Vielfalt – das Salz in der Suppe: Yoga im Gruppenunterricht

Yoga-Unterricht für eine Gruppe kann sehr verschieden gestaltet werden. In diesem Artikel soll deshalb die Vielfalt der Möglichkeiten im Mittelpunkt stehen, Gruppen im Yoga zu unterrichten. Elke Friederichsen hat lange in Berlin ein eigenes Yogazentrum geleitet und im Gespräch mit ihr werden wichtige Fragen des Yoga-Gruppenunterrichts thematisiert. Neben anderem fällt dabei auf, wie stark die Persönlichkeit der Unterrichtenden die Art und Weise des Unterrichts in einer Gruppe mitprägt. Für Viveka führte Judith Knilli das Gespräch mit Elke Friederichsen.

Vielfalt – das Salz in der Suppe: Yoga im Gruppenunterricht

Yoga-Unterricht für eine Gruppe kann sehr verschieden gestaltet werden. In diesem Artikel soll deshalb die Vielfalt der Möglichkeiten im Mittelpunkt stehen, Gruppen im Yoga zu unterrichten. Elke Friederichsen hat lange in Berlin ein eigenes Yogazentrum geleitet und im Gespräch mit ihr werden wichtige Fragen des Yoga-Gruppenunterrichts thematisiert. Neben anderem fällt dabei auf, wie stark die Persönlichkeit der Unterrichtenden die Art und Weise des Unterrichts in einer Gruppe mitprägt. Für Viveka führte Judith Knilli das Gespräch mit Elke Friederichsen.

Vielfalt – das Salz in der Suppe: Yoga im Gruppenunterricht

Yoga-Unterricht für eine Gruppe kann sehr verschieden gestaltet werden. In diesem Artikel soll deshalb die Vielfalt der Möglichkeiten im Mittelpunkt stehen, Gruppen im Yoga zu unterrichten. Elke Friederichsen hat lange in Berlin ein eigenes Yogazentrum geleitet und im Gespräch mit ihr werden wichtige Fragen des Yoga-Gruppenunterrichts thematisiert. Neben anderem fällt dabei auf, wie stark die Persönlichkeit der Unterrichtenden die Art und Weise des Unterrichts in einer Gruppe mitprägt. Für Viveka führte Judith Knilli das Gespräch mit Elke Friederichsen.

Sich wohlfühlen

Auch im Yoga-Gruppenunterricht richten sich die Ziele immer danach, mit welchen Anliegen die einzelnen Teilnehmer­Innen kommen. Und so unterschiedlich Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Bedürfnisse, Interessen und Probleme, die sie zum Yoga bringen. Manche möchten sich einfach mehr bewegen, andere haben Interesse an Yoga an sich, wiederum andere drängen körperliche Beschwerden, der Rücken, die Knie, innere Unruhe. Den einen ist der gemeinsame Treffpunkt beim Yoga wichtig, andere kommen hauptsächlich in die Gruppen, weil sie zu Hause für sich allein nicht üben. Aus dieser Vielfalt können sich Gruppen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten herausbilden.

Viveka
Elke, wie sehen Deine Gruppen aus?

Elke Friederichsen
Ich habe ausschließlich fortlaufende Kurse. Im Schnitt sind es sechs bis acht TeilnehmerInnen. Die größte Gruppe besteht aus zehn. Die Zusammensetzung ist sehr unterschiedlich, was Alter, Interesse und Bedürfnis angeht. In einer Gruppe am Dienstagvormittag gibt es viele, die Rückenprobleme haben. Das ist eine ganz gemischte Gruppe, die älteste Frau ist fünfundsiebzig Jahre, aber auch eine ganz junge ist dabei, ein Kinderpsychotherapeut, eine Arbeitslose, eine Psychologin. Sie verstehen sich alle sehr gut und reden auch viel untereinander. Und sie sind sehr interessiert. Mit ihnen kann ich viel machen, obwohl sie teilweise starke körperliche Einschränkungen haben. Und dass es morgens stattfindet ist natürlich auch toll, weil sie nicht so müde sind und auch mal länger sitzen können.
Eine andere Gruppe habe ich seit acht Jahren. Bei Ihnen ist es eher so, dass sie sich einfach etwas Gutes tun möchten, Neues ist für sie nicht so wichtig und auch Gespräche finden da nicht so viel statt. Am Ende der Stunde hängen sie immer am liebsten so „richtig in den Seilen“. Etwas in Richtung Entspannung mache ich dann auch fast jedes Mal mit ihnen.
Dann habe ich noch eine Gruppe für HIV-Betroffene. In den Jahren hat sich ein besonderes Gemeinschaftsgefühl zwischen den Leuten entwickelt. Sie sind richtig fürsorglich zueinander, das ist auch für mich sehr schön. Und donnerstagabends kommen Interessierte, Junge, die auch viel über Yoga wissen wollen. Sie kommen mit Fragen wie „Was ist Yoga überhaupt?“, „Was sind die Ziele?“.

Viveka
Hattest Du diese Schwerpunkte so geplant?

Elke Friederichsen
Nein, das hat sich mit der Zeit so ergeben. Bei der Gruppe, die sich so sehr für Yoga-Konzepte interessiert, war es ganz einfach so, dass mal ein paar Jüngere dazu gekommen sind. Sie waren enorm begeistert vom Yoga und auch offen für Experimente. In dieser Gruppe kann ich jetzt mehr ausprobieren. Dadurch findet mehr Austausch während der Stunde statt. Sie fragen mich Löcher in den Bauch und ich erfahre auch viel von ihnen. So unterschiedlich kann das sein. In anderen Gruppen wird viel weniger geredet, da mache ich einfach mehr das, von dem ich denke, dass es ihnen guttut.

Yoga Gruppenkurs mit vajrāsana
© E. Friederichsen

Viveka
Menschen kommen mit so unterschiedlichen Wünsche zum Yoga. Wie lässt sich das unter einen Hut bringen?

Elke Friederichsen
Ja, sie kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wie zuvor erwähnt, manchmal ist es bloße Neugierde, manchmal großes Leid. Aber es ist auch nicht selten, dass sie gar nicht so genau benennen, was sie beim Yoga suchen, sie möchten es einfach ausprobieren.

Ziel im Unterrichten von Gruppen für mich ist generell, Menschen eine Erfahrung zu ermöglichen, die sie einfach ruhiger und zufriedener nach Hause gehen lassen. Sie sollen sich hier wohlfühlen. Es ist mir ein Anliegen, dass es ihnen nach der Praxis besser geht, dass sie sich in ihrer Haut etwas wohler fühlen, entspannter.

Gelungen finde ich eine Stunde, wenn ihr Stresspegel hinterher etwas niedriger ist und sie die nächsten Tage vielleicht teilweise besser meistern können, ganz einfach. Und genau diese Art von Erfahrungen ist es in der Regel auch, die sie motiviert, die Woche darauf wiederzukommen.

Viveka
Aber kommen sie auch ihren persönlichen Zielen damit wirklich näher?

Elke Friederichsen
Es ist natürlich so, dass der individuellen Yoga-Arbeit in der Gruppe deutlich Grenzen gesetzt sind. Das „ganz Persönliche“ lässt sich nur im Einzelunterricht berücksichtigen. Und die Möglichkeiten, etwas wirklich zu verändern, sind wesentlich größer, wenn jemand regelmäßig für sich zu Hause übt. Wir wissen aber auch, dass die Wirkung von Yoga im Gruppenunterricht eine ganz besondere ist, und das ist nicht zu unterschätzen.
Erst einmal ist es mir wichtig zu betonen, dass das vorher genannte, grob gesagt der Abstand vom Alltagsstress, ein in vielen Fällen und – wie ich finde – legitimer Grund ist, warum viele Menschen zum Yoga kommen. Ich möchte Ihnen dabei helfen. Das mag so klingen, als habe ich mir damit mein Ziel recht niedrig gehängt, aber das sehe ich nicht so. Immerhin können die in der Gruppe gemachten Erfahrungen die Grundlage dafür sein, dass jeder einzelne Teilnehmer seine persönlichen Wünsche und Ziele in Angriff nimmt. Wenn es mir in der Gruppensituation gelingt, dass die meisten Teilnehmer nach der Stunde mit einem besseren Gefühl als vorher nach Hause gehen, dann finde ich das sehr viel.
Der Yoga nennt dieses Ziel sukha, ein anderes Wort für Weite, Leichtigkeit. Es ist aus dem Sanskrit und bezeichnet das Gegenteil von Enge, Leid (duḥkha). Auf der Körperebene sowie auf den Geist bezogen bedeutet es mehr Wohlbefinden, Erleichterung. Ich möchte nicht ausschließen, dass auch im Gruppenunterricht weitergehende Ziele wie Selbsterfahrung und inneres Wachstum möglich sind. Aber so etwas entsteht in der Regel erst nachdem eine Gruppe längere Zeit zusammen ist und sich jede/r Einzelne mehr auf Yoga eingelassen hat. Kennt sich eine Gruppe lang genug, lassen sich in diesem Rahmen beispielsweise auch anspruchsvollere Prāṇāyāma-Techniken, ansatzweise Meditation oder Ideen aus Yoga-Konzepten vermitteln. Aber für dieses „Mehr“ gibt es eben Voraussetzungen.
Manche Teilnehmer haben das starke Bedürfnis, mehr über Yoga zu erfahren. Im normalen Gruppen­unterricht kann ich das allerdings immer nur ansatzweise einfließen lassen. Zumal nicht immer alle daran interessiert sind. Deswegen biete ich jetzt mit einer Kollegin zusammen sogenannte Übungstage an, an denen wir bestimmte Yogathemen für Interessierte anhand des Yoga Sūtra vertiefen können. Es ist ein Versuch, diesem Wunsch nach mehr Wissen über Yoga als Weg der Weiterentwicklung gerecht zu werden. Aber natürlich muss die Entwicklung einer Gruppe nicht in diese Richtung gehen. Wohin die Reise geht zeigt sich erst mit der Zeit.

Eines steht jedoch fest: Einen für Yoga-Erfahrungen geeigneten Rahmen anzubieten, das ist ein Versprechen, welches wir in der Yoga-Gruppe wirklich einlösen können. Dieser Rahmen ist die Stärke des Gruppenunterrichts. Er unterstützt den Einzelnen.

Viele TeilnehmerInnen äußern, dass es ihnen richtig wichtig ist in einer Gruppe Yoga zu üben. Es gibt sogar welche, die darauf bestehen, möglichst in der größten Gruppe zu sein. Manche motiviert das einfach sehr. Anderen wiederum fällt es lediglich schwer, für sich allein zu Hause zu üben und der Termin einmal wöchentlich hilft ihnen, sich zu disziplinieren.

Die Vorteile von Gruppenunterricht sind vielfältig; ein Aspekt liegt mir jedoch ganz besonders am Herzen. Genauso wichtig wie die Yoga-Praxis finde ich die Begegnung, den Austausch untereinander, den sozialen Kontakt.

