Diese Artikelreihe widmet sich ganz der Yogapraxis.
Egal, ob du mehr über Meditation oder Prāṇāyāma erfahren möchtest, fundierte Informationen zu einzelnen Āsana suchst oder dich für bestimmte Zielgruppen interessierst – hier wirst du fündig!
Äußere Veränderungen waren schon immer eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Yogas.
Unter der Überschrift Tradition – Yoga im Wandel findest du daher nicht nur Artikel zu Hintergrund, Geschichte und wichtigen traditionellen Texten und Schriften, sondern auch Beiträge, die sich unter dem Stichwort TravellingYoga mit Veränderungen und notwendigen Anpassungen im Yoga auseinandersetzen.
Shivas Antwort – die Kunst Āsana anzupassen und zu variieren
Wenn bei der Praxis eines Āsana seine Form in der einen oder anderen Weise verändert wird, gilt dies oft als ein mehr schlechter als rechter Kompromiss, der eher vom Kern des Āsana entfernt und das eigentliche Anliegen verwässert.
Soll ein Āsana in der Praxis verwirklicht und seine Wirkung sich tatsächlich entfalten können, ist es hilfreich, die Kunst zu beherrschen, es den jeweiligen Notwendigkeiten entsprechend in seiner Form zu verändern. Ferner braucht es eine klare Vorstellung, mit welcher der unterschiedlichen Varianten eines Āsana die gewünschte Wirkung am besten erreicht werden kann. Āsana sind Mittel auf dem Yogaweg und kein Selbstzweck. Sie sind für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für die Āsana.
Shiva – Diese Statue (Abb. 1) aus dem 12. Jahrhundert zeigt Shiva als Dakshinamurti, den Archetyp des spirituellen Lehrers.
Shivas Antwort – die Kunst Āsana anzupassen und zu variieren
Wenn bei der Praxis eines Āsana seine Form in der einen oder anderen Weise verändert wird, gilt dies oft als ein mehr schlechter als rechter Kompromiss, der eher vom Kern des Āsana entfernt und das eigentliche Anliegen verwässert.
Soll ein Āsana in der Praxis verwirklicht und seine Wirkung sich tatsächlich entfalten können, ist es hilfreich, die Kunst zu beherrschen, es den jeweiligen Notwendigkeiten entsprechend in seiner Form zu verändern. Ferner braucht es eine klare Vorstellung, mit welcher der unterschiedlichen Varianten eines Āsana die gewünschte Wirkung am besten erreicht werden kann. Āsana sind Mittel auf dem Yogaweg und kein Selbstzweck. Sie sind für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für die Āsana.
Shiva – Diese Statue (Abb. 1) aus dem 12. Jahrhundert zeigt Shiva als Dakshinamurti, den Archetyp des spirituellen Lehrers.
Shivas Antwort – die Kunst Āsana anzupassen und zu variieren
Wenn bei der Praxis eines Āsana seine Form in der einen oder anderen Weise verändert wird, gilt dies oft als ein mehr schlechter als rechter Kompromiss, der eher vom Kern des Āsana entfernt und das eigentliche Anliegen verwässert.
Soll ein Āsana in der Praxis verwirklicht und seine Wirkung sich tatsächlich entfalten können, ist es hilfreich, die Kunst zu beherrschen, es den jeweiligen Notwendigkeiten entsprechend in seiner Form zu verändern. Ferner braucht es eine klare Vorstellung, mit welcher der unterschiedlichen Varianten eines Āsana die gewünschte Wirkung am besten erreicht werden kann. Āsana sind Mittel auf dem Yogaweg und kein Selbstzweck. Sie sind für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für die Āsana.
Shiva – Diese Statue (Abb. 1) aus dem 12. Jahrhundert zeigt Shiva als Dakshinamurti, den Archetyp des spirituellen Lehrers.
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Dazu eine kurze Geschichte:
Ein schöner, gut gewachsener Mann möchte heiraten. Für seine Hochzeit benötigt er einen Frack und so geht er zu einem Schneider. Der Schneider nimmt Maß und zwei Wochen später kommt der junge Mann wieder, um seinen Anzug abzuholen. Er probiert ihn an und dabei stellt sich heraus, dass der rechte Ärmel deutlich kürzer ist als der linke. Das macht gar nichts, sagt der Schneider, Sie müssen nur den rechten Arm ein wenig hochziehen, dann passt er wunderbar! Der Mann zieht den Arm hoch, und tatsächlich erscheinen beide Ärmel jetzt gleich lang. Nur seine Schultern stehen jetzt schief und das Revers beult auf der einen Seite unschön aus. Das macht nichts, sagt der Schneider wieder, Sie müssen nur den Rücken auf der einen Seite etwas krumm machen, dann sitzt der Frack wunderbar! Gesagt, getan, und wirklich ist daraufhin im Revers keine Beule mehr zu sehen. Nur die beiden Frackschöße sind nun unterschiedlich hoch. Wenn Sie sich noch ein wenig nach links neigen, sitzt alles wie angegossen!, sagt der Schneider und er hat recht. Der Mann ist zufrieden, nimmt den Frack und geht nach Hause. Auf der Hochzeit unterhalten sich zwei Gäste: Was muss der Bräutigam doch für einen guten Schneider gehabt haben, der es geschafft hat, für so eine arme Missgestalt einen Anzug zu schneidern, der so gut sitzt!
Wie kann verhindert werden, dass aus einem Āsana für jemanden ein solcher Frack wird?
