Diese Artikelreihe widmet sich ganz der Yogapraxis.
Egal, ob du mehr über Meditation oder Prāṇāyāma erfahren möchtest, fundierte Informationen zu einzelnen Āsana suchst oder dich für bestimmte Zielgruppen interessierst – hier wirst du fündig!
Äußere Veränderungen waren schon immer eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Yogas.
Unter der Überschrift Tradition – Yoga im Wandel findest du daher nicht nur Artikel zu Hintergrund, Geschichte und wichtigen traditionellen Texten und Schriften, sondern auch Beiträge, die sich unter dem Stichwort TravellingYoga mit Veränderungen und notwendigen Anpassungen im Yoga auseinandersetzen.
Man sollte den Namen nicht zu ernst nehmen: Jānuśīrṣāsana ist auch für diejenigen ein interessantes Āsana, die weit davon entfernt sind, in dieser Vorbeuge mit dem Kopf – śīrṣā – das Knie – jānu – zu erreichen.
Im Gegenteil, das Bedürfnis, das Knie unbedingt mit der Stirn berühren zu wollen, erweist sich immer wieder als Haupthindernis für die korrekte Ausübung dieser Haltung. Dennoch trägt das jānuśīrṣāsana seinen Namen natürlich nicht umsonst: Es beschreibt, was mit großer körperlicher Beweglichkeit erreichbar ist.
Warum es aber nicht sinnvoll ist, mit unserem Körper alles zu machen, was er kann, und warum zur Beurteilung einer Āsanapraxis andere Maßstäbe benötigt werden als nur die Orientierung an einer Form, ist eines der Themen dieses Artikels. Er unternimmt neben der wie gewohnt ausführlichen Diskussion des Āsana selbst auch einen kleinen Ausflug hin zur Frage, wie sich die Rückseite der Beine am besten und risikoärmsten dehnen lässt.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: Informationen zur Aussprache und Schreibweise der verwendeten Sanskrit-Begriffe findest Du im Bereich Fragen und Antworten.
Jānuśīrṣāsana
Man sollte den Namen nicht zu ernst nehmen: Jānuśīrṣāsana ist auch für diejenigen ein interessantes Āsana, die weit davon entfernt sind, in dieser Vorbeuge mit dem Kopf – śīrṣā – das Knie – jānu – zu erreichen.
Im Gegenteil, das Bedürfnis, das Knie unbedingt mit der Stirn berühren zu wollen, erweist sich immer wieder als Haupthindernis für die korrekte Ausübung dieser Haltung. Dennoch trägt das jānuśīrṣāsana seinen Namen natürlich nicht umsonst: Es beschreibt, was mit großer körperlicher Beweglichkeit erreichbar ist.
Warum es aber nicht sinnvoll ist, mit unserem Körper alles zu machen, was er kann, und warum zur Beurteilung einer Āsanapraxis andere Maßstäbe benötigt werden als nur die Orientierung an einer Form, ist eines der Themen dieses Artikels. Er unternimmt neben der wie gewohnt ausführlichen Diskussion des Āsana selbst auch einen kleinen Ausflug hin zur Frage, wie sich die Rückseite der Beine am besten und risikoärmsten dehnen lässt.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: Informationen zur Aussprache und Schreibweise der verwendeten Sanskrit-Begriffe findest Du im Bereich Fragen und Antworten.
Jānuśīrṣāsana
Man sollte den Namen nicht zu ernst nehmen: Jānuśīrṣāsana ist auch für diejenigen ein interessantes Āsana, die weit davon entfernt sind, in dieser Vorbeuge mit dem Kopf – śīrṣā – das Knie – jānu – zu erreichen.
Im Gegenteil, das Bedürfnis, das Knie unbedingt mit der Stirn berühren zu wollen, erweist sich immer wieder als Haupthindernis für die korrekte Ausübung dieser Haltung. Dennoch trägt das jānuśīrṣāsana seinen Namen natürlich nicht umsonst: Es beschreibt, was mit großer körperlicher Beweglichkeit erreichbar ist.
Warum es aber nicht sinnvoll ist, mit unserem Körper alles zu machen, was er kann, und warum zur Beurteilung einer Āsanapraxis andere Maßstäbe benötigt werden als nur die Orientierung an einer Form, ist eines der Themen dieses Artikels. Er unternimmt neben der wie gewohnt ausführlichen Diskussion des Āsana selbst auch einen kleinen Ausflug hin zur Frage, wie sich die Rückseite der Beine am besten und risikoärmsten dehnen lässt.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: Informationen zur Aussprache und Schreibweise der verwendeten Sanskrit-Begriffe findest Du im Bereich Fragen und Antworten.
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Referenzposition
Obwohl die am häufigsten beschriebene Form von jānuśīrṣāsana selten auf diese Weise geübt werden wird, eignet sie sich gut als Referenzposition (Abb. 1). Das eine Bein liegt angewinkelt am Boden. Das andere Bein ist nach vorn ausgestreckt. Der Oberkörper beugt sich über das gestreckte Bein. Dessen Fuß wird von beiden Händen am großen Zeh gefasst; die Stirn berührt das Bein.
Ausgehend von dieser Haltung lassen sich die unterschiedlichen Varianten ebenso wie die Problembereiche mit ihren Risiken einfach darstellen und diskutieren.
Varianten
Was jānuśīrṣāsana heute überhaupt erst zu einem praktikablen Āsana macht, sind die zahlreichen Varianten, die sich von der in Abb. 1 gezeigten Form zum Teil deutlich unterscheiden. Die beiden wichtigsten Veränderungen betreffen den Abstanddes Oberkörpers zum gestreckten Bein und den Grad der Streckung dieses Beins.
Wird der Oberkörper weniger nach vorn gebeugt, verändert sich natürlich auch die Position der Hände. Sind die Hände weit vorn, neigen wir dazu, den Körper so weit wie möglich (oft zu weit) nach unten zu beugen. Liegen die Hände hingegen weiter Richtung Becken, haben wir mehr Freiheit bei der Wahl der Oberkörperposition.