Es ist wunderbar: Hier treffen sich Menschen un­ter­schiedlichster Berufsgruppen. Und es kommen auch Leute, die einsam sind. Sie freuen sich, auf Gleichgesinnte zu treffen, die einander zuhören, mit denen sie auch Spaß haben können. Die meisten kennen sich inzwischen recht gut und wenn sie sich hier sehen, reden sie beim Umziehen erst einmal eine Runde über den Urlaub, über Mode … Oft gehen sie nach dem Yoga auch noch zusammen weg. Das ist das Schöne an kleinen Gruppen. Wenn sie längere Zeit bestehen, kann das einen familiären Charakter haben, etwas von einem Zuhause. Das finde ich eine wichtige Qualität, das kann es so im Einzelunterricht nicht geben. Ich weiß, dass viele meiner Teilnehmer es genießen, wenigstens einmal die Woche einfach umsorgt zu werden. Einige von ihnen sind Lehrer, Mütter, Therapeuten, Beamte. Sie haben selber viel mit Menschen zu tun, für die sie mehr oder weniger den ganzen Tag da sind. So gesehen bin ich für sie auch ein bisschen Mama. Sie empfinden es als schön, dass ich mich um sie kümmere. Und ich mache das gerne. Yoga unterrichten ist auch Zuwendung geben.

Dranbleiben

Viveka
Wonach wählst Du die Stunden­themen aus?

Elke Friederichsen
Meistens ist es so, dass sich die Themen im Austausch mit den Gruppen im Laufe der Zeit ergeben. Ich bekomme allmählich mit, was ihnen Spaß macht, worauf sie neugierig sind. Und darauf versuche ich einzugehen. Ein anderes Mal mache ich gezielt etwas, von dem ich weiß, dass sie es noch gar nicht kennen. Hauptkriterium ist für mich dabei immer, dass es für sie machbar und interessant bleiben muss. Gerade weil wir in den Gruppen so unterschiedliche Menschen haben, kann man generell sagen, dass Abwechslung gut ist. Schließlich muss für jeden etwas dabei sein. Einfach auch um das Interesse am Yoga wachzuhalten. Das heißt natürlich nicht, dass ich jedes Mal etwas komplett Neues mache. Von einem Thema lasse ich mich in der Regel vier bis fünf Stunden leiten. Oft ent­wickelt sich daraus dann das Nächste.
Manchmal hat das, was ich mir aussuche, auch einfach etwas mit mir zu tun. Damit, worauf ich gerade Lust habe. Letzten Sommer z. B. habe ich mich selbst viel bewegt, habe viel Yoga gemacht und einfach Spaß an Übungsreihen und an dem Wechsel von Vor- und Rückbeugen gehabt. Das habe ich dann zum Anlass genommen, meinen Gruppen nach der Sommerpause einfach auch viele körperlich bewegte Stunden anzubieten. Das habe ich nicht groß angekündigt, es war für mich eine Linie, anhand derer ich meine Stundenplanung gemacht habe.

Viveka
Was für Kurse waren das?

Elke Friederichsen
Ich habe viel mit Vinyāsas gearbeitet, das heißt mit Āsana-Kombinationen. Sei es aus dem Kniestand oder aus dem Stehen heraus, aber auch mal im Liegen. Diese wurden immer variiert und mit anderen kombiniert, auch so, dass die Teilnehmer, die körperlich sehr forderndere Āsana mögen, auch mal „in die Vollen gehen“ konnten. Im Anschluss an die Vinyāsa kamen dann noch Rück- und Vorbeugen im Wechsel und zum Ende der Stunde, in sehr einfachen Bewegungen, die Betonung der Ausatmung oder aber auch ein kleines Prāṇāyāma. Die Betonung der Ausatmung am Ende der Stunde ist bei den Gruppen, die abends stattfinden besonders wichtig. Ich möchte nicht, dass sie zu sehr angeregt werden. Aus dieser Idee ist dann eine neue entstanden – wie, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Es gab dann einfache Stunden, in denen die Āsanas nicht so sehr im Mittelpunkt standen. Das Thema war dann „Weite“. Weite ist im Yoga eine wichtige Qualität, sowohl auf der Körper- als auch auf der Geistesebene.

Yoga Gruppenkurs mit vīrabhadrāsana
© E. Friederichsen

Viveka
Wie sieht eine solche Stunde genau aus?

Elke Friederichsen
Es gibt natürlich immer mehrere Möglichkeiten. Eine ist, mit einer Armbewegung über die Seite zu beginnen, zuerst nur ein wenig, mit jeder Wiederholung ein Stück weiter. Dann folgt zum Aufwärmen ein Vinyāsa z. B. aus dem Kniestand. Im Zentrum der Stunde steht ein Āsana, bei dem die Einatmung leicht erfahrbar ist. Eine Rückbeuge, sagen wir die Schulterbrücke, dvipāda pīṭham. Sie wird zur Vorbereitung zunächst dynamisch geübt, im Anschluss folgen Varianten, die eine Weitung im Brustkorb erleichtern, die Einatmung intensivieren können. Erreichbar ist dies beispielsweise dadurch, dass man folgenden Weg in das Āsana wählt:
In der Ausgangs­position liegen die Arme dicht am Körper. Mit der Einatmung werden Gesäß und Rücken angehoben. Erst mit der zweiten Einatmung werden zusätzlich die Arme hinter den Kopf bewegt. Es folgen Wiederholungen, in denen die Statik bis zu drei Atemzüge verlängert wird. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Bewegung des Brustkorbs bei der Einatmung. Sie kann durch kurze Pausen nach der Einatemphase intensiviert werden.
Für das Ausruhen und Nachspüren eignet sich am besten die Rückenlage. Als Ausgleich bietet sich eine Vorbeuge aus dem Vierfüßlerstand an. So entsteht ein Thema aus dem anderen. Im Zusammenhang mit einer solchen Praxis kann ich mir wiederum vorstellen – im weiteren Verlauf – etwas über die Ideen des Yoga zum Thema „Weite“ zu erzählen. Vielleicht in Kombination mit einer Reflexion darüber, was die TeilnehmerInnen selbst unter Weite verstehen, visualisieren. Sie könnten innere Bilder zu diesem Thema entstehen lassen, Landschaften: ein Blick auf das Meer, die Aussicht auf die sanften Hügel der Toskana oder die Weite des Himmels. Andere wiederum erinnern sich vielleicht an ein Gefühl innerer Weite, das sie nach einem erfolgreich gelösten Konflikt empfanden. Aus solchen Ideen entwickeln sich auch oft spannende Unterhaltungen. Sie machen den Unterricht interessant.
Aber längst nicht immer sind meine Stundenkonzepte so weitreichend. Manchmal mache ich es auch einfach so, dass ich mir für mehrere Wochen ein Āsana vornehme und es ihnen in verschiedenen Variationen vorstelle. Letztens hatten sich ein paar Teilnehmer etwa Drehungen gewünscht. Dann haben wir eben zeitweilig Drehungen geübt. Damit es abwechslungsreich bleibt, plane ich diese Stunden so, dass die gleichen Āsana zwar immer wieder auftauchen, aber in unterschiedlicher Intensität, dynamisch, statisch, mal mit Tönen, mal ohne Tönen und mit jeweils unterschiedlicher Vorbereitung. Die viele Abwechslung auch als Rücksicht auf die, die vielleicht gerade nicht so gerne Drehungen üben möchten.

Viveka
Was sind Deine Erfahrungen mit der Praxis von Atemtechniken in der Gruppe?

Elke Friederichsen
Da ist es wichtig zu unterscheiden. Was ich in jeder Gruppe früh einführe ist die Ujjāyī-Atmung. Diese erkläre ich in Abständen immer wieder, einerseits zur Erinnerung, aber natürlich auch für „Neue“ und für die, die sich damit schwertun. Grundsätzlich beschränke ich mich normalerweise auf die Regulation der Ausatmung. Die Betonung der Einatmung ist die Ausnahme und steht auch nie am Ende einer Stunde, das ist wichtig.
Nehmen wir das Beispiel, das ich vorher nannte, die Stunde zum Thema „Weite“. Nichts könnte in so einer Stunde das Erleben von Weite mehr erschweren als eine zu starke Betonung des Einatems. Die Erfahrung zeigt, dass es dadurch schnell zu übermäßiger Spannung, auch zu Beklemmungsgefühlen kommen kann. Und das wäre natürlich kontraproduktiv. Habe ich eine sehr Yoga-erfahrene Gruppe, die auch Lust auf Prāṇāyāma hat, experimentieren wir natürlich auch. Dann nehmen wir uns einfach mehr Zeit für die Atemübungen und ich bringe ihnen beispielsweise nāḍī śodhana (regulierte Nasenatmung) bei. Oder wir arbeiten auf ein bestimmtes Atemverhältnis hin. Die Regel ist das aber nicht. Sehr anschaulich finde ich auch das Konzept von apāna und prāṇa. Auch dieses mache ich in fortgeschrittenen Gruppen gelegentlich zum Thema. Vielen hilft die Idee davon, wie wir mit den entsprechenden Āsana und Prāṇāyāma die Atemräume, den Bauchbereich einerseits und den Brustbereich andererseits, gut erreichen können. Sehr bewährt hat sich in meinen Gruppen die Arbeit mit Tönen. In der Regel tönen die Leute gerne. Anfangs ist es manchen fremd, nach einer Weile finden sie es jedoch meistens sehr angenehm. Es erleichtert die Verbindung von Atem- und Körperbewegung ungemein. Passend finde ich es auch, zum Abschluss einer Stunde kleine Texte zu rezitieren, zu chanten. Es kann eine schöne Erfahrung sein, die eigene Stimme zusammen mit denen der anderen zu hören. Und Töne bringen Farbe in den Unterricht. Āsanas, die einem sehr vertraut sind, bekommen dadurch ganz andere Nuancen. Die Möglichkeiten sind unendlich. Diese Varianten binden die Aufmerksamkeit immer wieder aufs Neue. Und das ist es, was sie im Sinne von Yoga so wertvoll macht.

Viveka
Rezitierst Du mit Deinen Teilnehmern „OM“?

Elke Friederichsen
Ja, ich rezitiere mit ihnen „OM“. Genauso rezitiere ich mit ihnen aber auch „HRAM“, „MAM“, „MA“ oder andere Lautverbindungen. Diese Silben lassen sich einfach gut mit der Körperbewegung in Einklang bringen. Ich finde Tönen ein hervorragendes, hilfreiches Instrument, um die Arbeit mit Āsana abwechslungsreicher zu gestalten. Zu „OM“ erkläre ich meinen Teilnehmern jedoch schon, dass sich in diesem Wort der Hinduismus und der Yoga treffen. Hinduisten, die Yoga üben und dieses Wort rezitieren, richten sich damit ausdrücklich an ihren Gott, dass ich diese Silbe nicht in einem religiösen Sinne verwende ist mir wichtig zu erwähnen. Was natürlich nicht heißt, dass etwas dagegen spräche. Wer für sich „OM“ mit Gott verbinden möchte, ist natürlich frei, das zu tun.

Viveka
Bietest Du in der Gruppe auch Meditation an?

Elke Friederichsen
Manchmal mache ich Stunden, die ich „meditative Stunden“ nenne. An diesen Tagen steht ganz klar nicht der Körper im Vordergrund. Zwar bestehen auch diese Stunden hauptsächlich aus Āsanas, aber der Schwerpunkt ist ein anderer. Es müssen sehr vertraute, wenig anfordernde Abfolgen sein, die es ermöglichen, dass man während des Übens ganz bei der Atemführung sein kann. Die Wirkung solcher Stunden ist verblüffend. Die Leute sind in der Regel einfach ruhiger und fühlen sich besser als sonst.