Zum einen, indem sich nicht allein an der Form eines Āsana orientiert und die Funktion vernachlässigt oder gar verfehlt wird. Zum anderen, indem wir die Tatsache ernst nehmen, dass es keinen für alle festgelegten Kanon gibt, in dem geschrieben steht, was sich Āsana oder gar klassischesĀsana nennen darf und was nicht.
So ärmlich und einfach dürfen wir uns den Umgang der alten Meister mit Āsanas nicht vorstellen; solch einen Kanon gibt es nicht. Viele Yogatexte zitieren dagegen gerne die Dhyāna Bindu Upanishad, in der Gott Shiva sagt:
Āsana gibt es so viele wie Lebewesen
Das heißt keineswegs, dass jede beliebige Körperhaltung auch ein Āsana darstellt. Sie wurden in allen Traditionen als Werkzeuge verstanden, unterschiedlichsten Menschen bestimmte Erfahrungen zu ermöglichen und in einer bestimmten Weise zu wirken. Āsana-Praxis wird sich daran messen lassen müssen, ob der/die Übende damit tatsächlich einen Zugang zu dieser besonderen Erfahrung und Wirkung finden konnte. Sie misst sich nicht daran, ob er einer besonderen Form Genüge getan hat. Deshalb ist es von Vorteil, mit Āsana so umzugehen, wie mit anderem Werkzeug auch: Es muss an den jeweiligen Zweck angepasst sein und ihm möglichst gut dienen.
Es wird von den Weisen gesagt, dass ein kluger Mensch dieses Āsana auf passende Weise anwenden soll, nachdem er die gegenwärtigen Bedingungen und die Eignung des Schülers geprüft hat, sagt Nathamuni in seiner Yoga Rahasya. Und wie sind solche Beschreibungen in den alten Texten zu verstehen? Er sagt weiter: In solchen Texten haben die größten unter den Yogis nur die Richtung angegeben.
Eigentliche Aufgabe beim Unterrichten von Āsana ist es also, den Übenden zu helfen, diese Richtung zu verwirklichen. Dazu müssen die Āsana nicht nur angepasst werden. Wir sollten auch verstehen lernen, dass wir mit den zahllosen und unterschiedlichsten Variationen der Āsana einen großen Schatz in Händen halten, der benutzt werden möchte.
Die verschiedenen Variationen eines Āsana sollten nicht danach beurteilt werden, ob sie besonders spektakulär oder besonders klassisch sind, was immer das heißen mag.
Die wirklich wichtige Frage ist: Welche Variation dient der Absicht, die ich mit diesem Āsana verfolge, am besten?
Im Folgenden soll beschrieben werden, dass ein Āsana zu variieren nicht gleichbedeutend mit, es zu erleichtern ist. Vielmehr eröffnen uns erst die Variationen eines Āsana den ganzen Schatz seiner ihm eigenen vielfältigen Aspekte. Mit Varianten von Āsana lassen sich die Anforderungen, die wir damit an die Übenden stellen, gleichermaßen vergrößern, wie verringern; vor allem aber verändern wir sie. Jede Āsana-Variation stellt andere Anforderungen und birgt für eine bestimmte Person wie auch für eine bestimmte Absicht jeweils besondere Vor- und Nachteile. Natürlich ist es notwendig zu wissen, was wir da eigentlich variieren und was wir den individuellen Gegebenheiten anpassen. Dies benötigt ein konzeptionelles Verständnis von Āsana, benötigt Einsicht in deren jeweilige Richtung, wie es bei Nathamuni heißt.
Die Kunst, ein Āsana anzupassen
Nehmen wir als Beispiel adhomukha śvānāsana – Hund der nach unten schaut. Jeder Mensch, der dieses Āsana praktiziert, wird es in einer unterschiedlichen Form ausführen. Nicht nur, dass jeder Körper besonders und einzigartig ist, auch die darin gestellten Anforderungen werden unterschiedlich gelöst.
Bei dem Einen werden die Beine gestreckt sein, der untere Rücken ist rund, der obere in einer Rückbeuge (Abb. 6). Eine Andere wird den ganzen Rücken in eine Rückbeuge bringen, die Dritte vielleicht die Knie leicht beugen (Abb. 7). Mancher wird die meiste Spannung in den Beinen spüren, manche in den Schultern.
Der Eine wird kaum gut ausatmen können, ohne die zum Halten nötige Spannung zu verlieren, die Andere wird es genießen, mit der Einatmung den Rücken zu strecken.
Lassen wir eine Gruppe von zehn Menschen adhomukhaśvānāsana praktizieren, werden wir sehen können, dass sich dieses Āsana auf zehn verschiedene Weisen an den jeweiligen Körper und zehn Körper sich auf zehn verschiedene Arten an dieses Āsana angepasst haben.
Wenn wir also jemandem ein Bild von adhomukha śvānāsana zeigen oder es vormachen und dann sagen: Bitte mach das nach, dann werden wir erleben, dass eine Anpassung des Āsana an den jeweiligen Menschen ganz notwendig stattfinden wird.
Die Frage ist also nicht, ob sich ein Āsana an den Menschen anpasst. Das geschieht unausweichlich und jedes Āsana verbindet sich mit dem Menschen, der es übt, sodass es sich jedes Mal neu und verändert zeigt.
Die Frage ist vielmehr, wie der jeweilige Körper die ihm gestellten Anforderungen löst und ob diese Lösung sinnvoll ist und trägt.