Deshalb kommt es beim Unterrichten von jānuśīrṣāsana sehr darauf an, ob eine konkrete Anweisung zum Auflegen der Hände gegeben und welche Position dabei vorgeschlagen wird. Wenn es also um das richtige Maß der Beugung geht, dann sollte auch die dafür notwendige Bewegungsfreiheit des Oberkörpers gegeben sein: Die Hände sollten dann nicht mehr die Zehen oder den Fuß umfassen, sondern näher zum Körper gebracht werden. (Abb. 2 - 5)
Wohin die Hände abgelegt werden, hat also einen großen Einfluss auf die Möglichkeit, das Maß der Vorbeuge frei zu wählen. In Abb. 2 liegen die Hände zum Beispiel neben den Knien am Boden. Der große Vorteil gegenüber einem Griff der Hände an Bein, Fuß oder Zehen: Die oft nötige Korrektur der Handposition ist leicht möglich, weil die Hände einfach nach vorn oder zum Körper hingeschoben werden können. Etwas mehr fixiert als in Abb. 2 ist die Haltung von jānuśīrṣāsana, wenn die Hände auf dem Bein abgelegt werden (Abb. 3). Als hilfreich (auch zur Vermeidung von Schulter- und Nackenverspannungen) hat sich die Verwendung einer Stütze erwiesen, die Hände werden darauf abgelegt. Gut geeignet ist dafür etwa ein Meditationsbänkchen (Abb. 4). Den gleichen Zweck wie ein Bänkchen erfüllt ein Hocker (Abb. 5). Bänkchen und Hocker lassen sich mit großem Gewinn auch für Schwangere und Menschen mit Leibesfülle verwenden.
Weitere Möglichkeiten:
Auch wenn ihr Einsatz nur selten sinnvoll ist, sollen hier trotzdem einige Möglichkeiten gezeigt werden, die Anforderungen in jānuśīrṣāsana gegenüber der Referenzposition weiter zu steigern.
Eine intensivere Dehnung der Körperrückseite wird verlangt, wenn die Hände gefaltet um den vorderen Fuß gelegt werden (Abb. 6). Ähnlich schwierig: Der vordere Fuß wird an den Zehen mit der einen Hand gefasst und die andere Hand darauf abgelegt (Abb. 7). Noch intensiver: Die Handflächen werden dabei nach außen gedreht (Abb. 8).
Auch wenn die Hände auf dem Rücken, mit den Handflächen aneinander abgelegt werden, wird es schwieriger (Abb. 9). Eine weitere Möglichkeit, jānuśīrṣāsana zu variieren, ist die Veränderung der Hand- und Armhaltung. Durch das Ablegen nur eines Arms auf dem Rücken wird die Asymmetrie des Āsanas noch verstärkt: Eine interessante Variante, die neue Aufmerksamkeit schafft und Körperwahrnehmung und Koordinationsfähigkeit erfordert. (Abb. 10)
Der Grad der Streckung des vorderen Beins.
Ebenso wichtig wie die richtige Haltung des Oberkörpers ist die Entscheidung, wie weit das vordere Bein gestreckt wird. Für die meisten Übenden ist die richtige Position für jānuśīrṣāsana nur dann zu finden, wenn dieses Bein im Knie mehr oder weniger leicht gebeugt ist (Abb. 11). Das Beharren auf der Beinstreckung ist einer der am häufigsten beobachteten Fehler beim Üben dieses Āsana. Dazu später mehr unter Problembereiche und Risiken.
Der Grad der Streckung des vorderen Beins, die Handhaltung und die Haltung des Oberkörpers sind drei große Variationsmöglichkeiten von jānuśīrṣāsana. Sie sollten in der Praxis auf vielfältige Weise miteinander kombiniert werden.
Wenig sinnvoll ist jedoch die Kombination, bei der das vordere Bein gebeugt wird und gleichzeitig die Hände die Zehen greifen. (Abb. 12). Das Āsana verliert dadurch zu viel an Stabilität.
Wenn das Bein gebeugt wird, ist es besser, die Hände neben dem Bein auf dem Boden abzulegen (Abb. 13). Auch das Auflegen der Hände auf das Schienbein (Abb. 14) oder das Knie (Abb. 15) bringt mehr Stabilität als das Greifen der Zehen. Manchmal ist es sinnvoll, das gebeugte Bein mit einer Rolle unter dem Knie zu stützen (Abb. 16). Die Haltung gewinnt so insgesamt größere Stabilität.
Die Sitzposition
Schließlich entscheidet noch ein dritter Faktor im Zusammenspiel mit der Position des Oberkörpers und dem Maß der Beinstreckung über ein gutes Gelingen von jānuśīrṣāsana: die als Ausgangsposition gewählte Sitzhaltung.
Deutlich mehr Freiheit gewinnt der Körper durch das Sitzen auf einer Unterlage (Abb. 17). Dies gilt gleichermaßen bei gestrecktem wie bei angebeugtem vorderem Bein.
Schließlich kann jānuśīrṣāsana auch vom Hocker aus geübt werden (Abb. 18 und 19). Der Vorteil dieser Variante ist zweifach:
die Außenrotation des zur Seite hin abgewinkelten Beins ist auf ein Minimum reduziert
die Freiheit des Oberkörpers in der Vorbeuge, ist größer als in jeder anderen Variante
So ist es nicht verwunderlich, dass in dieser von außen so einfach erscheinenden Form des jānuśīrṣāsana viele Übende die intensivsten und nachhaltigsten Erfahrungen machen. Denn trotz der großen Vereinfachung bleibt auch hier das Wesentliche des Āsanas erhalten: die Öffnung des Beckens und die asymmetrische Vorbeuge. Mehr noch: Viele Übende erreichen den Kern dieses Āsanas überhaupt erst in dieser Form.
Zuweilen kann es sinnvoll sein, das nach außen gedrehte Knie abzustützen (Abb. 20).
Eine besondere Variante lässt sich mit zwei Hockern realisieren (Abb. 21). Die Anforderungen an Hüfte und Knie des angewinkelten Beins sind hier deutlich geringer als in der Referenzposition. Die Anforderungen an den Rücken und das gestreckte Bein bleiben dagegen nahezu unverändert.
Der Atem
Wie jede andere Vorbeuge auch bringt beim Üben von jānuśīrṣāsana die Ausatmung den Körper auf den Weg in die Haltung. Neben der üblichen Verbindung von Vorbeuge und Ausatmung (Abb. 22) kann der Weg in jānuśīrṣāsana durch eine besondere Atemführung auch anspruchsvoller gestaltet werden.
Eine interessante Erfahrung ermöglicht – ein entsprechend geübter Atem vorausgesetzt –, sich während der Atemverhaltung bei leerer Lunge nach vorn zu beugen (Abb. 23).
Eine große Aufmerksamkeit für die Atembewegung und ihre intensive Verbindung mit der Körperbewegung wird durch die Aufteilung der Ausatmung in mehrere Schritte erreicht. Diese Technik wird Krama genannt.
Abb. 24 zeigt beispielhaft die Aufteilung der Ausatmung in zwei Teile. Natürlich sind auch mehr Schritte möglich, allerdings sind dann die Anforderungen an die Atemführung und die Atemkapazität entsprechend höher.
