benennungen der Erwartungen an Meditation es tun, lässt sich beantworten, wie berechtigt die unterschiedlichen von Meditationspraxis erwarteten Wirkungen tatsächlich sind.

  • Zuerst: Für alle traditionellen, religiös geprägten Wirkversprechen, die sich auf ein Offenbarungswissen beziehen, ist dies natürlich eine unsinnige Frage, weil sie sich ganz selbstverständlich und mit Recht einem ergebnisoffenen Dialog entziehen: Wer wollte außerhalb einer Glaubensgemeinschaft entscheiden, ob etwa die Befreiung von der Wiedergeburt oder die Einsicht in die Einheit von Atman und Brahman oder die Nähe zu Gott wirklich vollzogen, die letzte Wahrheit so tatsächlich gefunden ist?
  • Was die Wirkungen von Meditationspraxis auf das innere Wachstum eines Menschen, etwa seine Fähigkeit zu Empathie und Toleranz angeht, hat in den vergangenen Jahren eine breite Diskussion an Fahrt aufgenommen. Gegenwärtig gibt es dazu allerdings mehr offene Fragen als klare Antworten, und die Skepsis gegenüber der Vorstellung, dass Meditation aus einem Menschen zwangsläufig einen guten macht, ist groß.
  • Auf festerem Grund bewegen wir uns, was die Wirkungen von Meditation auf Gesundheit und Wohlbefinden angeht, die heute im Mittelpunkt des Interesses an Meditation stehen. Hier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine lebhafte Forschungstätigkeit entwickelt. Aber auch hier warten noch viele Thesen auf belastbare Prüfung. Dazu auch mehr im Artikel Meditation heute – Teil 2. Die gute Nachricht: Nach allem, was bisher über die positiven Wirkungen von Meditation auf Gesundheit, das allgemeine Wohlbefinden, Stressreduktion bekannt ist, kann davon ausgegangen werden, dass Meditation in diese Richtung tatsächlich wirkt.
    Und wie es scheint, geschieht dies recht unabhängig von ihrem Inhalt und ihrer Form. In ihrer Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden macht es wohl kaum einen Unterschied, wie die Meditation konkret gestaltet ist – Hauptsache ist, es wird meditiert. Und zwar in jenem Sinne, wie oben definiert: ein Bemühen und zeitweiliges Erreichen eines inneren Zustands von Ausrichtung, von beruhigtem Geist.

Von Tradition und Sich-Berühren-Lassen

Welche Rolle spielte Meditation in den Traditionen des Yoga? Bei der Suche nach Antworten hilft uns eine berühmte Geschichte aus dem alten Indien. Sie handelt von einem Jungen namens Naciketa, Sohn eines Brahmanen.

„Eines Tages treibt sein Vater Kühe zu einem Opferritual. Als der Sohn die Kühe sieht, erscheinen sie ihm so gebrechlich, ausgemolken und lendenlahm, dass er daran zweifelt, ob das Ritual angesichts einer solch minderwertigen Gabe überhaupt wirksam sei. Deshalb stellt er seinen Vater zur Rede, der aber von den Bedenken des Sohnes nichts hören will. Schließlich sieht Naciketa keinen anderen Weg zur Rettung des Rituals, als sich selbst zum Opfer darzubieten: Mein Vater, wem willst du mich geben? Weil er ihn mit dieser Frage immer wieder und wieder bedrängt, gerät sein Vater schließlich außer sich vor Zorn und antwortet: dem Tode!
Und so geschieht es: Naciketa findet sich im Totenreich wieder. Dort wartet er nun auf die Begegnung mit Yama, dem Gott des Todes. Weil es aber recht lange dauert, bis Yama den Jungen endlich empfängt (was selbst für den Gott des Todes einem Brahmanensohn gegenüber unschicklich ist), gewährt er ihm als Ausgleich für die Wartezeit drei Wünsche. Die ersten zwei sind schnell erfüllt, beim Dritten aber ziert sich Yama. Naciketa verlangt nämlich zu wissen, was denn nach dem Tod vom Menschen bleibt: Manche sagen, er würde weiter existieren, manche sagen, er existiert nicht mehr. Das möchte ich wissen, darüber möchte ich belehrt werden.“ Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 1. Abschnitt – Vers 20

Abb. 1 Bild: Shutterstock

Mit dieser Erzählung beginnt die über 2000 Jahre alte Kaṭha Upanishad, Teil der altindischen Textsammlung des Veda. Im weiteren Verlauf der Geschichte gibt Yama schließlich dem Drängen Naciketas nach und offenbart ihm sein Wissen: Menschen existieren nach dem Tod weiter, sie werden normalerweise wiedergeboren. Und: In jedem Menschen gibt es einen makellosen, unverwüstlichen Kern; wer ihn erkennt, wird erlöst und unsterblich (gemeint ist, vom Rad der Wiedergeburt). Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 6. Abschnitt – Vers 8

Gleichzeitig vermittelt Yama dem Jungen allerdings eine weitere Botschaft: Eröffnen wird sich ihm diese Wahrheit nur durch völlige Ruhe im Geist. Dieser Zustand gilt Yama als das höchste Ziel: Das ist Yoga, das standhafte Zurückhalten der Sinne. Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 6. Abschnitt – Verse 10/11 Um wirklich zu verstehen, darauf besteht er, braucht es Meditation, was für ihn Yoga heißt.

Noch eine dritte Botschaft betrachtet die Upanishad als essenziell für die Offenbarung dieses Wissens: Ohne Lehrer ist hier gar kein Zugang. Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 2. Abschnitt – Vers 8 Warum? Weil jemand vonnöten ist, der – wie eben Yama – die gesuchte Wahrheit schon kennt. Offensichtlich führt nur unter einer solchen Anleitung die verlangte Meditationspraxis zum Erfolg, allein so wird sich Naciketa diese Wahrheit offenbaren.

Allerdings hätte Naciketa auch andere Antworten auf seine Fragen bekommen können. Im Gegensatz zu ihm wissen wir heute, dass an anderen Orten und in anderen Kulturen der Welt (aber wahrscheinlich auch ganz in seiner Nähe) Menschen wie er in meditativer Versenkung nach Wissen, Einsicht und Wahrheit gesucht haben. Und dass sie zu ganz anderen Ergebnissen über die Frage kamen, was nach dem Tod bleibt und was das Wesen des Menschen ausmacht.

Bleibt Naciketa seinem Lehrer Yama treu, steht aber das Ergebnis seines eigenen Erkenntniswegs schon fest. Dass er seine Lehrzeit schließlich als überzeugter Buddhist, oder Jain, als Dualist als Anhänger der Lehren des Sāṃkhya oder Atheist als Anhänger der Chārvāka-Schule, die sich freiem Denken und kritischer Wahrheitssuche verpflichtet fühlten beenden würde, all das galt den Upaniṣaden-Lehrern als undenkbar.