Wenn wir immer davon sprechen, dass Yoga möglichst individuell auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sein muss, dann gilt das ganz besonders für die Meditation.

Und das bezieht sich sowohl auf den Zeitpunkt als auch auf die Auswahl des Meditationsobjektes. Die individuelle Begleitung durch einen Lehrer ist dabei besonders wichtig. Daher eignet sich Meditation grundsätzlich nicht so gut für den Gruppenunterricht. Kennt sich eine Gruppe jedoch gut, gibt es die Möglichkeit in diesem Rahmen sozusagen Kostproben davon zu geben, in welche Richtung man mit Reflexionen gehen kann. Das kann eine interessante Erfahrung sein. In der Regel leitet ein kurzes Prāṇāyāma eine solche Reflexion ein. Es hilft, einen gewissen Grad an Ausrichtung herzustellen. Als Themen für eine Meditation in der Gruppe eignen sich am ehesten sehr offene Begriffe. Außerdem ist es ratsam mehrere Möglichkeiten zu nennen. Etwa in dem man drei Begriffe zur Auswahl anbietet, z. B. Ruhe, Leichtigkeit, Stabilität. Und bei einem nächsten Mal waren es dann: Leichtigkeit, Stabilität, Fülle. Einer fiel weg und dafür kam ein neuer dazu. Eine andere Möglichkeit ist, Gegenstände zur Auswahl zu geben. Eine Feder, eine Blume oder Baumwollblüten. Man kann auch Themen benennen. So wie das Beispiel, das ich schon beschrieben habe: „Wie fühlt sich Weite an?“. Oder aber auch „Was ist Entspannung?“, „Was bedeutet für mich Lebensqualität?“.

Viveka
Machst Du mit Deinen Gruppen immer das gleiche Thema und den gleichen Stundenschwerpunkt?

Elke Friederichsen
Ja, jede Woche arbeite ich eine Stunde aus und schreibe sie auf. Für diese Grundstruktur nehme ich mir richtig viel Zeit, um gut vorbereitet zu sein. Abgesehen davon habe ich für die einzelnen Gruppen auch eine Idee in welche Richtung es in der nächsten Zeit mit ihnen gehen soll. Insofern sehen die Stunden nicht wirklich immer gleich aus.

Ich passe die Grundstruktur des Kurses an die jeweilige Gruppe an. Und an dem Tag selbst muss ich auch noch berücksichtigen in welcher Verfassung meine Teilnehmer gerade sind. Wie es ihnen geht, ob sie sehr müde sind. Dann kann es auch mal sein, dass ich etwas ganz anderes machen muss, als ich es mir vorgenommen hatte.

Und manchmal ist es auch einfach so, dass ich im Laufe einer Woche merke, dass meine Idee nicht trägt. Ich musste etwa letztens feststellen, tādāsana und „Weite“, das passt einfach nicht. Dann habe ich es in den nächsten Stunden eben weggelassen. Da verändert sich dann manchmal auch im Laufe der Woche noch etwas. Ich lerne ja auch, und meistens wird der Kurs dadurch nicht schwieriger, sondern einfacher. Da muss die Montagsgruppe manchmal leiden (lacht).

Viveka
Das heißt, Du variierst sehr viel?

Elke Friederichsen
Ja, aber immer auf der Basis von Planung. Manchmal entwickeln meine Teilnehmer ihre Stunde auch selbst. An solchen Tagen stelle ich mich an die Tafel und sage „Ich habe mich heute nicht vorbereitet, was schlagt Ihr vor?“. Und dann frage ich sie, ob sie im Liegen anfangen möchten oder im Stehen, wir gehen eines nach dem anderen durch. Das klappt richtig gut. Danach führe ich sie dann wie gewohnt durch die Stunde. Manchen gefällt das besonders gut, weil sie dann schon wissen, was auf sie zukommt, außerdem können sie mitgestalten. Natürlich gibt es auch immer welche, die das gar nicht so schön finden. Die wollen sich einfach hinlegen und etwas machen, ohne nachdenken zu müssen. Aber ich mache es trotzdem mit jeder Gruppe immer mal wieder. Auch wenn mir mal die Ideen ausgehen, das kommt schließlich auch vor. Aber ich finde es auch einfach wichtig, sie auf diese Weise einzubeziehen. Es macht sie kompetenter. Und es ist auch eine gute Gelegenheit über ihre Bedürfnisse und Erfahrungen ins Gespräch zu kommen.

Erfahren, worauf es ankommt

Viveka
Wenn ich Dich richtig verstehe, planst Du die Stunden nicht für ein paar Monate im Voraus?

Elke Friederichsen
Um Gottes willen, nein.

Viveka
Warum „um Gottes willen“?

Elke Friederichsen
Weil ich es schon einmal ausprobiert und meine Erfahrungen gemacht habe. Ganz zu Anfang dachte ich, man könne mit wenig anfordernden Stunden beginnen und sich dann langsam, aber stetig steigern, überspitzt gesagt: heute apānāsana, übermorgen Kopfstand. Das geht nicht. Es zeigt sich einfach, dass es im Unterrichten von Gruppen sehr viele Faktoren gibt, die sich ständig ändern können. Mit einem solchen Anspruch würden wir Unterrichtende das Leben unnötig schwer machen.
Abgesehen davon, fände ich es auch gar nicht erstrebenswert. Für mich ist es viel wichtiger, dass möglichst jeder meiner TeilnehmerInnen im Laufe der Zeit beim Üben von Āsana und Prāṇāyāma sich und seinen Körper besser kennenlernt und ein Bild davon bekommt, was Qualität bedeutet. Wie es sich für ihn persönlich anfühlt im Sinne von Yoga gut Āsana zu praktizieren. Versteh’ mich nicht falsch. Umsonst sind die vielen Gedanken, die wir uns immer wieder zur Stundengestaltung machen, nicht. „Was könnte jetzt dran sein?“ „Welcher andere Blickwinkel ist hilfreich?“ „Womit kann ich meine Teilnehmer überraschen?“

Kreativität ist bezogen auf die unterschiedlichen Themen und Āsana, die wir als Stundenschwerpunkt anvisieren, wichtig. Sie ist das Salz in der Suppe.

Sie trägt erheblich dazu bei, dass die Leute weiterhin Lust haben, zum Yoga zu kommen. Langfristig kommt es jedoch darauf an, dass parallel zu diesen Anreizen, dem Salz, auch der Rest der Suppe stimmt. Salz allein macht eben nicht den guten Geschmack aus, vom Nährwert ganz zu schweigen.

Viveka
Dann lass uns auf den guten Geschmack zu sprechen kommen.

Elke Friederichsen
Gerne. In all meinen Stunden habe ich das Bestreben, meinen Teilnehmern auf der Körperebene die Qualität von Stabilität und Leichtigkeit zu ermöglichen. Stabilität und Leichtigkeit, so wie es bei Patañjali im Yoga Sūtra mit den Begriffen sthira und sukha beschrieben wird. Und das geht nur, wenn ich einen Rahmen anbieten kann, in dem jedem/r ein möglichst passendes Maß an Anforderung zugemutet wird.
Ein Beispiel: Sagen wir, acht Menschen kommen zu mir in die Gruppe. Sie verstehen sich sehr gut. Aber trotz meiner Bemühungen, die Gruppe möglichst passend zusammenzustellen, ist es so, dass sie sehr unterschiedliche Anliegen bzw. Problembereiche haben. Da ist einer, der sich schon lange mit chronischem Rückenschmerz plagt. Eine Frau hat akut mit dem Rücken zu tun, sie hat zu schwer gehoben. Und eine andere Teilnehmerin muss vorsichtig mit ihren Knien sein. Der nächste leidet unter großer innerer Unruhe. Und dann ist da noch jemand, der weitgehend gesund ist und sich körperlich fordern möchte. Von den drei Übrigen weiß ich noch wenig, sie sind recht still. Solche oder ähnliche Situationen sind keine Seltenheit. Ich möchte darauf hinaus, dass man in solch einer Situation leicht Gefahr läuft, einer Fraktion zuzuarbeiten. Es gibt einfach Menschen, die gesund sind und Freude daran haben ihren Körper stark zu fordern. Andere sind gesund und fit, suchen beim Yoga jedoch nicht so sehr die Körperarbeit sondern genießen das Subtile. Wiederum müssen andere aus gesundheitlichen Gründen vorsichtig mit sich sein.
Wie will man dem gerecht werden? Das geht nur, indem man zunächst klärt – am besten noch vor der Stunde – wer akute Probleme hat und ihm im Laufe der Stunde Varianten anbietet oder sagt, was er nicht mitmachen sollte. Erlaubt es der Rahmen ist es darüber hinaus gut, denen, die mehr Anforderung verkraften und möchten, Hinweise zu geben, wie sie die Āsanas für sich intensivieren können. Ich versuche – so gut es geht – es so hinzubekommen, dass sich keine/r überfordert, die Praxis gleichzeitig aber für alle spannend genug ist, sodass sie bei der Sache bleiben können. Darin sehe ich die große Chance im Gruppen­un­terricht.

So können wir mit den gleichen Āsana unterschiedlichste Bedürfnisse weitgehend unter einen Hut bringen. Ob einer fragt: „Wie kann ich meinen Körper auf gesunde Weise fordern?“ „Wie lindere ich meine Beschwerden?“, oder „Was ist Yoga?“ – die Āsana, die wir in diesem Rahmen vorschlagen, können die gleichen sein.

Wichtig ist dass die Varianten angemessen fordern. Das ist die Grundlage. Wir können in der Gruppe keinen Einzelunterricht geben, das sollten wir auch nicht versuchen.

Aber durch die vielen Varianten, die wir von den Haltungen kennen, ist es möglich, ein Höchstmaß an individuellem Arbeiten in der Gruppe zu erreichen. Und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass dadurch auch jeder Einzelne seinem persönlichen Ziel näher kommt. Entscheidender als dieser kann kaum ein Schritt sein: Das eigene Maß ernst zu nehmen.

Funktionieren kann das freilich nur, wenn der Einzelne die für ihn möglichst passende Variante übt. Und das wiederum setzt voraus, dass wir die Varianten kennen, sie anbieten und auch einen Rahmen dafür schaffen, dass sich die SchülerInnen darauf einlassen können. Das gelingt nicht immer. Ich habe es mir deshalb zur Gewohnheit gemacht, immer wenn ich ein Thema abgeschlossen habe, das heißt nach vier, fünf Stunden, für mich einen Rückblick zu machen. Ich stelle mir dann die Leute vor und schaue mir an, wem ich nicht gerecht werden konnte, wo ich Bedürfnisse nicht berücksichtigen konnte. Das gibt mir wichtige Hinweise für die weitere Planung. Denn zu variieren bedeutet für mich auch, den gesamten Stundenaufbau mal mehr auf die einen, mal mehr auf die anderen auszurichten.
Dieses Konzept lässt sich natürlich nur mit kleinen Gruppen umsetzen und funktioniert immer besser, wenn eine Gruppe lange besteht. Dann ist es nämlich tatsächlich auch so, dass die körperlich Fitten, durch eine entsprechende Atemführung oder mehr Statik, mit dem gleichen Programm genauso auf ihre Kosten kommen können wie die, die hauptsächlich dynamisch üben.