Vinyāsa – Wege in die Übung
Es ist nicht einfach, die für die korrekte Ausführung von jānuśīrṣāsana notwendige Ausrichtung nach vorn immer beizubehalten. Das gilt primär schon für das Einnehmen der Ausgangsstellung selbst. Ohne die nötige Aufmerksamkeit und Sorgfalt verliert das Becken schnell seine richtige Position. Im Gegensatz zum Mahāmudrā sollte das Becken beim jānuśīrṣāsana möglichst nach vorn gerichtet bleiben (Abb. 25). Dadurch wird erreicht, dass sich die Wirbelsäule nur wenig dreht und sich nur leicht zur Seite neigt.
Der erste Schritt zu jānuśīrṣāsana ist die Wahl einer geeigneten Ausgangsstellung, in der das Becken nach vorn gerichtet ist. Sie orientiert sich an den Möglichkeiten der Übenden. Deshalb ist es sinnvoll, den Weg zum jānuśīrṣāsana von einer Position aus zu beginnen, in der das Becken nach vorn ausgerichtet ist (Abb. 26).
Von dort kann es dann in den folgenden Schritten weiter ins jānuśīrṣāsana gehen. Einige Beispiele zeigen die folgenden Abbildungen:
Ein Weg zum jānuśīrṣāsana führt über die Rückenstreckung mit erhobenen Armen in die Vorbeuge (Abb. 27). Einfach, aber für viele eine Einladung, den Rücken übermäßig zu krümmen: Die Hände schieben am Boden entlang nach vorn (Abb. 28).
Die Aufteilung des Weges zu jānuśīrṣāsana in einen oder mehrere Schritte verbessert nicht nur das Gefühl für die Übung. Sie führt auch zu einer besseren Position im Āsana selbst (Abb. 29).
Problembereiche und Risiken
Jānuśīrṣāsana ist eine der intensivsten Vorbeugen unter den Āsanas. Über die mit Vorbeugen verbundenen Risiken wurde in anderen Artikeln mehrfach berichtet. Unter anderem gilt auch heute noch: Zu viel Dehnung destabilisiert die betroffene Muskulatur und führt zu einem chronischen Ungleichgewicht, das schließlich zu Schmerzen und Funktionsstörungen führt.
Oberflächlich betrachtet erscheinen Vorbeugen oft harmlos, und die Betonung des Risikos kann leicht als übertriebene Vorsicht missverstanden werden.
Sicher geht es nicht darum, Vorbeugen völlig aus der Āsanapraxis zu verbannen. Sie sind ein wesentlicher Teil unserer Bewegungsmöglichkeiten. Es stellt sich also die Frage: Wie kann die Belastungsfähigkeit der doch oft so unterschiedlichen TeilnehmerInnen einer Gruppe richtig eingeschätzt werden?
Viele Kolleginnen und Kollegen lösen diese Schwierigkeit im Gruppenunterricht, indem sie bei der Gestaltung ihrer Stunden zwei Dinge beachten:
Zum einen vermeiden sie es, den Vorbeugen in ihrem Unterricht insgesamt zu viel Raum zu geben. Den meisten Menschen, die in den Yogaunterricht kommen, mangelt es hauptsächlich an der Aktivierung des Rückens. Sie profitieren körperlich am ehesten von einer Āsanapraxis, in der viel dynamische Bewegung und kraftvolles Üben, gerade auch das Rückbeugen immer wieder großen Raum einnehmen.
Zum anderen achten sie darauf, dass bei anspruchsvollen Vorbeugen kleine und überschaubare Schritte gewählt werden. Solche Schritte reduzieren einerseits das Risiko und ermöglichen andererseits die Wahrnehmung der eigenen Grenzen. Schließlich erleichtern sie das Korrigieren und Ausweichen in entsprechenden Varianten erheblich.
Neben dem unteren Rücken sind auch die Knie einer besonderen Belastung ausgesetzt – jānuśīrṣāsana erfordert eine starke Kniebeugung und Knierotation. Bei entsprechenden Knieproblemen ist daher Vorsicht geboten. Schließlich ist zu bedenken, dass jānuśīrṣāsana zu Verspannungen im Nackenbereich führen kann (Abb. 30).
Fehler beim Üben
Der häufigste Fehler beim Üben von jānuśīrṣāsana resultiert aus dem Bedürfnis, den Oberkörper möglichst weit nach vorn zu beugen, ohne die dafür notwendige Flexibilität zu besitzen. Das Ergebnis ist ein gekrümmter oberer Rücken und meist zu viel Spannung in Schultern und Nacken (Abb. 31).
Zu viel, zu weit, zu schnell – auch beim Üben von jānuśīrṣāsana sind diese Dränger für die meisten Fehler beim Üben verantwortlich. Vor allem die Vorstellung, man müsse in diesem Āsana mit dem Oberkörper möglichst weit nach vorn kommen oder gar mit der Stirn das Bein berühren, endet für die Übenden oft in bizarren Positionen: Der Rücken gekrümmt, die Schultern verkrampft, der Atem nicht fließend und die Aufmerksamkeit völlig absorbiert von der Spannung der gedehnten Muskulatur.
Diese ungünstige Körperhaltung kann vermieden werden (Abb. 32), durch
eine geeignete Sitzposition (evtl. Unterlage unter dem Gesäß, evtl. auch einen Hocker)
eine richtig gewählte Position der Hände (je näher am Körper, desto größer die Bewegungsfreiheit des Rückens und desto geringer die Tendenz, den Rücken zu krümmen)
einen Verzicht, das vordere Bein zu strecken
Beinstreckung verbessern – wie und wann sinnvoll?
Fragt man danach, was den Übenden beim Üben von jānuśīrṣāsana die größten Schwierigkeiten bereitet, so ist die Antwort eindeutig: Vor allem die Dehnfähigkeit der hinteren Beinmuskulatur entscheidet darüber, ob die Beugung des Oberkörpers nach vorn leicht oder nur mühsam gelingt. Um die Beugung zu verbessern, liegt es also nahe, die Dehnfähigkeit der Beinrückseite durch entsprechende Übungen zu forcieren.
Das klingt einfach, doch in der Praxis erweist sich die Arbeit an der Dehnung der Beinmuskulatur als recht komplexes und vielschichtiges Unterfangen.
Das liegt unter anderem daran, dass die Muskeln in unserem Körper nicht isoliert funktionieren und arbeiten. Vielmehr arbeiten bei jeder Bewegung zahlreiche Muskeln zu einer funktionellen Einheit zusammen. Dieses Zusammenspiel der Muskeln wird auch mit dem Begriff Muskelschlinge beschrieben (Abb. 33) Lehrbuch der Anatomie – Benninghoff
Eine solche Verbindung verschiedener Muskeln ist keine Frage des Willens oder der bewussten Koordination. Vielmehr handelt es sich um Bewegungsmuster und biomechanische Zusammenhänge, die sich nicht auflösen lassen. Das ist auch gut so, denn sonst wären wir nicht in der Lage, die millionenfache Koordination zu leisten, die bei jeder einfachen Bewegung notwendig ist: um im Gleichgewicht zu bleiben, um Bewegungen in der richtigen Geschwindigkeit, Intensität und Abfolge zu gestalten.