Eine solche Enttäuschung mussten sie auch nicht befürchten. Denn seine Meditationspraxis wird Naciketa nicht als voraussetzungslos und im Ergebnis offen gelehrt. Ihr Ziel und Erfolg liegen darin, dass sich Naciketa im Laufe der Zeit genau die von Yama gelehrte und für die Upaniṣaden charakteristische Weltsicht zu eigen macht.

Joseph Walser, ein profunder Kenner östlicher Meditationstraditionen, beschreibt dies so: Wo in traditionellen Meditationsformen nach Wissen und Einsicht gesucht wird, geht es offensichtlich wesentlich darum, zu erkennen, was nach den Prinzipien der jeweiligen religiösen Lehre wahr ist. J. Walser, a. a. O. Wir können das auch als eine Art der Verinnerlichung eines bestimmten Welt- und Menschenbildes beschreiben. Das gilt gleichermaßen für all jene Meditationsformen, die einem in den Traditionen des Yoga begegnen. Tatsächlich verließ man sich in keiner Meditationstradition darauf, dass im Zustand der Meditation schließlich ganz allein aus sich selbst heraus und ohne klare Vorgaben die richtigen Einsichten aufscheinen würden. Vielmehr war das Unterrichten und Lernen von Meditation immer eingebettet in eine intensive und langjährige Vermittlung eines ganz besonderen Welt- und Menschenbildes.

Nicht nur Naciketa, sondern auch die Mönche in einem jainistischen, buddhistischen oder christlichen Kloster erwartete in ihrer Lehrzeit keine Wahrheitssuche, die auch für solche Erkenntnisse wirklich offen war, die der jeweiligen Tradition grundsätzlich (oft auch selbst nicht im Detail) widersprochen hätten.

Wir begegnen dort vielmehr der Tendenz, den jeweiligen eigenen Weg und die dort gewonnenen Erkenntnisse als absolute Wahrheit zu behaupten. Mit einer solchen nicht hinterfragbaren Bewertung von Einsichten, in welche traditionelle Meditationslehren stets eingebunden sind, hat man sich aber eine unnötige Beweislast aufgeladen, die Menschen außerhalb der jeweiligen Glaubensgemeinschaften einen authentischen Zugang verwehrt.

Heute können traditionelle Meditationslehren jedoch von ihrem absoluten Wahrheitsanspruch befreit und einer offenen Reflexion ihrer Inhalte, Voraussetzungen und Ziele zugänglich gemacht werden.

Gewonnen wird damit die Möglichkeit, den heute in der Meditationspraxis gestellten Fragen und Bedürfnissen auf eine angemessene und zukunftsfähige Weise zu begegnen. Es lässt sich dann erkennen, worin sich die Praxis von Meditation in den Traditionen auch unabhängig von den immer exklusiven Glaubenssystemen wirklich bewährt hat: Mithilfe einer Meditationspraxis kann ein Prozess der Verinnerlichung wirkungsvoll organisiert und strukturiert werden.

Verinnerlichung organisieren

Meditationspraxis kann so als vielfältig verwendbares Werkzeug dienen, emotional nachvollziehbar zu machen, was ein Mensch für sich als besonders bedeutsam empfindet. Eine solche Verinnerlichung kann aber nicht nur – wie es in den Traditionen ausschließlich der Fall war – einen vorgegebenen Glauben oder ein Offenbarungswissen zum Gegenstand haben.

Eine den ganzen Menschen ergreifende emotionale Verbundenheit kann mit jeder Überzeugung, jedem Gefühl, jeder Einsicht, jeder Vision, jeder Spekulation gelingen. Durch die Einbindung in eine meditative Praxis lässt sich offensichtlich etwas dafür Gewähltes so wandeln, dass es einen Menschen – anders als zuvor und über ein gedankliches Verstehen hinaus – wirklich und nachhaltig berührt. Dass er auf eine besondere und intensive Weise erfahren kann, was etwas Bestimmtes für ihn persönlich bedeutet. Von den Traditionen können wir lernen:

Mit Hilfe von Meditation lässt sich jeder Wunsch nach einem besonderen und nachhaltigen Berührt-Werden zu einem praktizierbaren Übungsweg formen.

Ein Berührt-Werden, das sich beziehen kann auf alles, was einem Menschen wichtig ist, sei es die Schönheit der Natur, ein leidender Mensch, die Erkenntnis der Endlichkeit, die Einsicht in die Stetigkeit des Wandels, der Glaube an Gnade und Vergebung, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode und vieles andere mehr. Erst durch einen solchen offenen Umgang wird Meditation im Yoga zu einem Angebot, das dem Anspruch genügen kann, sich tatsächlich an alle zu richten; mögen sie sich einer Religion – gleich welcher – verbunden fühlen oder sei ihnen ein solcher Glaube ganz und gar fremd. Ein Angebot also, das die persönlichen Wertvorstellungen (oder die religiöse Überzeugung) jedes Menschen respektiert.

Das setzt voraus, Meditation nicht – wie es oft geschieht – unreflektiert in einem Paket mit jenen eben immer in hohem Maße religiös geprägten Inhalten zu vermitteln, in deren Rahmen diese Technik traditionell gelehrt wurde.

Nur so ist die Behauptung gerechtfertigt, nicht Religion, sondern Yoga zu unterrichten. Weil sich Yoga (wie Meditation überhaupt) aber in Indien ausschließlich in einem religiösen Kontext entwickelt hat und von dort wesentliche Ziele und Erklärungen bezog, fordert ein solcher Anspruch eine besondere Sensibilität dafür, religiöse Dogmen als solche zu erkennen.

Wer sich mit den Meditationstraditionen Indiens ernsthaft auseinandersetzt, erkennt sie in Formeln und Begriffen wie Alles ist Eines, Alles ist Polarität, Reines Bewusstsein, Purusha, Unsterbliche Seele, Wiedergeburt, Karma, Kein-Selbst, Selbst-ist-Atman-ist-Brahman etc.

Oder sie drücken sich aus in Begründungen von Yogapraxis mit Konzepten wie dem der Kośas, Das Konzept der koÍas wurde erst im 17. Jahrhundert im Rahmen der Integration eines vedantischen Menschenbildes in den Haṭha Yoga integriert, s. Mallinson/Singleton, Roots of Yoga, 1017: S.184: A Note on the Kośas. Chakren oder Kundalinī.