Da uns angesichts dieser Situation ein Bestehen auf der Form nicht weiterhilft, benötigen wir andere Kriterien, die uns entscheiden helfen, ob wir uns auf ein Āsana zu bewegen oder auf dem besten Weg sind, seinen Inhalt zu verlieren. Womit sollten wir beginnen, wo Schwerpunkte setzen?
Was wir brauchen, ist ein konzeptionelles Verständnis dieses Āsana. Nur darin finden wir die Antwort auf die Fragen:
Wie nehmen wir in diesem Āsana die richtige Richtung?
Wann können wir im Āsana unseren Atem gut führen?
Wie erreichen wir seine Wirkung am intensivsten?
Wie üben wir das Āsana auf gesunde Weise, also ohne uns zu schaden?
Wie bei allen anderen Āsanas auch, erschließt sich das Wesentliche von adhomukha śvānāsana, wenn verstanden wird, wie die Wirbelsäule dieses Āsana trägt und wie/ob sich die Atemrichtung der Ein- und Ausatmung damit in Leichtigkeit verbinden kann.
In aller Kürze ist die wichtigste Antwort auf die oben gestellten Fragen: adhomukha śvānāsana ist so üben, dass es gelingt, die Wirbelsäule im Üben des Āsana zu strecken und dies auf eine Weise, die einen ruhigen, tiefen und klar geführten Atem ermöglicht.
In diesem Āsana sind die Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule eng verbunden mit der Haltung der Beine.
Je mehr wir die Beine strecken, desto schwieriger ist es, die Wirbelsäule gestreckt zu halten. In der Regel wird dem Übenden aus dieser Situation heraus eine Entscheidung aufgezwungen. Entweder besteht man auf der Beinstreckung, dann bleibt oder wird der Rücken krumm, oder man sorgt dafür, dass sich der Rücken streckt, was aber oft ohne ein leichtes Anbeugen der Beine unmöglich ist. Da mit der Rückenstreckung jedoch das ganze Konzept von adhomukha śvānāsana steht und fällt, wird die Beinstreckung dem Strecken der Wirbelsäule untergeordnet. Für viele Übende bedeutet das, die Knie etwas anzubeugen.
Diese Veränderung entfernt uns nicht vom Āsana, sondern bringt uns ihm ganz im Gegenteil sogar näher. Mehr noch, erst jetzt sind die Bedingungen geschaffen, dass wir in diesem Āsana sinnvoll weiterarbeiten können. Sicher können sich aus einer solchen Veränderung immer auch andere, unerwünschte Konsequenzen ergeben. Daran ist zu bemessen, ob überhaupt sinnvoll mit diesem Āsana gearbeitet werden sollte.
Die Frage, ob mit diesem Āsana nicht auch an der Beinstreckung gearbeitet werden könnte, lässt sich aus den vorherigen Zusammenhängen beantworten. In diesem Āsana sind Beinstreckung und Wirbelsäulenstreckung so miteinander verbunden sind, dass sie sich leicht gegenseitig behindern können. Der Rücken wird immer auf die Beinstreckung reagieren. Leider kann kaum vorhergesagt werden, wo und wie:
Wird sich der obere Rücken runden oder eher der untere?
Wo wird sich gegen diese Bewegung die Spannung aufbauen?
Das Risiko, dabei die Rückenstreckung als das Wesentliche des Āsana aufzugeben und die Gefahr, bei wiederholter Praxis dem Rücken Schaden zuzufügen, sind bei den meisten normal flexiblen Kursteilnehmerinnen auf jeden Fall größer als der Nutzen, den die Arbeit an der Beinstreckung gerade in diesem Āsana bringt. Es gibt viele andere Āsana, die die Beinstreckung auf klare und sichere Weise zum Thema machen, wie ūrdhva prasṛta pādāsana (auf dem Rücken liegend, die Beine nach oben strecken).
Keineswegs muss grundsätzlich auf die Beinstreckung in adhomukha śvānāsana verzichtet werden. Im Gegenteil – wer mit gestreckten Beinen die Streckung der Wirbelsäule bewältigt, sollte dies auch so praktizieren.
Es geht vielmehr um die Frage: Wie werden verschiedene Aspekte und Anforderungen in einem Āsana gewichtet, damit wir in der Lage sind, es unterschiedlichsten Gegebenheiten sinnvoll anzupassen?
Wer sich etwas genauer mit der inneren Struktur von Āsana auseinandersetzt, wird schnell entdecken, dass jedes Āsana eine Fülle verschiedener Anforderungen enthält und einige davon beim Üben leicht in Widerspruch zueinander geraten können. Es sollte deshalb auch wohlüberlegt werden, ob man sich im Gruppenunterricht auf einem bestimmten Weg in ein Āsana festlegen oder vor allen anderen möglichen favorisieren will.
Würde man zum Beispiel auf dem Weg ins adhomukha śvānāsana aus dem cakravākāsana (Vierfüßlerstand) heraus immer erst die Fersen anheben lassen und dann, in der Position angekommen, anweisen, die Fersen Richtung Boden zu drücken, mag das für jemanden mit großer Flexibilität in den Beinen eine Hilfe sein. Für die meisten anderen aber bringt es gerade zu Beginn der Übung die Aufmerksamkeit weg vom Wichtigsten, der Streckung des Rückens, hin zu etwas weniger Wichtigem, der Streckung der Beine. Und tut sich jemand mit dieser Streckung schwer, dann bekommt die ganze Übung durch diese Anweisung die falsche Richtung. Es entsteht ein Konflikt zwischen dieser Anweisung und dem Versuch, gleichzeitig den Rücken gestreckt zu halten. Wir arbeiten schließlich in zwei entgegengesetzten Richtungen. In den Schritten, die wir zum Einnehmen eines Āsanas vorschlagen, sollten solche Konflikte vermieden werden.