Was hat das alles mit der Beinstreckung zu tun?
Wenn wir die Beinrückseite dehnen, haben wir es nicht nur mit den Beinmuskeln zu tun, sondern mit einer großen Muskelschlinge, die auch beim Gehen und Stehen eine wichtige Rolle spielt. Sie zieht sich von den Beinen über das Gesäß nach oben und reicht bis in den Nacken. In unserem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass auch die Muskeln des unteren Rückens Teil dieser Muskelschlinge sind.
In der Praxis bedeutet dies, dass unter normalen Umständen beim Strecken der Beine immer auch der untere Rücken mitgestreckt wird.
Am einfachsten lässt sich dies bei einer Vorbeuge wie uttānāsana beobachten: Bleiben die Beine dabei gestreckt, kommt es nicht nur zu einer intensiven Dehnung der Beinrückseite. Es entsteht auch ein starker Zug auf den unteren Rücken. Wird die Streckung der Beine durch Beugen reduziert, verringert sich auch die Streckung des unteren Rückens.
Das Dehnen des unteren Rückens ist also eine heikle Angelegenheit. Während leichtes Dehnen die Muskeln von Verspannungen und Verkrampfungen befreit, wird gerade die Muskulatur des unteren Rückens durch zu intensives Dehnen letztlich destabilisiert. Dies kann langfristig zu erheblichen Schäden führen. Davon zeugen etwa die massiven Rückenprobleme, mit denen viele Turnerinnen und Tänzerinnen in ihrem späteren Leben zu kämpfen haben. Wesentlich verantwortlich für diese Berufskrankheit ist die extreme Flexibilität, welche die Betroffenen nicht zuletzt durch die Erarbeitung einer extremen Dehnfähigkeit der Beinstrecker erreicht haben.
Die negativen Auswirkungen unbedachter Dehnung des unteren Rückens begegnet einem aber auch beim Yoga. Auch hier führt eine zu starke Betonung der Dehnung in den Vorbeugen immer wieder zu einer nachhaltigen Schädigung der Strukturen, die den unteren Rücken ausmachen. Dieses Risiko ist keine Frage der richtigen oder falschen inneren Haltung beim Üben und lässt sich auch nicht mit einfachen technischen Tricks in den Griff bekommen.
Festzuhalten ist: Bei der Arbeit mit der Beinmuskulatur sollte immer berücksichtigt werden, dass auch der untere Rücken in die Dehnung einbezogen wird. Zu viel Dehnung destabilisiert die lumbale zum Lendenbereich gehörend Haltemuskulatur.
Welche Konsequenzen hat dies nun für die Bewertung und den Einsatz der verschiedenen Möglichkeiten der Beindehnung? Weil die Schwerkraft dabei hilft, ist es am einfachsten, die Beine in der Vorbeuge aus dem Stand zu dehnen. Gleichzeitig ist diese Position mit dem höchsten Risiko für den unteren Rücken verbunden.
Je stärker die Beine gestreckt werden und je länger die Position gehalten wird, desto größer ist das Risiko.
Dynamische Übungen und das Beugen der Knie entlasten dagegen den unteren Rücken, reduzieren aber auch die Intensität der Dehnung.
Das Risiko bei Vorbeugen aus dem Stand wird deutlich reduziert, wenn die Hände auf einem Stuhl abgelegt werden (Abb. 34). Die Dehnung des unteren Rückens ist dadurch besser dosierbar, sogar eine Rückbeuge und damit eine weitgehende EntlastungimLendenwirbelbereich ist möglich (Abb. 35). Gleichzeitig ist der Zug der Schwerkraft auf den Oberkörper deutlich geringer.
Oft mühsamer als die Vorbeugen aus dem Stand, dafür aber um vieles risikoärmer gestaltet sich das Dehnen der Beine von der Rückenlage aus. Das liegt daran, dass in dieser Position der untere Rücken nur begrenzt in die Dehnung nach hinten einbezogen wird. Verwendung finden dabei zahlreiche Variationen von ūrdhva prasṛta pādāsana (Abb. 36 und Abb. 37)
Eine Intensivierung der Beindehnung ist durch das Festhalten eines Beines mit den Händen –supta pādāngushthāsana (Abb. 38) möglich. Bei großer Festigkeit in den Beinen kann auch die Verwendung eines Bandes oder Tuches von Nutzen sein.
Vorsicht ist geboten bei Varianten von paścimatānāsana, bei denen die Vorbeuge mit Hilfe der Armkraft forciert wird (Abb. 39). Die Belastung des unteren Rückens ist auch bei großer Achtsamkeit nur schwer zu kontrollieren. Das gilt in diesem Āsana auch, wenn der Rücken aufrecht gehalten wird (Abb. 39 rechts).
Schließlich kann man natürlich auch an Übungen denken, die mit Āsanas nicht viel zu tun haben, aber effektiv sind und in einer Risiko-Nutzen-Abwägung recht gut abschneiden (Abb. 40). Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass der Rücken wirklich aufrecht bleibt und sich nicht wie in Abb. 41 rundet.
Dabei sollte auch die Frage gestellt und beantwortet werden, wie viel Beindehnung notwendig und wie viel Beindehnung überhaupt möglich ist. Beispielsweise ist bei Menschen, die regelmäßig joggen oder ihre Beinmuskulatur anderweitig stark beanspruchen, eine Verbesserung der Beindehnung nur in sehr begrenztem Maße möglich. Und da der Grundtonus ihrer Beinmuskulatur von Natur aus sehr hoch ist, neigen sie leider noch schneller dazu, statt der Beine hauptsächlich den unteren Rücken zu (über)dehnen. Eine intensive Arbeit an der Dehnfähigkeit der Beine sollte also gut überlegt sein und kompetent angeleitet werden.
Die Vorbereitung – pūrvāṅga
Ein häufig gewählter Weg zum jānuśīrṣāsana führt über die Rückenstreckung mit erhobenen Armen in die Vorbeuge (Abb. 42).
Einfach, aber für viele eine Einladung zum übermäßigen Krümmen des Rückens: Die Hände schieben am Boden entlang nach vorn (Abb. 43).
Die Aufteilung des Weges zu jānuśīrṣāsana in ein oder mehrere Schritte bringt nicht nur eine Verbesserung des Gefühls für die Übung (Abb. 44). Sie führt auch zu einer besseren Position im Āsana selbst.
Kein Āsana sorgt für eine bessere Vorbereitung für jānuśīrṣāsana als die Vorbeuge aus dem Stand über ein Bein –pārśva uttānāsana. Es bietet nicht nur die im jānuśīrṣāsana verlangte asymmetrische Vorbeuge. Auch die Dehnung der Beinrückseiten und die Drehung der Hüfte sind ähnliche Anforderungen (Abb. 45). Ebenso können auch andere Vorbeugen in der Vorbereitung hilfreich sein, z. B. uttānāsana (Abb. 46).