Als eine Reflexionshilfe vielleicht nur dies: Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn ein Yogastudio seine Gäste am Eingang statt mit einem OM-Symbol mit einem christlichen Kreuz-Symbol oder einer Statue der heiligen Maria mit Kind empfangen würde?

Sich berühren lassen – heute

Meditation kann also ein Mittel (aber keineswegs das Einzige) sein, sich intensiv emotional berühren zu lassen. Dabei können die in einer Meditation thematisierten Einsichten uns natürlich auch dann berühren, wenn sie sich nicht auf in Einsamkeit erlebte Offenbarungen beziehen, sondern auf Überzeugungen und Erkenntnisse, die gewonnen wurden in der Auseinandersetzung mit Lebensfragen und in Diskussionen mit anderen Menschen, durch Inspiration von Literatur, Kunst, Wissenschaft oder Philosophie.

Und uns kann es wichtig sein (muss es aber nicht), dass diese Überzeugungen und Einsichten auch hinterfragbar sind. Dass für ihre Wahrheit nachvollziehbare Gründe sprechen, die – neben der Meditationserfahrung – einen Dialog erlauben, der nicht begrenzt wird durch die Berufung auf einen besonderen, sehr exklusiven (weil nur durch Meditation möglichen) Zugang zu einer Überzeugung.

Jede für einen Menschen wichtige Erkenntnis kann also mit Hilfe von Meditation vertieft werden, jede*r kann sie sich so in einer sehr besonderen Weise zu eigen machen.

Er wird dann sagen: Jetzt erst verstehe ich es wirklich oder zumindest besser – z. B. ein Teil einer großen ganzen Natur zu sein. Oder er wird – viel mehr als zuvor – ein Einsehen in die Endlichkeit des Lebens haben. Oder über das Wunder des Lebens nicht nur intellektuell staunen, sondern immer wieder in besonderer Weise berührt werden.

Menschen können sich in der Meditation etwa den Blick in den Sternenhimmel vergegenwärtigen und dabei Demut spüren. Sie werden dabei zwar keine neuen Wahrheiten über den Kosmos entdecken; sie können aber sehr wohl davon berührt werden, was dieser Sternenhimmel – und zwar für sie persönlich – bedeutet. Dies allerdings ohne den Anspruch, dass er diese Bedeutung auch für jemanden anderen hat. Und natürlich wird dieses Erleben (wie jedes andere in einer Meditation) auch davon abhängen, welches Wissen einer Meditierenden zuvor über den Kosmos vermittelt wurde.

Es macht einen Unterschied, ob der Beobachtung, die Sterne an festen Schalen fixiert zugrunde liegt, die verschiedene Götterwelten voneinander abgrenzen oder als Milliarden von Lichtjahren entfernte Galaxien unendlicher Weite und Größe.

In der Meditation kann auf diese Weise Verschiedenes zum Fokus werden und so unser Leben bereichern und vertiefen. Gefühle, die uns wichtig sind, Fragen, die uns bewegen und Antworten, die wir für uns persönlich gefunden haben; mit denen wir uns vielleicht zuvor in Kommunikation, über heutiges Wissen und mithilfe unserer Vernunftbegabung auseinandergesetzt haben, dies nun aber auch in einer dafür geeigneten Praxis in der Meditation machen wollen, um dadurch mehr davon und auf anderer Ebene zu verstehen. Das kann existenzielle Lebensfragen betreffen, wie die nach unserer Ortung in der Welt, dem Tod, der Vergänglichkeit oder kann unsere ethischen Überzeugungen thematisieren.

So lässt sich auf andere Weise als im Dialog oder Nachdenken erkunden, was für uns etwa Freiheit, Würde oder Liebe bedeutet. Oder was uns im Leben gerade wichtig ist – oder sein soll. Der Fokus einer Meditation kann ebenso eine Zukunftsvision sein, die Erinnerung an einen berührenden Moment vom vorherigen Tag oder der Wunsch nach Verbindung mit einem wichtigen Menschen, mit Gott, der Natur. Was die alten Traditionen uns Wertvolles lehren können, ist also dies:

Mit Hilfe einer entsprechenden Meditationspraxis kann ich mich von etwas auf besondere Weise berühren lassen, um etwas Gewusstes zu verinnerlichen, um zu erforschen, erspüren und erleben, was es für mich bedeutet und um es mir regelmäßig zu vergegenwärtigen.

Alle dabei in der Meditation aufkommenden Erfahrungen haben allerdings die gleiche Eigenschaft wie jedes andere menschliche Erleben: Sie erwachsen aus den Fähigkeiten unseres Geistes wie Wahrnehmung, Vorstellungskraft und Erinnerung. Sie sind gefärbt von unserer persönlichen Lebensgeschichte, unserer sozialen Einbettung und Kultur. Im Wissen, das uns diese Erfahrungen vermitteln, existiert – wie in jedem anderen Wissen auch – immer die Möglichkeit des Irrtums. Und was uns in Bezug auf unsere Gefühle wohl vertraut ist, gilt auch für jede Erfahrung in einer Meditation: Aus ihrer Intensität kann nicht abgeleitet werden, wie viel Wahrheit in dem liegt, worauf sie gründet. Und einem in manchen Traditionen gerne gepflegten Mythos gilt es entgegenzutreten:

Tiefe berührende Einsichten und ergreifendes Staunen sind keine Erfahrungen, die nur Meditation Praktizierenden vorbehalten sind.

Sie sind vielmehr Teil des Alltags vieler Menschen, denen es auch ohne Übungspraxis immer wieder einmal geschieht, in eine innere Gestimmtheit von ungestörter Ausrichtung und Offenheit zu geraten.

In der Regel neigen Menschen, die dies erleben, allerdings eher selten dazu, aus solchen Erfahrungen gleich komplexe Weltanschauungen oder ewige Wahrheiten zu formen. Ein weiterer wertvoller Schatz, den wir den Traditionen verdanken, betrifft die praktische Umsetzung des Wie des Meditierens.

Wir werden von den Traditionen mit einem großen und inspirierenden Gabentisch voller unterschiedlicher Meditationsformen beschenkt und lernen gleichzeitig, dass Meditation trotz aller Vielfalt Üben bedeutet.

Als Praxis verlangt sie eine möglichst feste, einfach wiederholbare Struktur (man könnte es auch Ritual nennen), an der entlang des Übens die dafür notwendige mentale Ausrichtung organisiert wird. Allerdings ergeben sich aus dem Transfer von Meditation in den Westen und der damit verbundenen Herauslösung aus ihrem ursprünglich religiösen Kontext auch neue Ansprüche an die Vermittlung dieser Praxis. Sie folgen den hier aufgezeigten Unterschieden jenes Rahmens, in dem hier und heute im Zusammenhang von Yoga Meditation gelehrt wird.