Wir können dies dann, wenn wir uns im Klaren darüber sind, dass sich die Wirkung einer Anweisung nicht nur auf jenen Bereich beschränkt, für den sie gegeben wurde, hier etwa die Bewegung der Fersen und Beinstreckung. Jede Anweisung hat immer einen Effekt auf den ganzen Körper, die ganze Haltung im Āsana, im Besonderen auch auf die Wirbelsäule. Deshalb sollten wir in der Lage sein, zu entscheiden, ob die jeweiligen Konsequenzen einer Anweisung, was immer auch ihr ursprünglicher Zweck war, dem passenden Üben eines Āsana näher bringt oder nicht.
Die Kunst, ein Āsana zu variieren
So wichtig es ist, Āsana ihrem Konzept entsprechend anpassen zu können, so hilfreich sind die Möglichkeiten, die sich aus den verschiedenen Variationen von Āsana ergeben.
Als Beispiel soll hier bhujaṅgāsana dienen. Das Konzept dieses Āsana legt nahe, die Wirbelsäule so zu erreichen, dass der Schwerpunkt der Rückbeuge im oberen Rücken liegt. Variationen zum Beispiel in der Armhaltung können dabei eine große Hilfe sein. Viele Übende erreichen den oberen Rücken viel besser, wenn sie die Arme zur Seite ausbreiten, als wenn sie die Hände neben ihrem Brustkorb (Abb. 8) aufstützen.
Für sie wird also die Variante mit ausgebreiteten Armen (Abb. 9) das Konzept von bhujaṅgāsana besser verwirklichen. Andere werden dabei hauptsächlich das Gewicht der Arme und nicht den Rücken spüren. Ihnen mag es helfen, die Arme neben den Körper zu legen (Abb. 10).
So ist es möglich, für jede/n die beste Position zu finden. Jemand möchte etwa innerhalb eines Kurses bhujaṅgāsana einige Atemzüge statisch üben lassen. Nach der entsprechenden Vorbereitung können dazu zum Beispiel zwei verschiedene Varianten in dynamischer Wiederholung vorschlagen.
In welcher Variante kann der obere Rücken am besten wahrgenommen werden?
Wann war der Atemfluss am gleichmäßigsten?
Wann fühlte sich die Bewegung der Wirbelsäule am leichtesten an?
Wann war es am besten möglich, Kraft und nicht Verspannung im Rücken zu spüren?
Jede/r Teilnehmer/in kann für die statische Wiederholung die entsprechende Variante wählen. Durch ein solches Vorgehen gelingt es nicht nur, die Übung bhujaṅgāsana für alle gleichermaßen auf passende Weise zu verwirklichen und wirksam zu machen, es wird damit auch ein Verständnis entwickelt, worauf es bei einem Āsana im Kern ankommt. Das Konzept eines Āsana wird dadurch erfahrbar. Es gibt den SchülerInnen darüber hinaus eine Idee, dass es der Körper ist, um den es geht, dass es um einen Prozess in ihnen geht und nicht um mechanisches Nachahmen einer Form.
Wenn zum Beispiel bhujaṅgāsana als Vorbereitung für dhanurāsana verwendet wird, bieten sich Varianten an, die sich auf das konzentrieren, was uns bei der Bewältigung von dhanurāsana helfen kann. Es wäre etwa sinnvoll, die Variante von bhujaṅgāsana (Abb. 11) zu wählen, bei der beide Arme parallel zum Boden nach hinten gestreckt werden und somit nicht nur die Rückbeuge, sondern auch die Öffnung im Schulterbereich vorbereitet, die auch im dhanurāsana (Abb. 12) benötigt wird.
Wir wählen also die Form entsprechend dem jeweiligen Zweck, den wir damit verfolgen.
Solche Überlegungen können auch unabhängig von Fragen zum Aufbau eines Kurses gestellt werden. Entsprechende Variationen eines Āsanas bieten viele Möglichkeiten, seine Wirkungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es kann beispielsweise die Anforderung dadurch verändert werden, dass das Āsana asymmetrisch geübt wird.
Nehmen wir im Fall von bhujaṅgāsana jeweils einen Arm mit nach vorn, bringen wir dadurch eine größere Aktivität in den Rücken und erzwingen damit Kraft und Bewegung in Bereichen, die uns bei symmetrischem Üben nicht zugänglich sind (Abb. 13).
Der Rücken wird neu gefordert, die rechte und linke Körperseite muss auf ungewohnte Weise miteinander ins Gleichgewicht kommen und eine solche Variante kann helfen, Ungleichgewichte zwischen den beiden Körperhälften zu harmonisieren.
Gleichermaßen ist die Wirkung eines asymmetrischen apanāsana (Abb. 14) auf den unteren Rücken und Bauchbereich von anderer Qualität und Nutzen wie die entsprechende symmetrische Variante.
Varianten sind darüber hinaus ein wichtiges Gestaltungsmittel, um die notwendige Achtsamkeit in ein Āsana zurückzubringen, wenn sich zu viel Mechanik in das Üben eingeschlichen haben sollte. Die Absicht, die dabei mit einem Āsana innerhalb des Kurses verbunden wurde, bleibt die gleiche.