© E. Friederichsen

Viveka
Du sagst „Einen Rahmen dafür schaffen, dass sie sich darauf einlassen können.“ Wie machst Du das?

Elke Friederichsen
Ich erkläre viel. Wenn Leute neu zu mir kommen, nutze ich immer die Gelegenheit, zu sagen, worauf es im Yoga ankommt. Ich sage ihnen, dass es nicht so sehr um die Quantität, sondern um die Qualität der Bewegung geht. Dass es im Yoga nicht so wichtig ist, gelenkiger zu werden. Dass es viel entscheidender ist, bei der Bewegung der Atem gut fließen zu lassen.

Viveka
Wie vermittelst Du die Qualität von Stabilität und Leichtigkeit?

Elke Friederichsen
Das benötigt Zeit. Der Atem ist ein wichtiges Kriterium. Aber gerade für Anfänger finde ich zwei andere Punkte sehr anschaulich und wichtig. Der Erste ist Schmerz. Er signalisiert eine Grenze, die wir nicht überschreiten sollten. Und der andere Punkt ist Stabilität. Jeder von uns kennt das. Wenn wir beim Üben wackelig werden – gleich in welchem Āsana – ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass da etwas mit dem Üben nicht stimmt. Bezogen auf die einzelnen Āsana ist es aber vor allem wichtig, ihre Konzepte so zu vermitteln, dass klar wird, worauf es ankommt.

Wie wir Āsana ansagen ist daher entscheidend.

Dabei gibt es für jedes Āsana bestimmte Aspekte, ohne deren Beachtung eine gute Praxis zu finden, kaum möglich ist. Diese Aspekte im Unterrichten gut und klar zu vermitteln, ist notwendig. Sie funktionieren wie Schlüssel ohne die sich ein Āsana nicht erschließen lässt.
Nehmen wir eine Rückbeuge aus der Bauchlage, bhujaṅgāsana. Die Aufforderung „mit der Rückbeuge hauptsächlich den oberen Rücken erreichen“, wäre zwar gut gemeint, ist aber schwer in die richtige Bewegung umsetzbar. Viel hilfreicher hingegen ist die Ansage „die Beine bleiben fest am Boden“. Ohne die Beine am Boden zu lassen, gibt es keine Chance, bhujaṅgāsana angemessen zu praktizieren. Wer die Beine am Boden lässt, wird beim Anheben des Oberkörpers in eine Rückbeuge gezwungen, die den oberen Rücken viel mehr erreicht, als wenn die Füße oder Beine vom Boden abheben.
Der Hinweis darauf, die Beine in festem Kontakt mit dem Boden zu halten ist also ein wichtiger Schlüssel, um besser im gesamten Rücken in Richtung Rückbeuge zu kommen. Und so gibt es für die meisten Āsana ähnliche Hin­wei­se, die uns auf klare und einfache Wei­se helfen, ihr Konzept zu erfüllen. Erklären muss ich aber auch in Situationen, in denen TeilnehmerInnen unbedingt Übungen mitmachen möchten, die ihnen schaden könnten. Das sind Punkte, an denen ich auch mal streng bin. Wenn mir Leute, die Rückenprobleme haben, sagen, sie möchten sich „aushängen“, also aus dem Stand heraus vollständig in die Vorbeuge gehen und dort einige Atemzüge bleiben, dann erkläre ich ihnen, warum das nicht sinnvoll ist. Ja, dass ihnen solch eine intensive Dehnung des unteren Rückens schließlich schaden wird, auch wenn sich das im Moment vielleicht gut anfühlen mag. In der Regel akzeptieren sie das dann auch.

Viveka
Und wenn Du ihnen das so erklärst, lassen sie das „Aushängen“ auch wirklich sein?

Elke Friederichsen
Meistens ja. Es gibt noch etwas anderes, das kann man vielleicht als Unterrichtskultur bezeichnen. Dazu gehört für mich ein vertrauensvoller Umgang miteinander und der kommt nicht von heute auf morgen. Meine TeilnehmerInnen haben es beispielsweise bei mir so kennengelernt, dass es vor der Stunde die Gelegenheit gibt, sich kurz darüber auszutauschen, was es Neues gibt. Das ist wichtig. So erfahre ich meist, ob es akute Probleme gibt – welcher Art auch immer – die berücksichtigt werden sollten. Und während der Stunde, das wissen sie auch, gehe ich herum und schaue, wo ich helfen kann. Nur weil meine SchülerInnen ein gewisses Vertrauen zu mir haben, nehmen sie meine Hinweise ernst. Genauso wichtig ist es mir jedoch, dass ich darauf vertrauen kann, dass sie meinen Anweisungen nicht einfach blind folgen. Sie wissen, dass es mir wichtig ist, dass sie selbst lernen einzuschätzen, wie weit sie gehen können. Und dass es – wenn sie einen schlechten Tag haben – okay ist, sich nach der Hälfte der Stunde in die Stufenlage zu legen und sich auszuruhen.

Wenn wir als Ziel vor Augen haben, dass in einer Gruppenstunde alle gemeinsam die gleiche Praxis üben, aber jeder auf seine Art, müssen wir unseren Teilnehmern Mut zum Anderssein machen, Mut dazu, individuell zu sein. Das bringt sie ihrem ganz persönlichen Ziel ein deutliches Stück näher.

Damit haben wir ganz nebenbei die Antwort auf unsere Anfangsfrage: Ein großes Ziel, Leichtigkeit, sukha, für alle – wo bleibt da das Individuelle? Ganz einfach: im Anpassen der Āsana an den Einzelnen. Es ist in der Tat so, dass die Antwort für unterschiedliche Fragen, die an Yoga gestellt werden, oft ähnlich aussehen.

Viveka
Wenn während der Stunde bei Dir Gespräche stattfinden, ist das mehr Er­fah­rungs­aus­tausch oder mehr Wissensvermittlung?

Elke Friederichsen
Wieder ein Beispiel. Manchmal reden wir darüber, wozu wir überhaupt Yoga üben. Das ergibt sich so. Einer sagt: „Ich weiß gar nicht, was die Wirkung von Yoga ist.“ Das ist auch schwierig zu sagen. Und dann greife ich die Frage auf und stelle sie an die anderen Teilnehmer: „Wie fühlt ihr Euch denn nach dem Üben?“ „Wie seid ihr hierhergekommen, wie geht Euch jetzt?“ Und dann stellt sich heraus, dass manche Unterschiede wahrnehmen, manche nicht, und so weiter. Ich würde sagen, Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung gehen ineinander über.

Viveka
Nimmst Du Dir in jeder Stunde die Zeit, solche Gespräche zu führen?

Elke Friederichsen
Nein. Ich rege dann zu Gesprächen an, wenn ich es für passend halte. Ich mache es einerseits von der Stimmung in der Gruppe abhängig, aber auch von meiner Stimmung, ob ich Lust darauf habe. In den Gruppen, in denen ich etwas mit Meditation experimentiere, frage ich hinterher oft richtig nach, reihum. Natürlich brauchen nur diejenigen etwas sagen, die das möchten; das wissen sie.

Manchmal werfe ich auch etwas in die Runde und je nachdem, wie darauf reagiert wird, merke ich, ob ich das noch ausführlicher zum Thema machen sollte oder nicht. Manchmal passt es richtig gut, sich gleich auszutauschen, wenn die Eindrücke noch ganz frisch sind. Aber oft finde ich es auch schöner, wenn sie einfach mit ihren eigenen Ideen im Kopf nach Hause gehen. Gerade nach einer Reflexion.

Häufig ist es besser, das gerade Erfahrene nicht breit zu treten. Dennoch ist mir der Kontakt wichtig. Deshalb frage ich auch oft nach. Das geht gut. Ich komme leicht mit Menschen in Kontakt. Aber ich ziehe auch Grenzen. Denn die einen erzählen gerne viel, anderen liegt das gar nicht. Da muss ich dann wieder aufpassen, der ganzen Gruppe gerecht zu werden. Es kommt auch vor, dass ich ein Gespräch abbreche. Wenn das passiert, ist das für manche Teilnehmer schwierig. Aber auch so etwas kann geklärt werden. Man muss wirklich vorsichtig sein. Denn in der Regel kommen Menschen ja nicht in erster Linie zum Yoga, um Selbsterfahrung auf dieser Ebene zu machen. Auch wenn Yoga ein wunderbares Mittel auch dafür ist. Wenn sich ein Austausch darüber entwickelt, finde ich das schön, aber es hat eben in diesem Rahmen auch bestimmte Grenzen. Es ist keine Therapie-Gruppe.

Viveka
Wenn Du das so beschreibst, halte ich den Anspruch an den Gruppenunterricht für sehr hoch. Wie kommst Du damit klar?

Elke Friederichsen
Natürlich spüre ich da auch manchmal meine Grenzen. Auch ich arbeite immer wieder daran, meine Pausen auch wirklich einzuhalten und mir meinen Urlaub rechtzeitig zu gönnen. Das ist auch ein wichtiger Punkt, den ich meinen Teilnehmern versuche zu vermitteln. Ich halte es für wichtig, dass man lernt, sich Auszeiten zu nehmen, Pausen, in denen man etwas für sich tut.

Viveka
Sind viele Deiner Gruppenschüler auch im Einzelunterricht?

Elke Friederichsen
Nur ein Bruchteil. Aber ich weiß, dass einige sich ihre Stunden selbst basteln, sehr wohl zu Hause üben und gar nicht weiter darüber sprechen. Deswegen mache ich es in größeren Abständen zum Thema. Nach den Ferien beispielsweise frage ich in der Regel, wer für sich zu Hause geübt hat und was. Mir ist es wichtig, einen Rahmen dafür zu schaffen, dass ich etwas darüber erfahre, was sie da tun. Wenn wir in der Gruppe darüber sprechen, hat das mehrere positive Effekte. Einmal motiviert das vielleicht auch andere, etwas für sich zu tun. Aber vor allem habe ich die Gelegenheit, grobe Fehler zu korrigieren und Ihnen ein paar mehr Kriterien an die Hand zu geben. Manchmal passiert das mehr nebenbei und manchmal ergibt es sich auch, dass wir in der Gruppe ausführlich gemeinsam darüber diskutieren, wie man was machen könnte. Ich lasse mir die drei, vier Übungen, die sie in der Regel machen, ansagen und schreibe sie an die Tafel.
Erst einmal sage ich immer, dass ich es toll finde, dass jemand überhaupt geübt hat. Und dann schauen wir, was im Einzelnen daran gut ist. Ich erkläre Ihnen ein wenig dazu. Beispielsweise, warum bhujaṅgāsana einen Ausgleich benötigt. Und dass ich die eine Übung etwas problematisch finde, weil jemand vielleicht gerade Nackenprobleme hat. Mir ist es wichtig, dass sie es verstehen. Dann schreibe ich den veränderten Kurs an die Tafel. Manche schreiben sich das ab und üben dann auch zu Hause. Die machen das dann vielleicht zweimal in der Woche. Ich finde das richtig gut.

Viveka
Elke, was hast Du beruflich gemacht, bevor Du Yogalehrerin wurdest?