Anders als in einem Kloster oder Ashram können wir beim Unterrichten keinen einheitlichen Glauben, keine einheitliche Weltsicht voraussetzen. Für Meditationen, bei denen es um die Verinnerlichung bestimmter Überzeugungen, Vorstellungen oder Weltsichten geht, sollte in der Erarbeitung einer Meditationspraxis das ganz persönliche Anliegen eines Menschen im Mittelpunkt stehen und dies auf dem Hintergrund seiner eigenen Anliegen, Überzeugungen und Fragen. Und das bedeutet auch: Die Koordinaten, an denen sich die Entwicklung einer wirksamen Praxis zu orientieren hat, lassen sich schließlich finden in der persönlichen Erfahrung eines bestimmten Menschen in seinem Üben und den daraus erwachsenden Ergebnissen – und nicht etwa im Nachvollzug vorgegebener Konzepte oder vorgeblich ewiger Wahrheiten.

An dieser persönlichen Erfahrung und der tatsächlich erlebten Wirkung einer Praxis zeigt sich auch, ob ein Fokus einer Meditation der richtige ist, ob ihre gewählte Struktur die angemessene ist. ▼

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Wer Meditation praktiziert, weiß nur allzu gut, wie schnell der Geist sich seiner Disziplinierung entziehen kann. Von einer Sekunde auf die andere folgt er dann wieder seiner eigenen, gewohnten Dynamik, sprunghaft, Gedankenkaskaden produzierend, tagträumend oder ruhelos. Zu Anfang ihrer Meditationspraxis mag die in der Meditation gesuchte innere Verfassung viel bewusste Anstrengung verlangen, später weniger, schließlich ist sie vielleicht gar nicht mehr spürbar. Es verhält sich mit der Meditation nicht anders als mit anderen Fähigkeiten, die das Mentale fordern, etwa dem Klavierspiel – es braucht Übung.

Meditation bleibt also immer charakterisiert durch die Fähigkeit, den Geist von seiner Tendenz abzuhalten, Gedankenkreise zu ziehen, hin- und herzuspringen und jeder Ablenkung nachzugeben. Eine Fähigkeit, die daraus erwächst, dass durch ein fortdauerndes Bemühen (abhyāsa) Siehe Yoga Sūtra / 1. Kapitel – Sūtra 12 – das ist der Charakter von Übung – ein stabiles, immer einfacher abrufbares mentales Muster erschaffen wird, ein neues positives samskāra Siehe Yoga Sūtra / 3. Kapitel – Sūtra 10 wie es im Yoga Sūtra genannt wird. Dieses Muster innerer mentaler Aktivität scheint am treffendsten beschrieben als Fähigkeit einer frei gewählten Ausrichtung, worin sich das Prozesshafte der Meditation deutlicher niederschlägt als in – sicher auch sinnvollen – Begriffen wie Achtsamkeit, Wachsamkeit oder Gegenwärtigkeit.

Diese Ausrichtung, in die der Geist in der Meditation gerät, unterscheidet sich grundsätzlich von der Konzentration, die entsteht, wenn etwas – ein treffendes Wort – fesselt, sei es von einem äußeren Stimulus oder einer Eigendynamik von Gedanken und Gefühlen. Man bleibt dabei, weil man in diese Aktivität hinein-gezogen, oft selbst dann, wenn es als quälend erlebt wird. Den Unterschied zwischen einem sich in Freiheit ausrichten und einem Gezogen werden können schon wenige Minuten Meditationserfahrung deutlich machen. Im konkreten Umgang mit Meditation lässt sich mit dieser Wissenslücke aber gut leben. Genau dabei hilft das Verständnis von Meditation als eine Technik zur Disziplinierung des Geistes. Diese Definition mag einfach erscheinen, ist aber von großem praktischem Wert:

Sie beschreibt mit dem Bemühen, den Geist zu disziplinieren, den Kern der Aufgabe, die sich einer/m Praktizierenden in jeder Meditation stellt. So wie für das Āsana-Üben die Qualität stabil und leicht (sthira sukha) Siehe Yoga Sūtra / 2. Kapitel – Sūtra 26 für das Üben von Prāṇāyāma die Qualität von ausgedehnt und fein (dīrgha sūkṣma) Siehe Yoga Sūtra / 2. Kapitel – Sūtra 50 für eine gelungene Praxis steht, ist es in der Meditation die Qualität des Ausgerichtet-Seins (ekāgratā). Siehe Yoga Sūtra / 3. Kapitel – Sūtra 1 und 12 Eine Qualität, auf deren Grundlage eine Meditationspraxis schließlich ihre Wirkungen entfalten kann. Gleichzeitig gibt sie Orientierung für die Entwicklung einer der jeweiligen Meditationsform angemessenen Pädagogik.

Sie ist von großer Offenheit und frei von dogmatischen Abgrenzungen und hierarchischen Bewertungen gegenüber den in unterschiedlicher Weise möglichen Inhalten und Techniken verschiedener Meditationsformen.

Nicht zuletzt hat dieses Verständnis den Vorzug, genau jener Vorstellung des Wesens von Meditation zu folgen, die in den ersten Versen des dritten Kapitels im Yoga Sūtra dargelegt wird. Danach beginnt der Meditationsprozess mit dem inneren Bemühen, den Geist an einen Ort zu binden (deśa bandhaḥ) und wird zur eigentlichen Übung Meditation (dhyānam), wenn es gelingt, diese Anbindung, diese Ausrichtung zu einem ununterbrochenen mentalen Fluss (pratyayaikatānata) Siehe Yoga Sūtra / 3. Kapitel – Sūtra 2 werden zu lassen.

Wenn Meditation also als Übung beschrieben wird, geht es darum, was in der Praxis von Meditation getan werden kann und gelassen werden muss und in welchen Zustand der Geist gebracht oder gehalten wird (oder er sich selbst hält), um Ausdruck einer zu einem, durch regelmäßiges Üben, gewordenen besonderen Eigendynamik, eines positiven Musters zu werden.

Meditation als Erfahrung und Erleben

Um einen anderen Blick geht es, wenn wir nach dem Erleben während einer Meditationspraxis fragen. Wie aus jeder anderen Übung oder Tätigkeit auch, erwächst aus jeder Meditationspraxis eine individuelle, komplexe und einmalige Erfahrung. Sicher, hinter allem Erleben in der Meditation steht die Grundstimmung eines ausgerichteten, nicht abgelenkten Geistes, erfahren als ein emotionaler Zustand innerer Ruhe.