Es soll keine andere Wirkung erzielt werden, aber die frische Erfahrung in einer Variante erschließt in einer schon bekannt geglaubten Übung neue Bereiche. Außerdem sind Varianten von Āsana ausgesprochen hilfreich, um jemandem, dessen Möglichkeiten durch Schmerz oder Behinderung eingeschränkt sind, trotzdem den Inhalt und die Wirkung eines Āsana erleben zu lassen.
So kann zum Beispiel ein śalabhāsana (Abb. 15), bei dem beide Beine gehoben werden, für einen schwachen und verspannten unteren Rücken zu viel Kraft verlangen und Schmerzen verursachen.
Ardhaśalabhāsana (Abb. 16) mag dann eine Möglichkeit sein, den Gewinn aus der Wirkung dieses Āsana zu erhalten, die darin enthaltene Anforderung an den unteren Rücken jedoch auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren.
Mit den unterschiedlichen Varianten von Āsana ist es zudem möglich, genau die Anforderungen zu betonen und zu intensivieren, die in einem ganz bestimmten Zusammenhang wichtig sind. Das Anheben eines Beines in adhomukha śvānāsana verlangt ungleich mehr vom Rücken, der Beinkraft und dem Gleichgewichtssinn als eine Variante, in der beide Füße am Boden bleiben. Das nach vorn Nehmen beider Arme in bhujaṅgāsana wird mehr Kraft vom unteren ebenso, wie oberen Rücken verlangen, als die Variante, in der die Handflächen neben dem Körper am Boden stehen.
Variationen sind dazu da, mit ihnen zu experimentieren, um ihre jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteile zu erforschen. Nur so können sie schließlich in ihrer jeweiligen Eigenart und Wirkung verstanden und genutzt werden. ▼
Ein schöner, gut gewachsener Mann möchte heiraten. Für seine Hochzeit benötigt er einen Frack und so geht er zu einem Schneider. Der Schneider nimmt Maß und zwei Wochen später kommt der junge Mann wieder, um seinen Anzug abzuholen. Er probiert ihn an und dabei stellt sich heraus, dass der rechte Ärmel deutlich kürzer ist als der linke. Das macht gar nichts, sagt der Schneider, Sie müssen nur den rechten Arm ein wenig hochziehen, dann passt er wunderbar! Der Mann zieht den Arm hoch, und tatsächlich erscheinen beide Ärmel jetzt gleich lang. Nur seine Schultern stehen jetzt schief und das Revers beult auf der einen Seite unschön aus. Das macht nichts, sagt der Schneider wieder, Sie müssen nur den Rücken auf der einen Seite etwas krumm machen, dann sitzt der Frack wunderbar! Gesagt, getan, und wirklich ist daraufhin im Revers keine Beule mehr zu sehen. Nur die beiden Frackschöße sind nun unterschiedlich hoch. Wenn Sie sich noch ein wenig nach links neigen, sitzt alles wie angegossen!, sagt der Schneider und er hat recht. Der Mann ist zufrieden, nimmt den Frack und geht nach Hause. Auf der Hochzeit unterhalten sich zwei Gäste: Was muss der Bräutigam doch für einen guten Schneider gehabt haben, der es geschafft hat, für so eine arme Missgestalt einen Anzug zu schneidern, der so gut sitzt!
Wie kann verhindert werden, dass aus einem Āsana für jemanden ein solcher Frack wird?
Zum einen, indem sich nicht allein an der Form eines Āsana orientiert und die Funktion vernachlässigt oder gar verfehlt wird. Zum anderen, indem wir die Tatsache ernst nehmen, dass es keinen für alle festgelegten Kanon gibt, in dem geschrieben steht, was sich Āsana oder gar klassischesĀsana nennen darf und was nicht.
So ärmlich und einfach dürfen wir uns den Umgang der alten Meister mit Āsanas nicht vorstellen; solch einen Kanon gibt es nicht. Viele Yogatexte zitieren dagegen gerne die Dhyāna Bindu Upanishad, in der Gott Shiva sagt:
Āsana gibt es so viele wie Lebewesen
Das heißt keineswegs, dass jede beliebige Körperhaltung auch ein Āsana darstellt. Sie wurden in allen Traditionen als Werkzeuge verstanden, unterschiedlichsten Menschen bestimmte Erfahrungen zu ermöglichen und in einer bestimmten Weise zu wirken. Āsana-Praxis wird sich daran messen lassen müssen, ob der/die Übende damit tatsächlich einen Zugang zu dieser besonderen Erfahrung und Wirkung finden konnte. Sie misst sich nicht daran, ob er einer besonderen Form Genüge getan hat. Deshalb ist es von Vorteil, mit Āsana so umzugehen, wie mit anderem Werkzeug auch: Es muss an den jeweiligen Zweck angepasst sein und ihm möglichst gut dienen.
Es wird von den Weisen gesagt, dass ein kluger Mensch dieses Āsana auf passende Weise anwenden soll, nachdem er die gegenwärtigen Bedingungen und die Eignung des Schülers geprüft hat, sagt Nathamuni in seiner Yoga Rahasya. Und wie sind solche Beschreibungen in den alten Texten zu verstehen? Er sagt weiter: In solchen Texten haben die größten unter den Yogis nur die Richtung angegeben.