Intensiver als es auf den ersten Blick erscheint, ist die Vorbeuge aus dem Fersensitz. Vor allem der untere Rücken wird hier ähnlich intensiv beansprucht wie in jānuśīrṣāsana (Abb. 47).
Zudem erfordert es eine intensive Kniebeugung. Schließlich wird es im Unterrichten von jānuśīrṣāsana zum Wichtigsten gehören, mit einfacheren Varianten die Schwierigeren gut vorzubereiten.
In den meisten Varianten von jānuśīrṣāsana wird von den Knien eine starke Rotation verlangt. Daher ist es hilfreich, wenn die Knie bei der Vorbereitung gut bewegt wurden. Eine schlichte Abwandlung von ūrdhva prasṛta pādāsana leistet hier gute Dienste (Abb. 48).
Der Ausgleich – pratikriyāsana
Als Ausgleich für jānuśīrṣāsana eignen sich Āsana wie die Schulterbrücke –dvipāda pīṭham– oder Abfolgen wie in Abb. 49 unten gezeigt.
Jānuśīrṣāsana im Gruppenkurs
Wegen seiner hohen Anforderungen nimmt jānuśīrṣāsana in einem Kurs meist eine zentrale Stellung ein. Als Ausgleich ist es ungeeignet, als Vorbereitung kann es eine Rolle für mahāmudrā und paścimatānāsana spielen (Abb. 50). Allerdings sind die Anforderungen, die jānuśīrṣāsana an Hüfte und Knie stellt, anders und deutlich größer als im paścimatānāsana.
Ein Kurs für Jānuśīrṣāsana
Hinweis: Die Abbildungen stehen lediglich für das Konzept der vorgeschlagenen Āsana und geben nicht die zu übende exakte äußere Form wieder. Wie ein Āsana auszuführen ist, hängt immer von den jeweils besonderen Gegebenheiten/Möglichkeiten der übenden Person ab. Auch die angegebene Zahl der Wiederholungen ist nur als Vorschlag zu verstehen. Ziel ist letztlich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Anzahl der Wiederholungen und der Zusammenstellung der einzelnen Vinyāsas zu finden.
Obwohl die am häufigsten beschriebene Form von jānuśīrṣāsana selten auf diese Weise geübt werden wird, eignet sie sich gut als Referenzposition (Abb. 1). Das eine Bein liegt angewinkelt am Boden. Das andere Bein ist nach vorn ausgestreckt. Der Oberkörper beugt sich über das gestreckte Bein. Dessen Fuß wird von beiden Händen am großen Zeh gefasst; die Stirn berührt das Bein.
Ausgehend von dieser Haltung lassen sich die unterschiedlichen Varianten ebenso wie die Problembereiche mit ihren Risiken einfach darstellen und diskutieren.
Varianten
Was jānuśīrṣāsana heute überhaupt erst zu einem praktikablen Āsana macht, sind die zahlreichen Varianten, die sich von der in Abb. 1 gezeigten Form zum Teil deutlich unterscheiden. Die beiden wichtigsten Veränderungen betreffen den Abstanddes Oberkörpers zum gestreckten Bein und den Grad der Streckung dieses Beins.
Wird der Oberkörper weniger nach vorn gebeugt, verändert sich natürlich auch die Position der Hände. Sind die Hände weit vorn, neigen wir dazu, den Körper so weit wie möglich (oft zu weit) nach unten zu beugen. Liegen die Hände hingegen weiter Richtung Becken, haben wir mehr Freiheit bei der Wahl der Oberkörperposition.
Deshalb kommt es beim Unterrichten von jānuśīrṣāsana sehr darauf an, ob eine konkrete Anweisung zum Auflegen der Hände gegeben und welche Position dabei vorgeschlagen wird. Wenn es also um das richtige Maß der Beugung geht, dann sollte auch die dafür notwendige Bewegungsfreiheit des Oberkörpers gegeben sein: Die Hände sollten dann nicht mehr die Zehen oder den Fuß umfassen, sondern näher zum Körper gebracht werden. (Abb. 2 - 5)
Wohin die Hände abgelegt werden, hat also einen großen Einfluss auf die Möglichkeit, das Maß der Vorbeuge frei zu wählen. In Abb. 2 liegen die Hände zum Beispiel neben den Knien am Boden. Der große Vorteil gegenüber einem Griff der Hände an Bein, Fuß oder Zehen: Die oft nötige Korrektur der Handposition ist leicht möglich, weil die Hände einfach nach vorn oder zum Körper hingeschoben werden können. Etwas mehr fixiert als in Abb. 2 ist die Haltung von jānuśīrṣāsana, wenn die Hände auf dem Bein abgelegt werden (Abb. 3). Als hilfreich (auch zur Vermeidung von Schulter- und Nackenverspannungen) hat sich die Verwendung einer Stütze erwiesen, die Hände werden darauf abgelegt. Gut geeignet ist dafür etwa ein Meditationsbänkchen (Abb. 4). Den gleichen Zweck wie ein Bänkchen erfüllt ein Hocker (Abb. 5). Bänkchen und Hocker lassen sich mit großem Gewinn auch für Schwangere und Menschen mit Leibesfülle verwenden.
Weitere Möglichkeiten:
Auch wenn ihr Einsatz nur selten sinnvoll ist, sollen hier trotzdem einige Möglichkeiten gezeigt werden, die Anforderungen in jānuśīrṣāsana gegenüber der Referenzposition weiter zu steigern.
Eine intensivere Dehnung der Körperrückseite wird verlangt, wenn die Hände gefaltet um den vorderen Fuß gelegt werden (Abb. 6). Ähnlich schwierig: Der vordere Fuß wird an den Zehen mit der einen Hand gefasst und die andere Hand darauf abgelegt (Abb. 7). Noch intensiver: Die Handflächen werden dabei nach außen gedreht (Abb. 8).
Auch wenn die Hände auf dem Rücken, mit den Handflächen aneinander abgelegt werden, wird es schwieriger (Abb. 9). Eine weitere Möglichkeit, jānuśīrṣāsana zu variieren, ist die Veränderung der Hand- und Armhaltung. Durch das Ablegen nur eines Arms auf dem Rücken wird die Asymmetrie des Āsanas noch verstärkt: Eine interessante Variante, die neue Aufmerksamkeit schafft und Körperwahrnehmung und Koordinationsfähigkeit erfordert. (Abb. 10)
Der Grad der Streckung des vorderen Beins.