Aber diese innere Ruhe kann unterschiedliche Färbungen annehmen, sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln und vertiefen. Sie kann als Entspannung einfach genossen, kann als eine Auszeit vom alltäglichen Ansturm vielfältiger Sinneseindrücke und rastloser Gedanken erlebt werden.

Meditationspraxis kann sich aber auch als Blick ins eigene Innere in unterschiedlichstem Erleben ausdrücken, sie kann einen Raum öffnen, in dem Konzepte, Bilder, Töne, Texte, Wörter auf besondere Weise erfahren und erspürt werden. Diese Ruhe kann so auch als ein Gesammeltsein in sich erlebt werden.

Dieses Gesammelt sein in sich kann auch, aber muss nicht, mehr als das Ich oder das eigene Leben zum Gegenstand haben, sondern gleichzeitig die Welt, das im Ganzen sein. Ernst Tugendhat, Anthropologie statt Metaphysik, 2007, S.179 f. Dann drückt es sich aus im Erleben einer besonderen Verbundenheit mit der Welt einerseits und einer Relativierung eigener Bedeutung, Ziele und Sorgen andererseits. Diese besondere Entwicklung kann auch als die Grundlage aller mystischen Erfahrungen verstanden werden.1

Die Vorstellung, eine intensive Meditationspraxis würde am Ende in einer immer gleichen Erleuchtung enden, ist ein Mythos.

Zu groß ist dafür die (auch in den Traditionen berichtete) Vielfalt möglichen Erlebens und zu individuell. Vor allem aber ist dieses Erleben immer geprägt vom Rahmen, in dem eine Meditation gelehrt und/oder praktiziert wird:

  • sei es der kulturelle und gesellschaftliche Rahmen
  • sei es ein strenger Rahmen, wie ihn religiöse Meditationswege setzen

Ein Blick in die traditionellen Lehrstrukturen von Meditation zeigt, wie viel pädagogischer Aufwand getrieben und wie eng die Bindung Lehrer (Guru) – Schüler gestaltet werden muss, um die Meditationserfahrungen der Mitglieder einer bestimmten Glaubensgemeinschaft zu vereinheitlichen, sie den Dogmen der jeweiligen Tradition konform zu machen und vor allem auch gegen die Deutungen von Meditationserfahrungen durch andere Traditionen abzugrenzen.

Traditionell war die Praxis von Meditation immer eingebettet in eine strenge Definition ihrer Ziele und der entsprechend erwünschten und damit auch erwarteten besonderen Erfahrungen. Die Vertreter der jeweiligen Traditionen, die Priester, Lehrer und Gurus deuteten bestimmte innere Stimmungen ganz selbstverständlich in einer Weise, die es ermöglichte, die Erfahrungen des Meditierenden innerhalb ihres vorgegebenen Welt- und Menschenverständnisses und ihrer Konzepte von Wirklichkeit zu erklären und einzubinden.

Die Erfahrung einer großen Geistesruhe wurde dann etwa gelesen als das Aufscheinen des Reinen Bewusstseins, einer Leere oder das Erleben einer besonderen Verbundenheit mit dem Ganzen als Erfahrung der All-Einheit oder als Erkenntnis der Identität von Atman und Brahman, jedenfalls immer entsprechend den vorgegebenen Konzepten und Erfordernissen der jeweiligen Tradition. Traditionell war die Praxis von Meditation immer eingebettet in eine strenge Definition ihrer Ziele und der entsprechend erwünschten und damit auch erwarteten besonderen Erfahrungen.

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1 Eine Sichtweise, die Ernst Tugendhat auf überzeugende Weise in seinem Festvortrag „Über Mystik“ anlässlich der Verleihung des Meister Eckhart – Preises 2005 dargelegt hat: PDF-Download

Wirkung und Intention von Meditation

Niemand meditiert, ohne damit eine Absicht zu verfolgen, sich eine Wirkung zu erhoffen. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, dass die mithilfe von Meditationspraxis jeweils erhoffte Wirkung sich dann auch einstellt. Und es gibt Wirkungen, die sich – sogar ohne erstrebt worden zu sein – hinter dem Rücken der Praktizierenden realisieren, etwa die Senkung eines zu hohen Blutdrucks oder ein unorthodoxer oder gar ketzerischer neuer Blick auf die Welt mit den entsprechenden Konflikten für die oder den Betroffenen.

Intention und Wirkung von Meditation sind nicht das Gleiche.

Über die mit einer Meditation verbundenen Intentionen lässt sich dabei viel einfacher Klarheit verschaffen als über deren Wirkung. Heute können wir Praktizierende direkt danach nach ihren Absichten fragen, für die Tradition geben uns die Texte und mündliche Überlieferung ein Bild davon, welche Vielfalt unterschiedlicher Wirkungen von einer jeweiligen Praxis erwartet wird und wurde.

Dabei unterscheidet sich das Interesse an Meditation heute und damals erheblich voneinander. Heutzutage beziehen sich die Erwartungen an Meditation vorrangig auf Wünsche;

  • nach Entlastung
  • nach Erhaltung oder Verbesserung der Gesundheit
  • nach mehr Wohlbefinden
  • nach einer Zeit des Bei-Sich-Seins
  • bisweilen auch als Hilfe, sich selbst besser zu verstehen
  • oder als Unterstützung auf einer ganz individuell unternommenen Suche nach Sinn und innerem Halt.

Sehr viel weniger eindeutig als die traditionell und heute vorherrschenden Benennungen der Erwartungen an Meditation es tun, lässt sich beantworten, wie berechtigt die unterschiedlichen von Meditationspraxis erwarteten Wirkungen tatsächlich sind.