Eigentliche Aufgabe beim Unterrichten von Āsana ist es also, den Übenden zu helfen, diese Richtung zu verwirklichen. Dazu müssen die Āsana nicht nur angepasst werden. Wir sollten auch verstehen lernen, dass wir mit den zahllosen und unterschiedlichsten Variationen der Āsana einen großen Schatz in Händen halten, der benutzt werden möchte.
Die verschiedenen Variationen eines Āsana sollten nicht danach beurteilt werden, ob sie besonders spektakulär oder besonders klassisch sind, was immer das heißen mag.
Die wirklich wichtige Frage ist: Welche Variation dient der Absicht, die ich mit diesem Āsana verfolge, am besten?
Im Folgenden soll beschrieben werden, dass ein Āsana zu variieren nicht gleichbedeutend mit, es zu erleichtern ist. Vielmehr eröffnen uns erst die Variationen eines Āsana den ganzen Schatz seiner ihm eigenen vielfältigen Aspekte. Mit Varianten von Āsana lassen sich die Anforderungen, die wir damit an die Übenden stellen, gleichermaßen vergrößern, wie verringern; vor allem aber verändern wir sie. Jede Āsana-Variation stellt andere Anforderungen und birgt für eine bestimmte Person wie auch für eine bestimmte Absicht jeweils besondere Vor- und Nachteile. Natürlich ist es notwendig zu wissen, was wir da eigentlich variieren und was wir den individuellen Gegebenheiten anpassen. Dies benötigt ein konzeptionelles Verständnis von Āsana, benötigt Einsicht in deren jeweilige Richtung, wie es bei Nathamuni heißt.
Die Kunst, ein Āsana anzupassen
Nehmen wir als Beispiel adhomukha śvānāsana – Hund der nach unten schaut. Jeder Mensch, der dieses Āsana praktiziert, wird es in einer unterschiedlichen Form ausführen. Nicht nur, dass jeder Körper besonders und einzigartig ist, auch die darin gestellten Anforderungen werden unterschiedlich gelöst.
Bei dem Einen werden die Beine gestreckt sein, der untere Rücken ist rund, der obere in einer Rückbeuge (Abb. 6). Eine Andere wird den ganzen Rücken in eine Rückbeuge bringen, die Dritte vielleicht die Knie leicht beugen (Abb. 7). Mancher wird die meiste Spannung in den Beinen spüren, manche in den Schultern.
Der Eine wird kaum gut ausatmen können, ohne die zum Halten nötige Spannung zu verlieren, die Andere wird es genießen, mit der Einatmung den Rücken zu strecken.
Lassen wir eine Gruppe von zehn Menschen adhomukhaśvānāsana praktizieren, werden wir sehen können, dass sich dieses Āsana auf zehn verschiedene Weisen an den jeweiligen Körper und zehn Körper sich auf zehn verschiedene Arten an dieses Āsana angepasst haben.
Wenn wir also jemandem ein Bild von adhomukha śvānāsana zeigen oder es vormachen und dann sagen: Bitte mach das nach, dann werden wir erleben, dass eine Anpassung des Āsana an den jeweiligen Menschen ganz notwendig stattfinden wird.
Die Frage ist also nicht, ob sich ein Āsana an den Menschen anpasst. Das geschieht unausweichlich und jedes Āsana verbindet sich mit dem Menschen, der es übt, sodass es sich jedes Mal neu und verändert zeigt.
Die Frage ist vielmehr, wie der jeweilige Körper die ihm gestellten Anforderungen löst und ob diese Lösung sinnvoll ist und trägt.
Da uns angesichts dieser Situation ein Bestehen auf der Form nicht weiterhilft, benötigen wir andere Kriterien, die uns entscheiden helfen, ob wir uns auf ein Āsana zu bewegen oder auf dem besten Weg sind, seinen Inhalt zu verlieren. Womit sollten wir beginnen, wo Schwerpunkte setzen?
Was wir brauchen, ist ein konzeptionelles Verständnis dieses Āsana. Nur darin finden wir die Antwort auf die Fragen:
Wie nehmen wir in diesem Āsana die richtige Richtung?
Wann können wir im Āsana unseren Atem gut führen?
Wie erreichen wir seine Wirkung am intensivsten?
Wie üben wir das Āsana auf gesunde Weise, also ohne uns zu schaden?
Wie bei allen anderen Āsanas auch, erschließt sich das Wesentliche von adhomukha śvānāsana, wenn verstanden wird, wie die Wirbelsäule dieses Āsana trägt und wie/ob sich die Atemrichtung der Ein- und Ausatmung damit in Leichtigkeit verbinden kann.
In aller Kürze ist die wichtigste Antwort auf die oben gestellten Fragen: adhomukha śvānāsana ist so üben, dass es gelingt, die Wirbelsäule im Üben des Āsana zu strecken und dies auf eine Weise, die einen ruhigen, tiefen und klar geführten Atem ermöglicht.
In diesem Āsana sind die Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule eng verbunden mit der Haltung der Beine.
Je mehr wir die Beine strecken, desto schwieriger ist es, die Wirbelsäule gestreckt zu halten. In der Regel wird dem Übenden aus dieser Situation heraus eine Entscheidung aufgezwungen. Entweder besteht man auf der Beinstreckung, dann bleibt oder wird der Rücken krumm, oder man sorgt dafür, dass sich der Rücken streckt, was aber oft ohne ein leichtes Anbeugen der Beine unmöglich ist. Da mit der Rückenstreckung jedoch das ganze Konzept von adhomukha śvānāsana steht und fällt, wird die Beinstreckung dem Strecken der Wirbelsäule untergeordnet. Für viele Übende bedeutet das, die Knie etwas anzubeugen.