Elke Friederichsen
Ich bin Diplompädagogin und Lehrerin, ursprünglich Kunstlehrerin. Ich habe lange als Lebenskundelehrerin gearbeitet. Lebenskunde ist ein Fach für Kinder, die nicht zum Religionsunterricht gehen. Aber ich habe nicht an einer Schule unterrichtet, sondern Seminare für Schüler angeboten. Und da ging es eigentlich immer um genau solche Themen, wie wir sie hier besprochen haben: Was kann man selbst dafür tun, damit es einem besser geht. Ich kann mich erinnern, ein Seminarthema – damals für Schüler – hieß direkt „Wünsche an ein besseres Leben“. Und da drehte es sich auch darum, wie man solche Wünsche stückweise wahr werden lassen kann. Du siehst, es ist genau das Anliegen, das ich heute mit Yoga zu ermöglichen versuche. Nur dass ich damals eben mit Fotografie, Videofilmen, Malen und Theater gearbeitet habe. Ich habe die Mittel gewechselt. ▼

Das könnte dich auch interessieren:
Dieser Artikel ist ursprünglich
erschienen in

Sich wohlfühlen

Auch im Yoga-Gruppenunterricht richten sich die Ziele immer danach, mit welchen Anliegen die einzelnen Teilnehmer­Innen kommen. Und so unterschiedlich Menschen sind, so unterschiedlich sind auch die Bedürfnisse, Interessen und Probleme, die sie zum Yoga bringen. Manche möchten sich einfach mehr bewegen, andere haben Interesse an Yoga an sich, wiederum andere drängen körperliche Beschwerden, der Rücken, die Knie, innere Unruhe. Den einen ist der gemeinsame Treffpunkt beim Yoga wichtig, andere kommen hauptsächlich in die Gruppen, weil sie zu Hause für sich allein nicht üben. Aus dieser Vielfalt können sich Gruppen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten herausbilden.

Viveka
Elke, wie sehen Deine Gruppen aus?

Elke Friederichsen
Ich habe ausschließlich fortlaufende Kurse. Im Schnitt sind es sechs bis acht TeilnehmerInnen. Die größte Gruppe besteht aus zehn. Die Zusammensetzung ist sehr unterschiedlich, was Alter, Interesse und Bedürfnis angeht. In einer Gruppe am Dienstagvormittag gibt es viele, die Rückenprobleme haben. Das ist eine ganz gemischte Gruppe, die älteste Frau ist fünfundsiebzig Jahre, aber auch eine ganz junge ist dabei, ein Kinderpsychotherapeut, eine Arbeitslose, eine Psychologin. Sie verstehen sich alle sehr gut und reden auch viel untereinander. Und sie sind sehr interessiert. Mit ihnen kann ich viel machen, obwohl sie teilweise starke körperliche Einschränkungen haben. Und dass es morgens stattfindet ist natürlich auch toll, weil sie nicht so müde sind und auch mal länger sitzen können.
Eine andere Gruppe habe ich seit acht Jahren. Bei Ihnen ist es eher so, dass sie sich einfach etwas Gutes tun möchten, Neues ist für sie nicht so wichtig und auch Gespräche finden da nicht so viel statt. Am Ende der Stunde hängen sie immer am liebsten so „richtig in den Seilen“. Etwas in Richtung Entspannung mache ich dann auch fast jedes Mal mit ihnen.
Dann habe ich noch eine Gruppe für HIV-Betroffene. In den Jahren hat sich ein besonderes Gemeinschaftsgefühl zwischen den Leuten entwickelt. Sie sind richtig fürsorglich zueinander, das ist auch für mich sehr schön. Und donnerstagabends kommen Interessierte, Junge, die auch viel über Yoga wissen wollen. Sie kommen mit Fragen wie „Was ist Yoga überhaupt?“, „Was sind die Ziele?“.

Viveka
Hattest Du diese Schwerpunkte so geplant?

Elke Friederichsen
Nein, das hat sich mit der Zeit so ergeben. Bei der Gruppe, die sich so sehr für Yoga-Konzepte interessiert, war es ganz einfach so, dass mal ein paar Jüngere dazu gekommen sind. Sie waren enorm begeistert vom Yoga und auch offen für Experimente. In dieser Gruppe kann ich jetzt mehr ausprobieren. Dadurch findet mehr Austausch während der Stunde statt. Sie fragen mich Löcher in den Bauch und ich erfahre auch viel von ihnen. So unterschiedlich kann das sein. In anderen Gruppen wird viel weniger geredet, da mache ich einfach mehr das, von dem ich denke, dass es ihnen guttut.

Yoga Gruppenkurs mit vajrāsana
© E. Friederichsen

Viveka
Menschen kommen mit so unterschiedlichen Wünsche zum Yoga. Wie lässt sich das unter einen Hut bringen?

Elke Friederichsen
Ja, sie kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wie zuvor erwähnt, manchmal ist es bloße Neugierde, manchmal großes Leid. Aber es ist auch nicht selten, dass sie gar nicht so genau benennen, was sie beim Yoga suchen, sie möchten es einfach ausprobieren.

Ziel im Unterrichten von Gruppen für mich ist generell, Menschen eine Erfahrung zu ermöglichen, die sie einfach ruhiger und zufriedener nach Hause gehen lassen. Sie sollen sich hier wohlfühlen. Es ist mir ein Anliegen, dass es ihnen nach der Praxis besser geht, dass sie sich in ihrer Haut etwas wohler fühlen, entspannter.

Gelungen finde ich eine Stunde, wenn ihr Stresspegel hinterher etwas niedriger ist und sie die nächsten Tage vielleicht teilweise besser meistern können, ganz einfach. Und genau diese Art von Erfahrungen ist es in der Regel auch, die sie motiviert, die Woche darauf wiederzukommen.

Viveka
Aber kommen sie auch ihren persönlichen Zielen damit wirklich näher?

Elke Friederichsen
Es ist natürlich so, dass der individuellen Yoga-Arbeit in der Gruppe deutlich Grenzen gesetzt sind. Das „ganz Persönliche“ lässt sich nur im Einzelunterricht berücksichtigen. Und die Möglichkeiten, etwas wirklich zu verändern, sind wesentlich größer, wenn jemand regelmäßig für sich zu Hause übt. Wir wissen aber auch, dass die Wirkung von Yoga im Gruppenunterricht eine ganz besondere ist, und das ist nicht zu unterschätzen.
Erst einmal ist es mir wichtig zu betonen, dass das vorher genannte, grob gesagt der Abstand vom Alltagsstress, ein in vielen Fällen und – wie ich finde – legitimer Grund ist, warum viele Menschen zum Yoga kommen. Ich möchte Ihnen dabei helfen. Das mag so klingen, als habe ich mir damit mein Ziel recht niedrig gehängt, aber das sehe ich nicht so. Immerhin können die in der Gruppe gemachten Erfahrungen die Grundlage dafür sein, dass jeder einzelne Teilnehmer seine persönlichen Wünsche und Ziele in Angriff nimmt. Wenn es mir in der Gruppensituation gelingt, dass die meisten Teilnehmer nach der Stunde mit einem besseren Gefühl als vorher nach Hause gehen, dann finde ich das sehr viel.
Der Yoga nennt dieses Ziel sukha, ein anderes Wort für Weite, Leichtigkeit. Es ist aus dem Sanskrit und bezeichnet das Gegenteil von Enge, Leid (duḥkha). Auf der Körperebene sowie auf den Geist bezogen bedeutet es mehr Wohlbefinden, Erleichterung. Ich möchte nicht ausschließen, dass auch im Gruppenunterricht weitergehende Ziele wie Selbsterfahrung und inneres Wachstum möglich sind. Aber so etwas entsteht in der Regel erst nachdem eine Gruppe längere Zeit zusammen ist und sich jede/r Einzelne mehr auf Yoga eingelassen hat. Kennt sich eine Gruppe lang genug, lassen sich in diesem Rahmen beispielsweise auch anspruchsvollere Prāṇāyāma-Techniken, ansatzweise Meditation oder Ideen aus Yoga-Konzepten vermitteln. Aber für dieses „Mehr“ gibt es eben Voraussetzungen.
Manche Teilnehmer haben das starke Bedürfnis, mehr über Yoga zu erfahren. Im normalen Gruppen­unterricht kann ich das allerdings immer nur ansatzweise einfließen lassen. Zumal nicht immer alle daran interessiert sind. Deswegen biete ich jetzt mit einer Kollegin zusammen sogenannte Übungstage an, an denen wir bestimmte Yogathemen für Interessierte anhand des Yoga Sūtra vertiefen können. Es ist ein Versuch, diesem Wunsch nach mehr Wissen über Yoga als Weg der Weiterentwicklung gerecht zu werden. Aber natürlich muss die Entwicklung einer Gruppe nicht in diese Richtung gehen. Wohin die Reise geht zeigt sich erst mit der Zeit.

Eines steht jedoch fest: Einen für Yoga-Erfahrungen geeigneten Rahmen anzubieten, das ist ein Versprechen, welches wir in der Yoga-Gruppe wirklich einlösen können. Dieser Rahmen ist die Stärke des Gruppenunterrichts. Er unterstützt den Einzelnen.

Viele TeilnehmerInnen äußern, dass es ihnen richtig wichtig ist in einer Gruppe Yoga zu üben. Es gibt sogar welche, die darauf bestehen, möglichst in der größten Gruppe zu sein. Manche motiviert das einfach sehr. Anderen wiederum fällt es lediglich schwer, für sich allein zu Hause zu üben und der Termin einmal wöchentlich hilft ihnen, sich zu disziplinieren.

Die Vorteile von Gruppenunterricht sind vielfältig; ein Aspekt liegt mir jedoch ganz besonders am Herzen. Genauso wichtig wie die Yoga-Praxis finde ich die Begegnung, den Austausch untereinander, den sozialen Kontakt.

Es ist wunderbar: Hier treffen sich Menschen un­ter­schiedlichster Berufsgruppen. Und es kommen auch Leute, die einsam sind. Sie freuen sich, auf Gleichgesinnte zu treffen, die einander zuhören, mit denen sie auch Spaß haben können. Die meisten kennen sich inzwischen recht gut und wenn sie sich hier sehen, reden sie beim Umziehen erst einmal eine Runde über den Urlaub, über Mode … Oft gehen sie nach dem Yoga auch noch zusammen weg. Das ist das Schöne an kleinen Gruppen. Wenn sie längere Zeit bestehen, kann das einen familiären Charakter haben, etwas von einem Zuhause. Das finde ich eine wichtige Qualität, das kann es so im Einzelunterricht nicht geben. Ich weiß, dass viele meiner Teilnehmer es genießen, wenigstens einmal die Woche einfach umsorgt zu werden. Einige von ihnen sind Lehrer, Mütter, Therapeuten, Beamte. Sie haben selber viel mit Menschen zu tun, für die sie mehr oder weniger den ganzen Tag da sind. So gesehen bin ich für sie auch ein bisschen Mama. Sie empfinden es als schön, dass ich mich um sie kümmere. Und ich mache das gerne. Yoga unterrichten ist auch Zuwendung geben.

Dranbleiben

Viveka
Wonach wählst Du die Stunden­themen aus?