  • Zuerst: Für alle traditionellen, religiös geprägten Wirkversprechen, die sich auf ein Offenbarungswissen beziehen, ist dies natürlich eine unsinnige Frage, weil sie sich ganz selbstverständlich und mit Recht einem ergebnisoffenen Dialog entziehen: Wer wollte außerhalb einer Glaubensgemeinschaft entscheiden, ob etwa die Befreiung von der Wiedergeburt oder die Einsicht in die Einheit von Atman und Brahman oder die Nähe zu Gott wirklich vollzogen, die letzte Wahrheit so tatsächlich gefunden ist?
  • Was die Wirkungen von Meditationspraxis auf das innere Wachstum eines Menschen, etwa seine Fähigkeit zu Empathie und Toleranz angeht, hat in den vergangenen Jahren eine breite Diskussion an Fahrt aufgenommen. Gegenwärtig gibt es dazu allerdings mehr offene Fragen als klare Antworten, und die Skepsis gegenüber der Vorstellung, dass Meditation aus einem Menschen zwangsläufig einen guten macht, ist groß.
  • Auf festerem Grund bewegen wir uns, was die Wirkungen von Meditation auf Gesundheit und Wohlbefinden angeht, die heute im Mittelpunkt des Interesses an Meditation stehen. Hier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine lebhafte Forschungstätigkeit entwickelt. Aber auch hier warten noch viele Thesen auf belastbare Prüfung. Dazu auch mehr im Artikel Meditation heute – Teil 2. Die gute Nachricht: Nach allem, was bisher über die positiven Wirkungen von Meditation auf Gesundheit, das allgemeine Wohlbefinden, Stressreduktion bekannt ist, kann davon ausgegangen werden, dass Meditation in diese Richtung tatsächlich wirkt.
    Und wie es scheint, geschieht dies recht unabhängig von ihrem Inhalt und ihrer Form. In ihrer Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden macht es wohl kaum einen Unterschied, wie die Meditation konkret gestaltet ist – Hauptsache ist, es wird meditiert. Und zwar in jenem Sinne, wie oben definiert: ein Bemühen und zeitweiliges Erreichen eines inneren Zustands von Ausrichtung, von beruhigtem Geist.

Von Tradition und Sich-Berühren-Lassen

Welche Rolle spielte Meditation in den Traditionen des Yoga? Bei der Suche nach Antworten hilft uns eine berühmte Geschichte aus dem alten Indien. Sie handelt von einem Jungen namens Naciketa, Sohn eines Brahmanen.

„Eines Tages treibt sein Vater Kühe zu einem Opferritual. Als der Sohn die Kühe sieht, erscheinen sie ihm so gebrechlich, ausgemolken und lendenlahm, dass er daran zweifelt, ob das Ritual angesichts einer solch minderwertigen Gabe überhaupt wirksam sei. Deshalb stellt er seinen Vater zur Rede, der aber von den Bedenken des Sohnes nichts hören will. Schließlich sieht Naciketa keinen anderen Weg zur Rettung des Rituals, als sich selbst zum Opfer darzubieten: Mein Vater, wem willst du mich geben? Weil er ihn mit dieser Frage immer wieder und wieder bedrängt, gerät sein Vater schließlich außer sich vor Zorn und antwortet: dem Tode!
Und so geschieht es: Naciketa findet sich im Totenreich wieder. Dort wartet er nun auf die Begegnung mit Yama, dem Gott des Todes. Weil es aber recht lange dauert, bis Yama den Jungen endlich empfängt (was selbst für den Gott des Todes einem Brahmanensohn gegenüber unschicklich ist), gewährt er ihm als Ausgleich für die Wartezeit drei Wünsche. Die ersten zwei sind schnell erfüllt, beim Dritten aber ziert sich Yama. Naciketa verlangt nämlich zu wissen, was denn nach dem Tod vom Menschen bleibt: Manche sagen, er würde weiter existieren, manche sagen, er existiert nicht mehr. Das möchte ich wissen, darüber möchte ich belehrt werden.“ Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 1. Abschnitt – Vers 20

Abb. 1 Bild: Shutterstock

Mit dieser Erzählung beginnt die über 2000 Jahre alte Kaṭha Upanishad, Teil der altindischen Textsammlung des Veda. Im weiteren Verlauf der Geschichte gibt Yama schließlich dem Drängen Naciketas nach und offenbart ihm sein Wissen: Menschen existieren nach dem Tod weiter, sie werden normalerweise wiedergeboren. Und: In jedem Menschen gibt es einen makellosen, unverwüstlichen Kern; wer ihn erkennt, wird erlöst und unsterblich (gemeint ist, vom Rad der Wiedergeburt). Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 6. Abschnitt – Vers 8

Gleichzeitig vermittelt Yama dem Jungen allerdings eine weitere Botschaft: Eröffnen wird sich ihm diese Wahrheit nur durch völlige Ruhe im Geist. Dieser Zustand gilt Yama als das höchste Ziel: Das ist Yoga, das standhafte Zurückhalten der Sinne. Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 6. Abschnitt – Verse 10/11 Um wirklich zu verstehen, darauf besteht er, braucht es Meditation, was für ihn Yoga heißt.

Noch eine dritte Botschaft betrachtet die Upanishad als essenziell für die Offenbarung dieses Wissens: Ohne Lehrer ist hier gar kein Zugang. Zitiert aus der Kaṭha Upanishad: 2. Abschnitt – Vers 8 Warum? Weil jemand vonnöten ist, der – wie eben Yama – die gesuchte Wahrheit schon kennt. Offensichtlich führt nur unter einer solchen Anleitung die verlangte Meditationspraxis zum Erfolg, allein so wird sich Naciketa diese Wahrheit offenbaren.

Allerdings hätte Naciketa auch andere Antworten auf seine Fragen bekommen können. Im Gegensatz zu ihm wissen wir heute, dass an anderen Orten und in anderen Kulturen der Welt (aber wahrscheinlich auch ganz in seiner Nähe) Menschen wie er in meditativer Versenkung nach Wissen, Einsicht und Wahrheit gesucht haben. Und dass sie zu ganz anderen Ergebnissen über die Frage kamen, was nach dem Tod bleibt und was das Wesen des Menschen ausmacht.

Bleibt Naciketa seinem Lehrer Yama treu, steht aber das Ergebnis seines eigenen Erkenntniswegs schon fest. Dass er seine Lehrzeit schließlich als überzeugter Buddhist, oder Jain, als Dualist als Anhänger der Lehren des Sāṃkhya oder Atheist als Anhänger der Chārvāka-Schule, die sich freiem Denken und kritischer Wahrheitssuche verpflichtet fühlten beenden würde, all das galt den Upaniṣaden-Lehrern als undenkbar.

Eine solche Enttäuschung mussten sie auch nicht befürchten. Denn seine Meditationspraxis wird Naciketa nicht als voraussetzungslos und im Ergebnis offen gelehrt. Ihr Ziel und Erfolg liegen darin, dass sich Naciketa im Laufe der Zeit genau die von Yama gelehrte und für die Upaniṣaden charakteristische Weltsicht zu eigen macht.

Joseph Walser, ein profunder Kenner östlicher Meditationstraditionen, beschreibt dies so: Wo in traditionellen Meditationsformen nach Wissen und Einsicht gesucht wird, geht es offensichtlich wesentlich darum, zu erkennen, was nach den Prinzipien der jeweiligen religiösen Lehre wahr ist. J. Walser, a. a. O. Wir können das auch als eine Art der Verinnerlichung eines bestimmten Welt- und Menschenbildes beschreiben. Das gilt gleichermaßen für all jene Meditationsformen, die einem in den Traditionen des Yoga begegnen. Tatsächlich verließ man sich in keiner Meditationstradition darauf, dass im Zustand der Meditation schließlich ganz allein aus sich selbst heraus und ohne klare Vorgaben die richtigen Einsichten aufscheinen würden. Vielmehr war das Unterrichten und Lernen von Meditation immer eingebettet in eine intensive und langjährige Vermittlung eines ganz besonderen Welt- und Menschenbildes.