Ebenso wichtig wie die richtige Haltung des Oberkörpers ist die Entscheidung, wie weit das vordere Bein gestreckt wird. Für die meisten Übenden ist die richtige Position für jānuśīrṣāsana nur dann zu finden, wenn dieses Bein im Knie mehr oder weniger leicht gebeugt ist (Abb. 11). Das Beharren auf der Beinstreckung ist einer der am häufigsten beobachteten Fehler beim Üben dieses Āsana. Dazu später mehr unter Problembereiche und Risiken.
Der Grad der Streckung des vorderen Beins, die Handhaltung und die Haltung des Oberkörpers sind drei große Variationsmöglichkeiten von jānuśīrṣāsana. Sie sollten in der Praxis auf vielfältige Weise miteinander kombiniert werden.
Wenig sinnvoll ist jedoch die Kombination, bei der das vordere Bein gebeugt wird und gleichzeitig die Hände die Zehen greifen. (Abb. 12). Das Āsana verliert dadurch zu viel an Stabilität.
Wenn das Bein gebeugt wird, ist es besser, die Hände neben dem Bein auf dem Boden abzulegen (Abb. 13). Auch das Auflegen der Hände auf das Schienbein (Abb. 14) oder das Knie (Abb. 15) bringt mehr Stabilität als das Greifen der Zehen. Manchmal ist es sinnvoll, das gebeugte Bein mit einer Rolle unter dem Knie zu stützen (Abb. 16). Die Haltung gewinnt so insgesamt größere Stabilität.
Die Sitzposition
Schließlich entscheidet noch ein dritter Faktor im Zusammenspiel mit der Position des Oberkörpers und dem Maß der Beinstreckung über ein gutes Gelingen von jānuśīrṣāsana: die als Ausgangsposition gewählte Sitzhaltung.
Deutlich mehr Freiheit gewinnt der Körper durch das Sitzen auf einer Unterlage (Abb. 17). Dies gilt gleichermaßen bei gestrecktem wie bei angebeugtem vorderem Bein.
Schließlich kann jānuśīrṣāsana auch vom Hocker aus geübt werden (Abb. 18 und 19). Der Vorteil dieser Variante ist zweifach:
die Außenrotation des zur Seite hin abgewinkelten Beins ist auf ein Minimum reduziert
die Freiheit des Oberkörpers in der Vorbeuge, ist größer als in jeder anderen Variante
So ist es nicht verwunderlich, dass in dieser von außen so einfach erscheinenden Form des jānuśīrṣāsana viele Übende die intensivsten und nachhaltigsten Erfahrungen machen. Denn trotz der großen Vereinfachung bleibt auch hier das Wesentliche des Āsanas erhalten: die Öffnung des Beckens und die asymmetrische Vorbeuge. Mehr noch: Viele Übende erreichen den Kern dieses Āsanas überhaupt erst in dieser Form.
Zuweilen kann es sinnvoll sein, das nach außen gedrehte Knie abzustützen (Abb. 20).
Eine besondere Variante lässt sich mit zwei Hockern realisieren (Abb. 21). Die Anforderungen an Hüfte und Knie des angewinkelten Beins sind hier deutlich geringer als in der Referenzposition. Die Anforderungen an den Rücken und das gestreckte Bein bleiben dagegen nahezu unverändert.
Der Atem
Wie jede andere Vorbeuge auch bringt beim Üben von jānuśīrṣāsana die Ausatmung den Körper auf den Weg in die Haltung. Neben der üblichen Verbindung von Vorbeuge und Ausatmung (Abb. 22) kann der Weg in jānuśīrṣāsana durch eine besondere Atemführung auch anspruchsvoller gestaltet werden.
Eine interessante Erfahrung ermöglicht – ein entsprechend geübter Atem vorausgesetzt –, sich während der Atemverhaltung bei leerer Lunge nach vorn zu beugen (Abb. 23).
Eine große Aufmerksamkeit für die Atembewegung und ihre intensive Verbindung mit der Körperbewegung wird durch die Aufteilung der Ausatmung in mehrere Schritte erreicht. Diese Technik wird Krama genannt.
Abb. 24 zeigt beispielhaft die Aufteilung der Ausatmung in zwei Teile. Natürlich sind auch mehr Schritte möglich, allerdings sind dann die Anforderungen an die Atemführung und die Atemkapazität entsprechend höher.
Vinyāsa – Wege in die Übung
Es ist nicht einfach, die für die korrekte Ausführung von jānuśīrṣāsana notwendige Ausrichtung nach vorn immer beizubehalten. Das gilt primär schon für das Einnehmen der Ausgangsstellung selbst. Ohne die nötige Aufmerksamkeit und Sorgfalt verliert das Becken schnell seine richtige Position. Im Gegensatz zum Mahāmudrā sollte das Becken beim jānuśīrṣāsana möglichst nach vorn gerichtet bleiben (Abb. 25). Dadurch wird erreicht, dass sich die Wirbelsäule nur wenig dreht und sich nur leicht zur Seite neigt.
Der erste Schritt zu jānuśīrṣāsana ist die Wahl einer geeigneten Ausgangsstellung, in der das Becken nach vorn gerichtet ist. Sie orientiert sich an den Möglichkeiten der Übenden. Deshalb ist es sinnvoll, den Weg zum jānuśīrṣāsana von einer Position aus zu beginnen, in der das Becken nach vorn ausgerichtet ist (Abb. 26).
Von dort kann es dann in den folgenden Schritten weiter ins jānuśīrṣāsana gehen. Einige Beispiele zeigen die folgenden Abbildungen:
Ein Weg zum jānuśīrṣāsana führt über die Rückenstreckung mit erhobenen Armen in die Vorbeuge (Abb. 27). Einfach, aber für viele eine Einladung, den Rücken übermäßig zu krümmen: Die Hände schieben am Boden entlang nach vorn (Abb. 28).
Die Aufteilung des Weges zu jānuśīrṣāsana in einen oder mehrere Schritte verbessert nicht nur das Gefühl für die Übung. Sie führt auch zu einer besseren Position im Āsana selbst (Abb. 29).
Problembereiche und Risiken
Jānuśīrṣāsana ist eine der intensivsten Vorbeugen unter den Āsanas. Über die mit Vorbeugen verbundenen Risiken wurde in anderen Artikeln mehrfach berichtet. Unter anderem gilt auch heute noch: Zu viel Dehnung destabilisiert die betroffene Muskulatur und führt zu einem chronischen Ungleichgewicht, das schließlich zu Schmerzen und Funktionsstörungen führt.
Oberflächlich betrachtet erscheinen Vorbeugen oft harmlos, und die Betonung des Risikos kann leicht als übertriebene Vorsicht missverstanden werden.
Sicher geht es nicht darum, Vorbeugen völlig aus der Āsanapraxis zu verbannen. Sie sind ein wesentlicher Teil unserer Bewegungsmöglichkeiten. Es stellt sich also die Frage: Wie kann die Belastungsfähigkeit der doch oft so unterschiedlichen TeilnehmerInnen einer Gruppe richtig eingeschätzt werden?