Elke Friederichsen
Meistens ist es so, dass sich die Themen im Austausch mit den Gruppen im Laufe der Zeit ergeben. Ich bekomme allmählich mit, was ihnen Spaß macht, worauf sie neugierig sind. Und darauf versuche ich einzugehen. Ein anderes Mal mache ich gezielt etwas, von dem ich weiß, dass sie es noch gar nicht kennen. Hauptkriterium ist für mich dabei immer, dass es für sie machbar und interessant bleiben muss. Gerade weil wir in den Gruppen so unterschiedliche Menschen haben, kann man generell sagen, dass Abwechslung gut ist. Schließlich muss für jeden etwas dabei sein. Einfach auch um das Interesse am Yoga wachzuhalten. Das heißt natürlich nicht, dass ich jedes Mal etwas komplett Neues mache. Von einem Thema lasse ich mich in der Regel vier bis fünf Stunden leiten. Oft ent­wickelt sich daraus dann das Nächste.
Manchmal hat das, was ich mir aussuche, auch einfach etwas mit mir zu tun. Damit, worauf ich gerade Lust habe. Letzten Sommer z. B. habe ich mich selbst viel bewegt, habe viel Yoga gemacht und einfach Spaß an Übungsreihen und an dem Wechsel von Vor- und Rückbeugen gehabt. Das habe ich dann zum Anlass genommen, meinen Gruppen nach der Sommerpause einfach auch viele körperlich bewegte Stunden anzubieten. Das habe ich nicht groß angekündigt, es war für mich eine Linie, anhand derer ich meine Stundenplanung gemacht habe.

Viveka
Was für Kurse waren das?

Elke Friederichsen
Ich habe viel mit Vinyāsas gearbeitet, das heißt mit Āsana-Kombinationen. Sei es aus dem Kniestand oder aus dem Stehen heraus, aber auch mal im Liegen. Diese wurden immer variiert und mit anderen kombiniert, auch so, dass die Teilnehmer, die körperlich sehr forderndere Āsana mögen, auch mal „in die Vollen gehen“ konnten. Im Anschluss an die Vinyāsa kamen dann noch Rück- und Vorbeugen im Wechsel und zum Ende der Stunde, in sehr einfachen Bewegungen, die Betonung der Ausatmung oder aber auch ein kleines Prāṇāyāma. Die Betonung der Ausatmung am Ende der Stunde ist bei den Gruppen, die abends stattfinden besonders wichtig. Ich möchte nicht, dass sie zu sehr angeregt werden. Aus dieser Idee ist dann eine neue entstanden – wie, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Es gab dann einfache Stunden, in denen die Āsanas nicht so sehr im Mittelpunkt standen. Das Thema war dann „Weite“. Weite ist im Yoga eine wichtige Qualität, sowohl auf der Körper- als auch auf der Geistesebene.

Yoga Gruppenkurs mit vīrabhadrāsana
© E. Friederichsen

Viveka
Wie sieht eine solche Stunde genau aus?

Elke Friederichsen
Es gibt natürlich immer mehrere Möglichkeiten. Eine ist, mit einer Armbewegung über die Seite zu beginnen, zuerst nur ein wenig, mit jeder Wiederholung ein Stück weiter. Dann folgt zum Aufwärmen ein Vinyāsa z. B. aus dem Kniestand. Im Zentrum der Stunde steht ein Āsana, bei dem die Einatmung leicht erfahrbar ist. Eine Rückbeuge, sagen wir die Schulterbrücke, dvipāda pīṭham. Sie wird zur Vorbereitung zunächst dynamisch geübt, im Anschluss folgen Varianten, die eine Weitung im Brustkorb erleichtern, die Einatmung intensivieren können. Erreichbar ist dies beispielsweise dadurch, dass man folgenden Weg in das Āsana wählt:
In der Ausgangs­position liegen die Arme dicht am Körper. Mit der Einatmung werden Gesäß und Rücken angehoben. Erst mit der zweiten Einatmung werden zusätzlich die Arme hinter den Kopf bewegt. Es folgen Wiederholungen, in denen die Statik bis zu drei Atemzüge verlängert wird. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Bewegung des Brustkorbs bei der Einatmung. Sie kann durch kurze Pausen nach der Einatemphase intensiviert werden.
Für das Ausruhen und Nachspüren eignet sich am besten die Rückenlage. Als Ausgleich bietet sich eine Vorbeuge aus dem Vierfüßlerstand an. So entsteht ein Thema aus dem anderen. Im Zusammenhang mit einer solchen Praxis kann ich mir wiederum vorstellen – im weiteren Verlauf – etwas über die Ideen des Yoga zum Thema „Weite“ zu erzählen. Vielleicht in Kombination mit einer Reflexion darüber, was die TeilnehmerInnen selbst unter Weite verstehen, visualisieren. Sie könnten innere Bilder zu diesem Thema entstehen lassen, Landschaften: ein Blick auf das Meer, die Aussicht auf die sanften Hügel der Toskana oder die Weite des Himmels. Andere wiederum erinnern sich vielleicht an ein Gefühl innerer Weite, das sie nach einem erfolgreich gelösten Konflikt empfanden. Aus solchen Ideen entwickeln sich auch oft spannende Unterhaltungen. Sie machen den Unterricht interessant.
Aber längst nicht immer sind meine Stundenkonzepte so weitreichend. Manchmal mache ich es auch einfach so, dass ich mir für mehrere Wochen ein Āsana vornehme und es ihnen in verschiedenen Variationen vorstelle. Letztens hatten sich ein paar Teilnehmer etwa Drehungen gewünscht. Dann haben wir eben zeitweilig Drehungen geübt. Damit es abwechslungsreich bleibt, plane ich diese Stunden so, dass die gleichen Āsana zwar immer wieder auftauchen, aber in unterschiedlicher Intensität, dynamisch, statisch, mal mit Tönen, mal ohne Tönen und mit jeweils unterschiedlicher Vorbereitung. Die viele Abwechslung auch als Rücksicht auf die, die vielleicht gerade nicht so gerne Drehungen üben möchten.

Viveka
Was sind Deine Erfahrungen mit der Praxis von Atemtechniken in der Gruppe?

Elke Friederichsen
Da ist es wichtig zu unterscheiden. Was ich in jeder Gruppe früh einführe ist die Ujjāyī-Atmung. Diese erkläre ich in Abständen immer wieder, einerseits zur Erinnerung, aber natürlich auch für „Neue“ und für die, die sich damit schwertun. Grundsätzlich beschränke ich mich normalerweise auf die Regulation der Ausatmung. Die Betonung der Einatmung ist die Ausnahme und steht auch nie am Ende einer Stunde, das ist wichtig.
Nehmen wir das Beispiel, das ich vorher nannte, die Stunde zum Thema „Weite“. Nichts könnte in so einer Stunde das Erleben von Weite mehr erschweren als eine zu starke Betonung des Einatems. Die Erfahrung zeigt, dass es dadurch schnell zu übermäßiger Spannung, auch zu Beklemmungsgefühlen kommen kann. Und das wäre natürlich kontraproduktiv. Habe ich eine sehr Yoga-erfahrene Gruppe, die auch Lust auf Prāṇāyāma hat, experimentieren wir natürlich auch. Dann nehmen wir uns einfach mehr Zeit für die Atemübungen und ich bringe ihnen beispielsweise nāḍī śodhana (regulierte Nasenatmung) bei. Oder wir arbeiten auf ein bestimmtes Atemverhältnis hin. Die Regel ist das aber nicht. Sehr anschaulich finde ich auch das Konzept von apāna und prāṇa. Auch dieses mache ich in fortgeschrittenen Gruppen gelegentlich zum Thema. Vielen hilft die Idee davon, wie wir mit den entsprechenden Āsana und Prāṇāyāma die Atemräume, den Bauchbereich einerseits und den Brustbereich andererseits, gut erreichen können. Sehr bewährt hat sich in meinen Gruppen die Arbeit mit Tönen. In der Regel tönen die Leute gerne. Anfangs ist es manchen fremd, nach einer Weile finden sie es jedoch meistens sehr angenehm. Es erleichtert die Verbindung von Atem- und Körperbewegung ungemein. Passend finde ich es auch, zum Abschluss einer Stunde kleine Texte zu rezitieren, zu chanten. Es kann eine schöne Erfahrung sein, die eigene Stimme zusammen mit denen der anderen zu hören. Und Töne bringen Farbe in den Unterricht. Āsanas, die einem sehr vertraut sind, bekommen dadurch ganz andere Nuancen. Die Möglichkeiten sind unendlich. Diese Varianten binden die Aufmerksamkeit immer wieder aufs Neue. Und das ist es, was sie im Sinne von Yoga so wertvoll macht.

Viveka
Rezitierst Du mit Deinen Teilnehmern „OM“?

Elke Friederichsen
Ja, ich rezitiere mit ihnen „OM“. Genauso rezitiere ich mit ihnen aber auch „HRAM“, „MAM“, „MA“ oder andere Lautverbindungen. Diese Silben lassen sich einfach gut mit der Körperbewegung in Einklang bringen. Ich finde Tönen ein hervorragendes, hilfreiches Instrument, um die Arbeit mit Āsana abwechslungsreicher zu gestalten. Zu „OM“ erkläre ich meinen Teilnehmern jedoch schon, dass sich in diesem Wort der Hinduismus und der Yoga treffen. Hinduisten, die Yoga üben und dieses Wort rezitieren, richten sich damit ausdrücklich an ihren Gott, dass ich diese Silbe nicht in einem religiösen Sinne verwende ist mir wichtig zu erwähnen. Was natürlich nicht heißt, dass etwas dagegen spräche. Wer für sich „OM“ mit Gott verbinden möchte, ist natürlich frei, das zu tun.

Viveka
Bietest Du in der Gruppe auch Meditation an?

Elke Friederichsen
Manchmal mache ich Stunden, die ich „meditative Stunden“ nenne. An diesen Tagen steht ganz klar nicht der Körper im Vordergrund. Zwar bestehen auch diese Stunden hauptsächlich aus Āsanas, aber der Schwerpunkt ist ein anderer. Es müssen sehr vertraute, wenig anfordernde Abfolgen sein, die es ermöglichen, dass man während des Übens ganz bei der Atemführung sein kann. Die Wirkung solcher Stunden ist verblüffend. Die Leute sind in der Regel einfach ruhiger und fühlen sich besser als sonst.

Wenn wir immer davon sprechen, dass Yoga möglichst individuell auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sein muss, dann gilt das ganz besonders für die Meditation.

Und das bezieht sich sowohl auf den Zeitpunkt als auch auf die Auswahl des Meditationsobjektes. Die individuelle Begleitung durch einen Lehrer ist dabei besonders wichtig. Daher eignet sich Meditation grundsätzlich nicht so gut für den Gruppenunterricht. Kennt sich eine Gruppe jedoch gut, gibt es die Möglichkeit in diesem Rahmen sozusagen Kostproben davon zu geben, in welche Richtung man mit Reflexionen gehen kann. Das kann eine interessante Erfahrung sein. In der Regel leitet ein kurzes Prāṇāyāma eine solche Reflexion ein. Es hilft, einen gewissen Grad an Ausrichtung herzustellen. Als Themen für eine Meditation in der Gruppe eignen sich am ehesten sehr offene Begriffe. Außerdem ist es ratsam mehrere Möglichkeiten zu nennen. Etwa in dem man drei Begriffe zur Auswahl anbietet, z. B. Ruhe, Leichtigkeit, Stabilität. Und bei einem nächsten Mal waren es dann: Leichtigkeit, Stabilität, Fülle. Einer fiel weg und dafür kam ein neuer dazu. Eine andere Möglichkeit ist, Gegenstände zur Auswahl zu geben. Eine Feder, eine Blume oder Baumwollblüten. Man kann auch Themen benennen. So wie das Beispiel, das ich schon beschrieben habe: „Wie fühlt sich Weite an?“. Oder aber auch „Was ist Entspannung?“, „Was bedeutet für mich Lebensqualität?“.