Diese Veränderung entfernt uns nicht vom Āsana, sondern bringt uns ihm ganz im Gegenteil sogar näher. Mehr noch, erst jetzt sind die Bedingungen geschaffen, dass wir in diesem Āsana sinnvoll weiterarbeiten können. Sicher können sich aus einer solchen Veränderung immer auch andere, unerwünschte Konsequenzen ergeben. Daran ist zu bemessen, ob überhaupt sinnvoll mit diesem Āsana gearbeitet werden sollte.
Die Frage, ob mit diesem Āsana nicht auch an der Beinstreckung gearbeitet werden könnte, lässt sich aus den vorherigen Zusammenhängen beantworten. In diesem Āsana sind Beinstreckung und Wirbelsäulenstreckung so miteinander verbunden sind, dass sie sich leicht gegenseitig behindern können. Der Rücken wird immer auf die Beinstreckung reagieren. Leider kann kaum vorhergesagt werden, wo und wie:
Wird sich der obere Rücken runden oder eher der untere?
Wo wird sich gegen diese Bewegung die Spannung aufbauen?
Das Risiko, dabei die Rückenstreckung als das Wesentliche des Āsana aufzugeben und die Gefahr, bei wiederholter Praxis dem Rücken Schaden zuzufügen, sind bei den meisten normal flexiblen Kursteilnehmerinnen auf jeden Fall größer als der Nutzen, den die Arbeit an der Beinstreckung gerade in diesem Āsana bringt. Es gibt viele andere Āsana, die die Beinstreckung auf klare und sichere Weise zum Thema machen, wie ūrdhva prasṛta pādāsana (auf dem Rücken liegend, die Beine nach oben strecken).
Keineswegs muss grundsätzlich auf die Beinstreckung in adhomukha śvānāsana verzichtet werden. Im Gegenteil – wer mit gestreckten Beinen die Streckung der Wirbelsäule bewältigt, sollte dies auch so praktizieren.
Es geht vielmehr um die Frage: Wie werden verschiedene Aspekte und Anforderungen in einem Āsana gewichtet, damit wir in der Lage sind, es unterschiedlichsten Gegebenheiten sinnvoll anzupassen?
Wer sich etwas genauer mit der inneren Struktur von Āsana auseinandersetzt, wird schnell entdecken, dass jedes Āsana eine Fülle verschiedener Anforderungen enthält und einige davon beim Üben leicht in Widerspruch zueinander geraten können. Es sollte deshalb auch wohlüberlegt werden, ob man sich im Gruppenunterricht auf einem bestimmten Weg in ein Āsana festlegen oder vor allen anderen möglichen favorisieren will.
Würde man zum Beispiel auf dem Weg ins adhomukha śvānāsana aus dem cakravākāsana (Vierfüßlerstand) heraus immer erst die Fersen anheben lassen und dann, in der Position angekommen, anweisen, die Fersen Richtung Boden zu drücken, mag das für jemanden mit großer Flexibilität in den Beinen eine Hilfe sein. Für die meisten anderen aber bringt es gerade zu Beginn der Übung die Aufmerksamkeit weg vom Wichtigsten, der Streckung des Rückens, hin zu etwas weniger Wichtigem, der Streckung der Beine. Und tut sich jemand mit dieser Streckung schwer, dann bekommt die ganze Übung durch diese Anweisung die falsche Richtung. Es entsteht ein Konflikt zwischen dieser Anweisung und dem Versuch, gleichzeitig den Rücken gestreckt zu halten. Wir arbeiten schließlich in zwei entgegengesetzten Richtungen. In den Schritten, die wir zum Einnehmen eines Āsanas vorschlagen, sollten solche Konflikte vermieden werden.
Wir können dies dann, wenn wir uns im Klaren darüber sind, dass sich die Wirkung einer Anweisung nicht nur auf jenen Bereich beschränkt, für den sie gegeben wurde, hier etwa die Bewegung der Fersen und Beinstreckung. Jede Anweisung hat immer einen Effekt auf den ganzen Körper, die ganze Haltung im Āsana, im Besonderen auch auf die Wirbelsäule. Deshalb sollten wir in der Lage sein, zu entscheiden, ob die jeweiligen Konsequenzen einer Anweisung, was immer auch ihr ursprünglicher Zweck war, dem passenden Üben eines Āsana näher bringt oder nicht.
Die Kunst, ein Āsana zu variieren
So wichtig es ist, Āsana ihrem Konzept entsprechend anpassen zu können, so hilfreich sind die Möglichkeiten, die sich aus den verschiedenen Variationen von Āsana ergeben.
Als Beispiel soll hier bhujaṅgāsana dienen. Das Konzept dieses Āsana legt nahe, die Wirbelsäule so zu erreichen, dass der Schwerpunkt der Rückbeuge im oberen Rücken liegt. Variationen zum Beispiel in der Armhaltung können dabei eine große Hilfe sein. Viele Übende erreichen den oberen Rücken viel besser, wenn sie die Arme zur Seite ausbreiten, als wenn sie die Hände neben ihrem Brustkorb (Abb. 8) aufstützen.