Viele Kolleginnen und Kollegen lösen diese Schwierigkeit im Gruppenunterricht, indem sie bei der Gestaltung ihrer Stunden zwei Dinge beachten:
Zum einen vermeiden sie es, den Vorbeugen in ihrem Unterricht insgesamt zu viel Raum zu geben. Den meisten Menschen, die in den Yogaunterricht kommen, mangelt es hauptsächlich an der Aktivierung des Rückens. Sie profitieren körperlich am ehesten von einer Āsanapraxis, in der viel dynamische Bewegung und kraftvolles Üben, gerade auch das Rückbeugen immer wieder großen Raum einnehmen.
Zum anderen achten sie darauf, dass bei anspruchsvollen Vorbeugen kleine und überschaubare Schritte gewählt werden. Solche Schritte reduzieren einerseits das Risiko und ermöglichen andererseits die Wahrnehmung der eigenen Grenzen. Schließlich erleichtern sie das Korrigieren und Ausweichen in entsprechenden Varianten erheblich.
Neben dem unteren Rücken sind auch die Knie einer besonderen Belastung ausgesetzt – jānuśīrṣāsana erfordert eine starke Kniebeugung und Knierotation. Bei entsprechenden Knieproblemen ist daher Vorsicht geboten. Schließlich ist zu bedenken, dass jānuśīrṣāsana zu Verspannungen im Nackenbereich führen kann (Abb. 30).
Fehler beim Üben
Der häufigste Fehler beim Üben von jānuśīrṣāsana resultiert aus dem Bedürfnis, den Oberkörper möglichst weit nach vorn zu beugen, ohne die dafür notwendige Flexibilität zu besitzen. Das Ergebnis ist ein gekrümmter oberer Rücken und meist zu viel Spannung in Schultern und Nacken (Abb. 31).
Zu viel, zu weit, zu schnell – auch beim Üben von jānuśīrṣāsana sind diese Dränger für die meisten Fehler beim Üben verantwortlich. Vor allem die Vorstellung, man müsse in diesem Āsana mit dem Oberkörper möglichst weit nach vorn kommen oder gar mit der Stirn das Bein berühren, endet für die Übenden oft in bizarren Positionen: Der Rücken gekrümmt, die Schultern verkrampft, der Atem nicht fließend und die Aufmerksamkeit völlig absorbiert von der Spannung der gedehnten Muskulatur.
Diese ungünstige Körperhaltung kann vermieden werden (Abb. 32), durch
eine geeignete Sitzposition (evtl. Unterlage unter dem Gesäß, evtl. auch einen Hocker)
eine richtig gewählte Position der Hände (je näher am Körper, desto größer die Bewegungsfreiheit des Rückens und desto geringer die Tendenz, den Rücken zu krümmen)
einen Verzicht, das vordere Bein zu strecken
Beinstreckung verbessern – wie und wann sinnvoll?
Fragt man danach, was den Übenden beim Üben von jānuśīrṣāsana die größten Schwierigkeiten bereitet, so ist die Antwort eindeutig: Vor allem die Dehnfähigkeit der hinteren Beinmuskulatur entscheidet darüber, ob die Beugung des Oberkörpers nach vorn leicht oder nur mühsam gelingt. Um die Beugung zu verbessern, liegt es also nahe, die Dehnfähigkeit der Beinrückseite durch entsprechende Übungen zu forcieren.
Das klingt einfach, doch in der Praxis erweist sich die Arbeit an der Dehnung der Beinmuskulatur als recht komplexes und vielschichtiges Unterfangen.
Das liegt unter anderem daran, dass die Muskeln in unserem Körper nicht isoliert funktionieren und arbeiten. Vielmehr arbeiten bei jeder Bewegung zahlreiche Muskeln zu einer funktionellen Einheit zusammen. Dieses Zusammenspiel der Muskeln wird auch mit dem Begriff Muskelschlinge beschrieben (Abb. 33) Lehrbuch der Anatomie – Benninghoff
Eine solche Verbindung verschiedener Muskeln ist keine Frage des Willens oder der bewussten Koordination. Vielmehr handelt es sich um Bewegungsmuster und biomechanische Zusammenhänge, die sich nicht auflösen lassen. Das ist auch gut so, denn sonst wären wir nicht in der Lage, die millionenfache Koordination zu leisten, die bei jeder einfachen Bewegung notwendig ist: um im Gleichgewicht zu bleiben, um Bewegungen in der richtigen Geschwindigkeit, Intensität und Abfolge zu gestalten.
Was hat das alles mit der Beinstreckung zu tun?
Wenn wir die Beinrückseite dehnen, haben wir es nicht nur mit den Beinmuskeln zu tun, sondern mit einer großen Muskelschlinge, die auch beim Gehen und Stehen eine wichtige Rolle spielt. Sie zieht sich von den Beinen über das Gesäß nach oben und reicht bis in den Nacken. In unserem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass auch die Muskeln des unteren Rückens Teil dieser Muskelschlinge sind.
In der Praxis bedeutet dies, dass unter normalen Umständen beim Strecken der Beine immer auch der untere Rücken mitgestreckt wird.
Am einfachsten lässt sich dies bei einer Vorbeuge wie uttānāsana beobachten: Bleiben die Beine dabei gestreckt, kommt es nicht nur zu einer intensiven Dehnung der Beinrückseite. Es entsteht auch ein starker Zug auf den unteren Rücken. Wird die Streckung der Beine durch Beugen reduziert, verringert sich auch die Streckung des unteren Rückens.
Das Dehnen des unteren Rückens ist also eine heikle Angelegenheit. Während leichtes Dehnen die Muskeln von Verspannungen und Verkrampfungen befreit, wird gerade die Muskulatur des unteren Rückens durch zu intensives Dehnen letztlich destabilisiert. Dies kann langfristig zu erheblichen Schäden führen. Davon zeugen etwa die massiven Rückenprobleme, mit denen viele Turnerinnen und Tänzerinnen in ihrem späteren Leben zu kämpfen haben. Wesentlich verantwortlich für diese Berufskrankheit ist die extreme Flexibilität, welche die Betroffenen nicht zuletzt durch die Erarbeitung einer extremen Dehnfähigkeit der Beinstrecker erreicht haben.
Die negativen Auswirkungen unbedachter Dehnung des unteren Rückens begegnet einem aber auch beim Yoga. Auch hier führt eine zu starke Betonung der Dehnung in den Vorbeugen immer wieder zu einer nachhaltigen Schädigung der Strukturen, die den unteren Rücken ausmachen. Dieses Risiko ist keine Frage der richtigen oder falschen inneren Haltung beim Üben und lässt sich auch nicht mit einfachen technischen Tricks in den Griff bekommen.