Nicht nur Naciketa, sondern auch die Mönche in einem jainistischen, buddhistischen oder christlichen Kloster erwartete in ihrer Lehrzeit keine Wahrheitssuche, die auch für solche Erkenntnisse wirklich offen war, die der jeweiligen Tradition grundsätzlich (oft auch selbst nicht im Detail) widersprochen hätten.

Wir begegnen dort vielmehr der Tendenz, den jeweiligen eigenen Weg und die dort gewonnenen Erkenntnisse als absolute Wahrheit zu behaupten. Mit einer solchen nicht hinterfragbaren Bewertung von Einsichten, in welche traditionelle Meditationslehren stets eingebunden sind, hat man sich aber eine unnötige Beweislast aufgeladen, die Menschen außerhalb der jeweiligen Glaubensgemeinschaften einen authentischen Zugang verwehrt.

Heute können traditionelle Meditationslehren jedoch von ihrem absoluten Wahrheitsanspruch befreit und einer offenen Reflexion ihrer Inhalte, Voraussetzungen und Ziele zugänglich gemacht werden.

Gewonnen wird damit die Möglichkeit, den heute in der Meditationspraxis gestellten Fragen und Bedürfnissen auf eine angemessene und zukunftsfähige Weise zu begegnen. Es lässt sich dann erkennen, worin sich die Praxis von Meditation in den Traditionen auch unabhängig von den immer exklusiven Glaubenssystemen wirklich bewährt hat: Mithilfe einer Meditationspraxis kann ein Prozess der Verinnerlichung wirkungsvoll organisiert und strukturiert werden.

Verinnerlichung organisieren

Meditationspraxis kann so als vielfältig verwendbares Werkzeug dienen, emotional nachvollziehbar zu machen, was ein Mensch für sich als besonders bedeutsam empfindet. Eine solche Verinnerlichung kann aber nicht nur – wie es in den Traditionen ausschließlich der Fall war – einen vorgegebenen Glauben oder ein Offenbarungswissen zum Gegenstand haben.

Eine den ganzen Menschen ergreifende emotionale Verbundenheit kann mit jeder Überzeugung, jedem Gefühl, jeder Einsicht, jeder Vision, jeder Spekulation gelingen. Durch die Einbindung in eine meditative Praxis lässt sich offensichtlich etwas dafür Gewähltes so wandeln, dass es einen Menschen – anders als zuvor und über ein gedankliches Verstehen hinaus – wirklich und nachhaltig berührt. Dass er auf eine besondere und intensive Weise erfahren kann, was etwas Bestimmtes für ihn persönlich bedeutet. Von den Traditionen können wir lernen:

Mit Hilfe von Meditation lässt sich jeder Wunsch nach einem besonderen und nachhaltigen Berührt-Werden zu einem praktizierbaren Übungsweg formen.

Ein Berührt-Werden, das sich beziehen kann auf alles, was einem Menschen wichtig ist, sei es die Schönheit der Natur, ein leidender Mensch, die Erkenntnis der Endlichkeit, die Einsicht in die Stetigkeit des Wandels, der Glaube an Gnade und Vergebung, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode und vieles andere mehr. Erst durch einen solchen offenen Umgang wird Meditation im Yoga zu einem Angebot, das dem Anspruch genügen kann, sich tatsächlich an alle zu richten; mögen sie sich einer Religion – gleich welcher – verbunden fühlen oder sei ihnen ein solcher Glaube ganz und gar fremd. Ein Angebot also, das die persönlichen Wertvorstellungen (oder die religiöse Überzeugung) jedes Menschen respektiert.

Das setzt voraus, Meditation nicht – wie es oft geschieht – unreflektiert in einem Paket mit jenen eben immer in hohem Maße religiös geprägten Inhalten zu vermitteln, in deren Rahmen diese Technik traditionell gelehrt wurde.

Nur so ist die Behauptung gerechtfertigt, nicht Religion, sondern Yoga zu unterrichten. Weil sich Yoga (wie Meditation überhaupt) aber in Indien ausschließlich in einem religiösen Kontext entwickelt hat und von dort wesentliche Ziele und Erklärungen bezog, fordert ein solcher Anspruch eine besondere Sensibilität dafür, religiöse Dogmen als solche zu erkennen.

Wer sich mit den Meditationstraditionen Indiens ernsthaft auseinandersetzt, erkennt sie in Formeln und Begriffen wie Alles ist Eines, Alles ist Polarität, Reines Bewusstsein, Purusha, Unsterbliche Seele, Wiedergeburt, Karma, Kein-Selbst, Selbst-ist-Atman-ist-Brahman etc.

Oder sie drücken sich aus in Begründungen von Yogapraxis mit Konzepten wie dem der Kośas, Das Konzept der koÍas wurde erst im 17. Jahrhundert im Rahmen der Integration eines vedantischen Menschenbildes in den Haṭha Yoga integriert, s. Mallinson/Singleton, Roots of Yoga, 1017: S.184: A Note on the Kośas. Chakren oder Kundalinī.

Als eine Reflexionshilfe vielleicht nur dies: Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn ein Yogastudio seine Gäste am Eingang statt mit einem OM-Symbol mit einem christlichen Kreuz-Symbol oder einer Statue der heiligen Maria mit Kind empfangen würde?

Sich berühren lassen – heute

Meditation kann also ein Mittel (aber keineswegs das Einzige) sein, sich intensiv emotional berühren zu lassen. Dabei können die in einer Meditation thematisierten Einsichten uns natürlich auch dann berühren, wenn sie sich nicht auf in Einsamkeit erlebte Offenbarungen beziehen, sondern auf Überzeugungen und Erkenntnisse, die gewonnen wurden in der Auseinandersetzung mit Lebensfragen und in Diskussionen mit anderen Menschen, durch Inspiration von Literatur, Kunst, Wissenschaft oder Philosophie.

Und uns kann es wichtig sein (muss es aber nicht), dass diese Überzeugungen und Einsichten auch hinterfragbar sind. Dass für ihre Wahrheit nachvollziehbare Gründe sprechen, die – neben der Meditationserfahrung – einen Dialog erlauben, der nicht begrenzt wird durch die Berufung auf einen besonderen, sehr exklusiven (weil nur durch Meditation möglichen) Zugang zu einer Überzeugung.