Für sie wird also die Variante mit ausgebreiteten Armen (Abb. 9) das Konzept von bhujaṅgāsana besser verwirklichen. Andere werden dabei hauptsächlich das Gewicht der Arme und nicht den Rücken spüren. Ihnen mag es helfen, die Arme neben den Körper zu legen (Abb. 10).
So ist es möglich, für jede/n die beste Position zu finden. Jemand möchte etwa innerhalb eines Kurses bhujaṅgāsana einige Atemzüge statisch üben lassen. Nach der entsprechenden Vorbereitung können dazu zum Beispiel zwei verschiedene Varianten in dynamischer Wiederholung vorschlagen.
In welcher Variante kann der obere Rücken am besten wahrgenommen werden?
Wann war der Atemfluss am gleichmäßigsten?
Wann fühlte sich die Bewegung der Wirbelsäule am leichtesten an?
Wann war es am besten möglich, Kraft und nicht Verspannung im Rücken zu spüren?
Jede/r Teilnehmer/in kann für die statische Wiederholung die entsprechende Variante wählen. Durch ein solches Vorgehen gelingt es nicht nur, die Übung bhujaṅgāsana für alle gleichermaßen auf passende Weise zu verwirklichen und wirksam zu machen, es wird damit auch ein Verständnis entwickelt, worauf es bei einem Āsana im Kern ankommt. Das Konzept eines Āsana wird dadurch erfahrbar. Es gibt den SchülerInnen darüber hinaus eine Idee, dass es der Körper ist, um den es geht, dass es um einen Prozess in ihnen geht und nicht um mechanisches Nachahmen einer Form.
Wenn zum Beispiel bhujaṅgāsana als Vorbereitung für dhanurāsana verwendet wird, bieten sich Varianten an, die sich auf das konzentrieren, was uns bei der Bewältigung von dhanurāsana helfen kann. Es wäre etwa sinnvoll, die Variante von bhujaṅgāsana (Abb. 11) zu wählen, bei der beide Arme parallel zum Boden nach hinten gestreckt werden und somit nicht nur die Rückbeuge, sondern auch die Öffnung im Schulterbereich vorbereitet, die auch im dhanurāsana (Abb. 12) benötigt wird.
Wir wählen also die Form entsprechend dem jeweiligen Zweck, den wir damit verfolgen.
Solche Überlegungen können auch unabhängig von Fragen zum Aufbau eines Kurses gestellt werden. Entsprechende Variationen eines Āsanas bieten viele Möglichkeiten, seine Wirkungen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es kann beispielsweise die Anforderung dadurch verändert werden, dass das Āsana asymmetrisch geübt wird.
Nehmen wir im Fall von bhujaṅgāsana jeweils einen Arm mit nach vorn, bringen wir dadurch eine größere Aktivität in den Rücken und erzwingen damit Kraft und Bewegung in Bereichen, die uns bei symmetrischem Üben nicht zugänglich sind (Abb. 13).
Der Rücken wird neu gefordert, die rechte und linke Körperseite muss auf ungewohnte Weise miteinander ins Gleichgewicht kommen und eine solche Variante kann helfen, Ungleichgewichte zwischen den beiden Körperhälften zu harmonisieren.
Gleichermaßen ist die Wirkung eines asymmetrischen apanāsana (Abb. 14) auf den unteren Rücken und Bauchbereich von anderer Qualität und Nutzen wie die entsprechende symmetrische Variante.
Varianten sind darüber hinaus ein wichtiges Gestaltungsmittel, um die notwendige Achtsamkeit in ein Āsana zurückzubringen, wenn sich zu viel Mechanik in das Üben eingeschlichen haben sollte. Die Absicht, die dabei mit einem Āsana innerhalb des Kurses verbunden wurde, bleibt die gleiche.
Es soll keine andere Wirkung erzielt werden, aber die frische Erfahrung in einer Variante erschließt in einer schon bekannt geglaubten Übung neue Bereiche. Außerdem sind Varianten von Āsana ausgesprochen hilfreich, um jemandem, dessen Möglichkeiten durch Schmerz oder Behinderung eingeschränkt sind, trotzdem den Inhalt und die Wirkung eines Āsana erleben zu lassen.
So kann zum Beispiel ein śalabhāsana (Abb. 15), bei dem beide Beine gehoben werden, für einen schwachen und verspannten unteren Rücken zu viel Kraft verlangen und Schmerzen verursachen.
Ardhaśalabhāsana (Abb. 16) mag dann eine Möglichkeit sein, den Gewinn aus der Wirkung dieses Āsana zu erhalten, die darin enthaltene Anforderung an den unteren Rücken jedoch auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren.
Mit den unterschiedlichen Varianten von Āsana ist es zudem möglich, genau die Anforderungen zu betonen und zu intensivieren, die in einem ganz bestimmten Zusammenhang wichtig sind. Das Anheben eines Beines in adhomukha śvānāsana verlangt ungleich mehr vom Rücken, der Beinkraft und dem Gleichgewichtssinn als eine Variante, in der beide Füße am Boden bleiben. Das nach vorn Nehmen beider Arme in bhujaṅgāsana wird mehr Kraft vom unteren ebenso, wie oberen Rücken verlangen, als die Variante, in der die Handflächen neben dem Körper am Boden stehen.
Variationen sind dazu da, mit ihnen zu experimentieren, um ihre jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteile zu erforschen. Nur so können sie schließlich in ihrer jeweiligen Eigenart und Wirkung verstanden und genutzt werden. ▼