Festzuhalten ist: Bei der Arbeit mit der Beinmuskulatur sollte immer berücksichtigt werden, dass auch der untere Rücken in die Dehnung einbezogen wird. Zu viel Dehnung destabilisiert die lumbale zum Lendenbereich gehörend Haltemuskulatur.
Welche Konsequenzen hat dies nun für die Bewertung und den Einsatz der verschiedenen Möglichkeiten der Beindehnung? Weil die Schwerkraft dabei hilft, ist es am einfachsten, die Beine in der Vorbeuge aus dem Stand zu dehnen. Gleichzeitig ist diese Position mit dem höchsten Risiko für den unteren Rücken verbunden.
Je stärker die Beine gestreckt werden und je länger die Position gehalten wird, desto größer ist das Risiko.
Dynamische Übungen und das Beugen der Knie entlasten dagegen den unteren Rücken, reduzieren aber auch die Intensität der Dehnung.
Das Risiko bei Vorbeugen aus dem Stand wird deutlich reduziert, wenn die Hände auf einem Stuhl abgelegt werden (Abb. 34). Die Dehnung des unteren Rückens ist dadurch besser dosierbar, sogar eine Rückbeuge und damit eine weitgehende EntlastungimLendenwirbelbereich ist möglich (Abb. 35). Gleichzeitig ist der Zug der Schwerkraft auf den Oberkörper deutlich geringer.
Oft mühsamer als die Vorbeugen aus dem Stand, dafür aber um vieles risikoärmer gestaltet sich das Dehnen der Beine von der Rückenlage aus. Das liegt daran, dass in dieser Position der untere Rücken nur begrenzt in die Dehnung nach hinten einbezogen wird. Verwendung finden dabei zahlreiche Variationen von ūrdhva prasṛta pādāsana (Abb. 36 und Abb. 37)
Eine Intensivierung der Beindehnung ist durch das Festhalten eines Beines mit den Händen –supta pādāngushthāsana (Abb. 38) möglich. Bei großer Festigkeit in den Beinen kann auch die Verwendung eines Bandes oder Tuches von Nutzen sein.
Vorsicht ist geboten bei Varianten von paścimatānāsana, bei denen die Vorbeuge mit Hilfe der Armkraft forciert wird (Abb. 39). Die Belastung des unteren Rückens ist auch bei großer Achtsamkeit nur schwer zu kontrollieren. Das gilt in diesem Āsana auch, wenn der Rücken aufrecht gehalten wird (Abb. 39 rechts).
Schließlich kann man natürlich auch an Übungen denken, die mit Āsanas nicht viel zu tun haben, aber effektiv sind und in einer Risiko-Nutzen-Abwägung recht gut abschneiden (Abb. 40). Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass der Rücken wirklich aufrecht bleibt und sich nicht wie in Abb. 41 rundet.
Dabei sollte auch die Frage gestellt und beantwortet werden, wie viel Beindehnung notwendig und wie viel Beindehnung überhaupt möglich ist. Beispielsweise ist bei Menschen, die regelmäßig joggen oder ihre Beinmuskulatur anderweitig stark beanspruchen, eine Verbesserung der Beindehnung nur in sehr begrenztem Maße möglich. Und da der Grundtonus ihrer Beinmuskulatur von Natur aus sehr hoch ist, neigen sie leider noch schneller dazu, statt der Beine hauptsächlich den unteren Rücken zu (über)dehnen. Eine intensive Arbeit an der Dehnfähigkeit der Beine sollte also gut überlegt sein und kompetent angeleitet werden.
Die Vorbereitung – pūrvāṅga
Ein häufig gewählter Weg zum jānuśīrṣāsana führt über die Rückenstreckung mit erhobenen Armen in die Vorbeuge (Abb. 42).
Einfach, aber für viele eine Einladung zum übermäßigen Krümmen des Rückens: Die Hände schieben am Boden entlang nach vorn (Abb. 43).
Die Aufteilung des Weges zu jānuśīrṣāsana in ein oder mehrere Schritte bringt nicht nur eine Verbesserung des Gefühls für die Übung (Abb. 44). Sie führt auch zu einer besseren Position im Āsana selbst.
Kein Āsana sorgt für eine bessere Vorbereitung für jānuśīrṣāsana als die Vorbeuge aus dem Stand über ein Bein –pārśva uttānāsana. Es bietet nicht nur die im jānuśīrṣāsana verlangte asymmetrische Vorbeuge. Auch die Dehnung der Beinrückseiten und die Drehung der Hüfte sind ähnliche Anforderungen (Abb. 45). Ebenso können auch andere Vorbeugen in der Vorbereitung hilfreich sein, z. B. uttānāsana (Abb. 46).
Intensiver als es auf den ersten Blick erscheint, ist die Vorbeuge aus dem Fersensitz. Vor allem der untere Rücken wird hier ähnlich intensiv beansprucht wie in jānuśīrṣāsana (Abb. 47).
Zudem erfordert es eine intensive Kniebeugung. Schließlich wird es im Unterrichten von jānuśīrṣāsana zum Wichtigsten gehören, mit einfacheren Varianten die Schwierigeren gut vorzubereiten.
In den meisten Varianten von jānuśīrṣāsana wird von den Knien eine starke Rotation verlangt. Daher ist es hilfreich, wenn die Knie bei der Vorbereitung gut bewegt wurden. Eine schlichte Abwandlung von ūrdhva prasṛta pādāsana leistet hier gute Dienste (Abb. 48).
Der Ausgleich – pratikriyāsana
Als Ausgleich für jānuśīrṣāsana eignen sich Āsana wie die Schulterbrücke –dvipāda pīṭham– oder Abfolgen wie in Abb. 49 unten gezeigt.
Jānuśīrṣāsana im Gruppenkurs
Wegen seiner hohen Anforderungen nimmt jānuśīrṣāsana in einem Kurs meist eine zentrale Stellung ein. Als Ausgleich ist es ungeeignet, als Vorbereitung kann es eine Rolle für mahāmudrā und paścimatānāsana spielen (Abb. 50). Allerdings sind die Anforderungen, die jānuśīrṣāsana an Hüfte und Knie stellt, anders und deutlich größer als im paścimatānāsana.
Ein Kurs für Jānuśīrṣāsana
Hinweis: Die Abbildungen stehen lediglich für das Konzept der vorgeschlagenen Āsana und geben nicht die zu übende exakte äußere Form wieder. Wie ein Āsana auszuführen ist, hängt immer von den jeweils besonderen Gegebenheiten/Möglichkeiten der übenden Person ab. Auch die angegebene Zahl der Wiederholungen ist nur als Vorschlag zu verstehen. Ziel ist letztlich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Anzahl der Wiederholungen und der Zusammenstellung der einzelnen Vinyāsas zu finden.