Jede für einen Menschen wichtige Erkenntnis kann also mit Hilfe von Meditation vertieft werden, jede*r kann sie sich so in einer sehr besonderen Weise zu eigen machen.

Er wird dann sagen: Jetzt erst verstehe ich es wirklich oder zumindest besser – z. B. ein Teil einer großen ganzen Natur zu sein. Oder er wird – viel mehr als zuvor – ein Einsehen in die Endlichkeit des Lebens haben. Oder über das Wunder des Lebens nicht nur intellektuell staunen, sondern immer wieder in besonderer Weise berührt werden.

Menschen können sich in der Meditation etwa den Blick in den Sternenhimmel vergegenwärtigen und dabei Demut spüren. Sie werden dabei zwar keine neuen Wahrheiten über den Kosmos entdecken; sie können aber sehr wohl davon berührt werden, was dieser Sternenhimmel – und zwar für sie persönlich – bedeutet. Dies allerdings ohne den Anspruch, dass er diese Bedeutung auch für jemanden anderen hat. Und natürlich wird dieses Erleben (wie jedes andere in einer Meditation) auch davon abhängen, welches Wissen einer Meditierenden zuvor über den Kosmos vermittelt wurde.

Es macht einen Unterschied, ob der Beobachtung, die Sterne an festen Schalen fixiert zugrunde liegt, die verschiedene Götterwelten voneinander abgrenzen oder als Milliarden von Lichtjahren entfernte Galaxien unendlicher Weite und Größe.

In der Meditation kann auf diese Weise Verschiedenes zum Fokus werden und so unser Leben bereichern und vertiefen. Gefühle, die uns wichtig sind, Fragen, die uns bewegen und Antworten, die wir für uns persönlich gefunden haben; mit denen wir uns vielleicht zuvor in Kommunikation, über heutiges Wissen und mithilfe unserer Vernunftbegabung auseinandergesetzt haben, dies nun aber auch in einer dafür geeigneten Praxis in der Meditation machen wollen, um dadurch mehr davon und auf anderer Ebene zu verstehen. Das kann existenzielle Lebensfragen betreffen, wie die nach unserer Ortung in der Welt, dem Tod, der Vergänglichkeit oder kann unsere ethischen Überzeugungen thematisieren.

So lässt sich auf andere Weise als im Dialog oder Nachdenken erkunden, was für uns etwa Freiheit, Würde oder Liebe bedeutet. Oder was uns im Leben gerade wichtig ist – oder sein soll. Der Fokus einer Meditation kann ebenso eine Zukunftsvision sein, die Erinnerung an einen berührenden Moment vom vorherigen Tag oder der Wunsch nach Verbindung mit einem wichtigen Menschen, mit Gott, der Natur. Was die alten Traditionen uns Wertvolles lehren können, ist also dies:

Mit Hilfe einer entsprechenden Meditationspraxis kann ich mich von etwas auf besondere Weise berühren lassen, um etwas Gewusstes zu verinnerlichen, um zu erforschen, erspüren und erleben, was es für mich bedeutet und um es mir regelmäßig zu vergegenwärtigen.

Alle dabei in der Meditation aufkommenden Erfahrungen haben allerdings die gleiche Eigenschaft wie jedes andere menschliche Erleben: Sie erwachsen aus den Fähigkeiten unseres Geistes wie Wahrnehmung, Vorstellungskraft und Erinnerung. Sie sind gefärbt von unserer persönlichen Lebensgeschichte, unserer sozialen Einbettung und Kultur. Im Wissen, das uns diese Erfahrungen vermitteln, existiert – wie in jedem anderen Wissen auch – immer die Möglichkeit des Irrtums. Und was uns in Bezug auf unsere Gefühle wohl vertraut ist, gilt auch für jede Erfahrung in einer Meditation: Aus ihrer Intensität kann nicht abgeleitet werden, wie viel Wahrheit in dem liegt, worauf sie gründet. Und einem in manchen Traditionen gerne gepflegten Mythos gilt es entgegenzutreten:

Tiefe berührende Einsichten und ergreifendes Staunen sind keine Erfahrungen, die nur Meditation Praktizierenden vorbehalten sind.

Sie sind vielmehr Teil des Alltags vieler Menschen, denen es auch ohne Übungspraxis immer wieder einmal geschieht, in eine innere Gestimmtheit von ungestörter Ausrichtung und Offenheit zu geraten.

In der Regel neigen Menschen, die dies erleben, allerdings eher selten dazu, aus solchen Erfahrungen gleich komplexe Weltanschauungen oder ewige Wahrheiten zu formen. Ein weiterer wertvoller Schatz, den wir den Traditionen verdanken, betrifft die praktische Umsetzung des Wie des Meditierens.

Wir werden von den Traditionen mit einem großen und inspirierenden Gabentisch voller unterschiedlicher Meditationsformen beschenkt und lernen gleichzeitig, dass Meditation trotz aller Vielfalt Üben bedeutet.

Als Praxis verlangt sie eine möglichst feste, einfach wiederholbare Struktur (man könnte es auch Ritual nennen), an der entlang des Übens die dafür notwendige mentale Ausrichtung organisiert wird. Allerdings ergeben sich aus dem Transfer von Meditation in den Westen und der damit verbundenen Herauslösung aus ihrem ursprünglich religiösen Kontext auch neue Ansprüche an die Vermittlung dieser Praxis. Sie folgen den hier aufgezeigten Unterschieden jenes Rahmens, in dem hier und heute im Zusammenhang von Yoga Meditation gelehrt wird.

Anders als in einem Kloster oder Ashram können wir beim Unterrichten keinen einheitlichen Glauben, keine einheitliche Weltsicht voraussetzen. Für Meditationen, bei denen es um die Verinnerlichung bestimmter Überzeugungen, Vorstellungen oder Weltsichten geht, sollte in der Erarbeitung einer Meditationspraxis das ganz persönliche Anliegen eines Menschen im Mittelpunkt stehen und dies auf dem Hintergrund seiner eigenen Anliegen, Überzeugungen und Fragen. Und das bedeutet auch: Die Koordinaten, an denen sich die Entwicklung einer wirksamen Praxis zu orientieren hat, lassen sich schließlich finden in der persönlichen Erfahrung eines bestimmten Menschen in seinem Üben und den daraus erwachsenden Ergebnissen – und nicht etwa im Nachvollzug vorgegebener Konzepte oder vorgeblich ewiger Wahrheiten.

An dieser persönlichen Erfahrung und der tatsächlich erlebten Wirkung einer Praxis zeigt sich auch, ob ein Fokus einer Meditation der richtige ist, ob ihre gewählte Struktur die angemessene ist. ▼

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