Viveka
Machst Du mit Deinen Gruppen immer das gleiche Thema und den gleichen Stundenschwerpunkt?

Elke Friederichsen
Ja, jede Woche arbeite ich eine Stunde aus und schreibe sie auf. Für diese Grundstruktur nehme ich mir richtig viel Zeit, um gut vorbereitet zu sein. Abgesehen davon habe ich für die einzelnen Gruppen auch eine Idee in welche Richtung es in der nächsten Zeit mit ihnen gehen soll. Insofern sehen die Stunden nicht wirklich immer gleich aus.

Ich passe die Grundstruktur des Kurses an die jeweilige Gruppe an. Und an dem Tag selbst muss ich auch noch berücksichtigen in welcher Verfassung meine Teilnehmer gerade sind. Wie es ihnen geht, ob sie sehr müde sind. Dann kann es auch mal sein, dass ich etwas ganz anderes machen muss, als ich es mir vorgenommen hatte.

Und manchmal ist es auch einfach so, dass ich im Laufe einer Woche merke, dass meine Idee nicht trägt. Ich musste etwa letztens feststellen, tādāsana und „Weite“, das passt einfach nicht. Dann habe ich es in den nächsten Stunden eben weggelassen. Da verändert sich dann manchmal auch im Laufe der Woche noch etwas. Ich lerne ja auch, und meistens wird der Kurs dadurch nicht schwieriger, sondern einfacher. Da muss die Montagsgruppe manchmal leiden (lacht).

Viveka
Das heißt, Du variierst sehr viel?

Elke Friederichsen
Ja, aber immer auf der Basis von Planung. Manchmal entwickeln meine Teilnehmer ihre Stunde auch selbst. An solchen Tagen stelle ich mich an die Tafel und sage „Ich habe mich heute nicht vorbereitet, was schlagt Ihr vor?“. Und dann frage ich sie, ob sie im Liegen anfangen möchten oder im Stehen, wir gehen eines nach dem anderen durch. Das klappt richtig gut. Danach führe ich sie dann wie gewohnt durch die Stunde. Manchen gefällt das besonders gut, weil sie dann schon wissen, was auf sie zukommt, außerdem können sie mitgestalten. Natürlich gibt es auch immer welche, die das gar nicht so schön finden. Die wollen sich einfach hinlegen und etwas machen, ohne nachdenken zu müssen. Aber ich mache es trotzdem mit jeder Gruppe immer mal wieder. Auch wenn mir mal die Ideen ausgehen, das kommt schließlich auch vor. Aber ich finde es auch einfach wichtig, sie auf diese Weise einzubeziehen. Es macht sie kompetenter. Und es ist auch eine gute Gelegenheit über ihre Bedürfnisse und Erfahrungen ins Gespräch zu kommen.

Erfahren, worauf es ankommt

Viveka
Wenn ich Dich richtig verstehe, planst Du die Stunden nicht für ein paar Monate im Voraus?

Elke Friederichsen
Um Gottes willen, nein.

Viveka
Warum „um Gottes willen“?

Elke Friederichsen
Weil ich es schon einmal ausprobiert und meine Erfahrungen gemacht habe. Ganz zu Anfang dachte ich, man könne mit wenig anfordernden Stunden beginnen und sich dann langsam, aber stetig steigern, überspitzt gesagt: heute apānāsana, übermorgen Kopfstand. Das geht nicht. Es zeigt sich einfach, dass es im Unterrichten von Gruppen sehr viele Faktoren gibt, die sich ständig ändern können. Mit einem solchen Anspruch würden wir Unterrichtende das Leben unnötig schwer machen.
Abgesehen davon, fände ich es auch gar nicht erstrebenswert. Für mich ist es viel wichtiger, dass möglichst jeder meiner TeilnehmerInnen im Laufe der Zeit beim Üben von Āsana und Prāṇāyāma sich und seinen Körper besser kennenlernt und ein Bild davon bekommt, was Qualität bedeutet. Wie es sich für ihn persönlich anfühlt im Sinne von Yoga gut Āsana zu praktizieren. Versteh’ mich nicht falsch. Umsonst sind die vielen Gedanken, die wir uns immer wieder zur Stundengestaltung machen, nicht. „Was könnte jetzt dran sein?“ „Welcher andere Blickwinkel ist hilfreich?“ „Womit kann ich meine Teilnehmer überraschen?“

Kreativität ist bezogen auf die unterschiedlichen Themen und Āsana, die wir als Stundenschwerpunkt anvisieren, wichtig. Sie ist das Salz in der Suppe.

Sie trägt erheblich dazu bei, dass die Leute weiterhin Lust haben, zum Yoga zu kommen. Langfristig kommt es jedoch darauf an, dass parallel zu diesen Anreizen, dem Salz, auch der Rest der Suppe stimmt. Salz allein macht eben nicht den guten Geschmack aus, vom Nährwert ganz zu schweigen.

Viveka
Dann lass uns auf den guten Geschmack zu sprechen kommen.

Elke Friederichsen
Gerne. In all meinen Stunden habe ich das Bestreben, meinen Teilnehmern auf der Körperebene die Qualität von Stabilität und Leichtigkeit zu ermöglichen. Stabilität und Leichtigkeit, so wie es bei Patañjali im Yoga Sūtra mit den Begriffen sthira und sukha beschrieben wird. Und das geht nur, wenn ich einen Rahmen anbieten kann, in dem jedem/r ein möglichst passendes Maß an Anforderung zugemutet wird.
Ein Beispiel: Sagen wir, acht Menschen kommen zu mir in die Gruppe. Sie verstehen sich sehr gut. Aber trotz meiner Bemühungen, die Gruppe möglichst passend zusammenzustellen, ist es so, dass sie sehr unterschiedliche Anliegen bzw. Problembereiche haben. Da ist einer, der sich schon lange mit chronischem Rückenschmerz plagt. Eine Frau hat akut mit dem Rücken zu tun, sie hat zu schwer gehoben. Und eine andere Teilnehmerin muss vorsichtig mit ihren Knien sein. Der nächste leidet unter großer innerer Unruhe. Und dann ist da noch jemand, der weitgehend gesund ist und sich körperlich fordern möchte. Von den drei Übrigen weiß ich noch wenig, sie sind recht still. Solche oder ähnliche Situationen sind keine Seltenheit. Ich möchte darauf hinaus, dass man in solch einer Situation leicht Gefahr läuft, einer Fraktion zuzuarbeiten. Es gibt einfach Menschen, die gesund sind und Freude daran haben ihren Körper stark zu fordern. Andere sind gesund und fit, suchen beim Yoga jedoch nicht so sehr die Körperarbeit sondern genießen das Subtile. Wiederum müssen andere aus gesundheitlichen Gründen vorsichtig mit sich sein.
Wie will man dem gerecht werden? Das geht nur, indem man zunächst klärt – am besten noch vor der Stunde – wer akute Probleme hat und ihm im Laufe der Stunde Varianten anbietet oder sagt, was er nicht mitmachen sollte. Erlaubt es der Rahmen ist es darüber hinaus gut, denen, die mehr Anforderung verkraften und möchten, Hinweise zu geben, wie sie die Āsanas für sich intensivieren können. Ich versuche – so gut es geht – es so hinzubekommen, dass sich keine/r überfordert, die Praxis gleichzeitig aber für alle spannend genug ist, sodass sie bei der Sache bleiben können. Darin sehe ich die große Chance im Gruppen­un­terricht.

So können wir mit den gleichen Āsana unterschiedlichste Bedürfnisse weitgehend unter einen Hut bringen. Ob einer fragt: „Wie kann ich meinen Körper auf gesunde Weise fordern?“ „Wie lindere ich meine Beschwerden?“, oder „Was ist Yoga?“ – die Āsana, die wir in diesem Rahmen vorschlagen, können die gleichen sein.

Wichtig ist dass die Varianten angemessen fordern. Das ist die Grundlage. Wir können in der Gruppe keinen Einzelunterricht geben, das sollten wir auch nicht versuchen.

Aber durch die vielen Varianten, die wir von den Haltungen kennen, ist es möglich, ein Höchstmaß an individuellem Arbeiten in der Gruppe zu erreichen. Und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass dadurch auch jeder Einzelne seinem persönlichen Ziel näher kommt. Entscheidender als dieser kann kaum ein Schritt sein: Das eigene Maß ernst zu nehmen.

Funktionieren kann das freilich nur, wenn der Einzelne die für ihn möglichst passende Variante übt. Und das wiederum setzt voraus, dass wir die Varianten kennen, sie anbieten und auch einen Rahmen dafür schaffen, dass sich die SchülerInnen darauf einlassen können. Das gelingt nicht immer. Ich habe es mir deshalb zur Gewohnheit gemacht, immer wenn ich ein Thema abgeschlossen habe, das heißt nach vier, fünf Stunden, für mich einen Rückblick zu machen. Ich stelle mir dann die Leute vor und schaue mir an, wem ich nicht gerecht werden konnte, wo ich Bedürfnisse nicht berücksichtigen konnte. Das gibt mir wichtige Hinweise für die weitere Planung. Denn zu variieren bedeutet für mich auch, den gesamten Stundenaufbau mal mehr auf die einen, mal mehr auf die anderen auszurichten.
Dieses Konzept lässt sich natürlich nur mit kleinen Gruppen umsetzen und funktioniert immer besser, wenn eine Gruppe lange besteht. Dann ist es nämlich tatsächlich auch so, dass die körperlich Fitten, durch eine entsprechende Atemführung oder mehr Statik, mit dem gleichen Programm genauso auf ihre Kosten kommen können wie die, die hauptsächlich dynamisch üben.

© E. Friederichsen

Viveka
Du sagst „Einen Rahmen dafür schaffen, dass sie sich darauf einlassen können.“ Wie machst Du das?

Elke Friederichsen
Ich erkläre viel. Wenn Leute neu zu mir kommen, nutze ich immer die Gelegenheit, zu sagen, worauf es im Yoga ankommt. Ich sage ihnen, dass es nicht so sehr um die Quantität, sondern um die Qualität der Bewegung geht. Dass es im Yoga nicht so wichtig ist, gelenkiger zu werden. Dass es viel entscheidender ist, bei der Bewegung der Atem gut fließen zu lassen.

Viveka
Wie vermittelst Du die Qualität von Stabilität und Leichtigkeit?

Elke Friederichsen
Das benötigt Zeit. Der Atem ist ein wichtiges Kriterium. Aber gerade für Anfänger finde ich zwei andere Punkte sehr anschaulich und wichtig. Der Erste ist Schmerz. Er signalisiert eine Grenze, die wir nicht überschreiten sollten. Und der andere Punkt ist Stabilität. Jeder von uns kennt das. Wenn wir beim Üben wackelig werden – gleich in welchem Āsana – ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass da etwas mit dem Üben nicht stimmt. Bezogen auf die einzelnen Āsana ist es aber vor allem wichtig, ihre Konzepte so zu vermitteln, dass klar wird, worauf es ankommt.

Wie wir Āsana ansagen ist daher entscheidend.

Dabei gibt es für jedes Āsana bestimmte Aspekte, ohne deren Beachtung eine gute Praxis zu finden, kaum möglich ist. Diese Aspekte im Unterrichten gut und klar zu vermitteln, ist notwendig. Sie funktionieren wie Schlüssel ohne die sich ein Āsana nicht erschließen lässt.
Nehmen wir eine Rückbeuge aus der Bauchlage, bhujaṅgāsana. Die Aufforderung „mit der Rückbeuge hauptsächlich den oberen Rücken erreichen“, wäre zwar gut gemeint, ist aber schwer in die richtige Bewegung umsetzbar. Viel hilfreicher hingegen ist die Ansage „die Beine bleiben fest am Boden“. Ohne die Beine am Boden zu lassen, gibt es keine Chance, bhujaṅgāsana angemessen zu praktizieren. Wer die Beine am Boden lässt, wird beim Anheben des Oberkörpers in eine Rückbeuge gezwungen, die den oberen Rücken viel mehr erreicht, als wenn die Füße oder Beine vom Boden abheben.
Der Hinweis darauf, die Beine in festem Kontakt mit dem Boden zu halten ist also ein wichtiger Schlüssel, um besser im gesamten Rücken in Richtung Rückbeuge zu kommen. Und so gibt es für die meisten Āsana ähnliche Hin­wei­se, die uns auf klare und einfache Wei­se helfen, ihr Konzept zu erfüllen. Erklären muss ich aber auch in Situationen, in denen TeilnehmerInnen unbedingt Übungen mitmachen möchten, die ihnen schaden könnten. Das sind Punkte, an denen ich auch mal streng bin. Wenn mir Leute, die Rückenprobleme haben, sagen, sie möchten sich „aushängen“, also aus dem Stand heraus vollständig in die Vorbeuge gehen und dort einige Atemzüge bleiben, dann erkläre ich ihnen, warum das nicht sinnvoll ist. Ja, dass ihnen solch eine intensive Dehnung des unteren Rückens schließlich schaden wird, auch wenn sich das im Moment vielleicht gut anfühlen mag. In der Regel akzeptieren sie das dann auch.

Viveka
Und wenn Du ihnen das so erklärst, lassen sie das „Aushängen“ auch wirklich sein?

Elke Friederichsen
Meistens ja. Es gibt noch etwas anderes, das kann man vielleicht als Unterrichtskultur bezeichnen. Dazu gehört für mich ein vertrauensvoller Umgang miteinander und der kommt nicht von heute auf morgen. Meine TeilnehmerInnen haben es beispielsweise bei mir so kennengelernt, dass es vor der Stunde die Gelegenheit gibt, sich kurz darüber auszutauschen, was es Neues gibt. Das ist wichtig. So erfahre ich meist, ob es akute Probleme gibt – welcher Art auch immer – die berücksichtigt werden sollten. Und während der Stunde, das wissen sie auch, gehe ich herum und schaue, wo ich helfen kann. Nur weil meine SchülerInnen ein gewisses Vertrauen zu mir haben, nehmen sie meine Hinweise ernst. Genauso wichtig ist es mir jedoch, dass ich darauf vertrauen kann, dass sie meinen Anweisungen nicht einfach blind folgen. Sie wissen, dass es mir wichtig ist, dass sie selbst lernen einzuschätzen, wie weit sie gehen können. Und dass es – wenn sie einen schlechten Tag haben – okay ist, sich nach der Hälfte der Stunde in die Stufenlage zu legen und sich auszuruhen.

Wenn wir als Ziel vor Augen haben, dass in einer Gruppenstunde alle gemeinsam die gleiche Praxis üben, aber jeder auf seine Art, müssen wir unseren Teilnehmern Mut zum Anderssein machen, Mut dazu, individuell zu sein. Das bringt sie ihrem ganz persönlichen Ziel ein deutliches Stück näher.

Damit haben wir ganz nebenbei die Antwort auf unsere Anfangsfrage: Ein großes Ziel, Leichtigkeit, sukha, für alle – wo bleibt da das Individuelle? Ganz einfach: im Anpassen der Āsana an den Einzelnen. Es ist in der Tat so, dass die Antwort für unterschiedliche Fragen, die an Yoga gestellt werden, oft ähnlich aussehen.

Viveka
Wenn während der Stunde bei Dir Gespräche stattfinden, ist das mehr Er­fah­rungs­aus­tausch oder mehr Wissensvermittlung?

Elke Friederichsen
Wieder ein Beispiel. Manchmal reden wir darüber, wozu wir überhaupt Yoga üben. Das ergibt sich so. Einer sagt: „Ich weiß gar nicht, was die Wirkung von Yoga ist.“ Das ist auch schwierig zu sagen. Und dann greife ich die Frage auf und stelle sie an die anderen Teilnehmer: „Wie fühlt ihr Euch denn nach dem Üben?“ „Wie seid ihr hierhergekommen, wie geht Euch jetzt?“ Und dann stellt sich heraus, dass manche Unterschiede wahrnehmen, manche nicht, und so weiter. Ich würde sagen, Erfahrungsaustausch und Wissensvermittlung gehen ineinander über.

Viveka
Nimmst Du Dir in jeder Stunde die Zeit, solche Gespräche zu führen?

Elke Friederichsen
Nein. Ich rege dann zu Gesprächen an, wenn ich es für passend halte. Ich mache es einerseits von der Stimmung in der Gruppe abhängig, aber auch von meiner Stimmung, ob ich Lust darauf habe. In den Gruppen, in denen ich etwas mit Meditation experimentiere, frage ich hinterher oft richtig nach, reihum. Natürlich brauchen nur diejenigen etwas sagen, die das möchten; das wissen sie.

Manchmal werfe ich auch etwas in die Runde und je nachdem, wie darauf reagiert wird, merke ich, ob ich das noch ausführlicher zum Thema machen sollte oder nicht. Manchmal passt es richtig gut, sich gleich auszutauschen, wenn die Eindrücke noch ganz frisch sind. Aber oft finde ich es auch schöner, wenn sie einfach mit ihren eigenen Ideen im Kopf nach Hause gehen. Gerade nach einer Reflexion.

Häufig ist es besser, das gerade Erfahrene nicht breit zu treten. Dennoch ist mir der Kontakt wichtig. Deshalb frage ich auch oft nach. Das geht gut. Ich komme leicht mit Menschen in Kontakt. Aber ich ziehe auch Grenzen. Denn die einen erzählen gerne viel, anderen liegt das gar nicht. Da muss ich dann wieder aufpassen, der ganzen Gruppe gerecht zu werden. Es kommt auch vor, dass ich ein Gespräch abbreche. Wenn das passiert, ist das für manche Teilnehmer schwierig. Aber auch so etwas kann geklärt werden. Man muss wirklich vorsichtig sein. Denn in der Regel kommen Menschen ja nicht in erster Linie zum Yoga, um Selbsterfahrung auf dieser Ebene zu machen. Auch wenn Yoga ein wunderbares Mittel auch dafür ist. Wenn sich ein Austausch darüber entwickelt, finde ich das schön, aber es hat eben in diesem Rahmen auch bestimmte Grenzen. Es ist keine Therapie-Gruppe.

Viveka
Wenn Du das so beschreibst, halte ich den Anspruch an den Gruppenunterricht für sehr hoch. Wie kommst Du damit klar?

Elke Friederichsen
Natürlich spüre ich da auch manchmal meine Grenzen. Auch ich arbeite immer wieder daran, meine Pausen auch wirklich einzuhalten und mir meinen Urlaub rechtzeitig zu gönnen. Das ist auch ein wichtiger Punkt, den ich meinen Teilnehmern versuche zu vermitteln. Ich halte es für wichtig, dass man lernt, sich Auszeiten zu nehmen, Pausen, in denen man etwas für sich tut.

Viveka
Sind viele Deiner Gruppenschüler auch im Einzelunterricht?

Elke Friederichsen
Nur ein Bruchteil. Aber ich weiß, dass einige sich ihre Stunden selbst basteln, sehr wohl zu Hause üben und gar nicht weiter darüber sprechen. Deswegen mache ich es in größeren Abständen zum Thema. Nach den Ferien beispielsweise frage ich in der Regel, wer für sich zu Hause geübt hat und was. Mir ist es wichtig, einen Rahmen dafür zu schaffen, dass ich etwas darüber erfahre, was sie da tun. Wenn wir in der Gruppe darüber sprechen, hat das mehrere positive Effekte. Einmal motiviert das vielleicht auch andere, etwas für sich zu tun. Aber vor allem habe ich die Gelegenheit, grobe Fehler zu korrigieren und Ihnen ein paar mehr Kriterien an die Hand zu geben. Manchmal passiert das mehr nebenbei und manchmal ergibt es sich auch, dass wir in der Gruppe ausführlich gemeinsam darüber diskutieren, wie man was machen könnte. Ich lasse mir die drei, vier Übungen, die sie in der Regel machen, ansagen und schreibe sie an die Tafel.
Erst einmal sage ich immer, dass ich es toll finde, dass jemand überhaupt geübt hat. Und dann schauen wir, was im Einzelnen daran gut ist. Ich erkläre Ihnen ein wenig dazu. Beispielsweise, warum bhujaṅgāsana einen Ausgleich benötigt. Und dass ich die eine Übung etwas problematisch finde, weil jemand vielleicht gerade Nackenprobleme hat. Mir ist es wichtig, dass sie es verstehen. Dann schreibe ich den veränderten Kurs an die Tafel. Manche schreiben sich das ab und üben dann auch zu Hause. Die machen das dann vielleicht zweimal in der Woche. Ich finde das richtig gut.

Viveka
Elke, was hast Du beruflich gemacht, bevor Du Yogalehrerin wurdest?

Elke Friederichsen
Ich bin Diplompädagogin und Lehrerin, ursprünglich Kunstlehrerin. Ich habe lange als Lebenskundelehrerin gearbeitet. Lebenskunde ist ein Fach für Kinder, die nicht zum Religionsunterricht gehen. Aber ich habe nicht an einer Schule unterrichtet, sondern Seminare für Schüler angeboten. Und da ging es eigentlich immer um genau solche Themen, wie wir sie hier besprochen haben: Was kann man selbst dafür tun, damit es einem besser geht. Ich kann mich erinnern, ein Seminarthema – damals für Schüler – hieß direkt „Wünsche an ein besseres Leben“. Und da drehte es sich auch darum, wie man solche Wünsche stückweise wahr werden lassen kann. Du siehst, es ist genau das Anliegen, das ich heute mit Yoga zu ermöglichen versuche. Nur dass ich damals eben mit Fotografie, Videofilmen, Malen und Theater gearbeitet habe. Ich habe die Mittel gewechselt. ▼

Das könnte dich auch interessieren:
Dieser Artikel ist ursprünglich
erschienen in
Weitere artikel aus der Themensammlung: Yogapraxis

Viveka Āsana-Finder

Du suchst gezielt nach einem bestimmten Āsana; möchtest mehr erfahren und wissen, ob es dazu einen Artikel auf Viveka gibt?

Klicke im Finder einfach auf die entsprechende Grafik oder wähle im ĀSANA-FILTER ein Thema, um eine Auswahl angezeigt zu bekommen.
Success!
This is a success message.
Error
This is an error message.