Die Begleitung durch Yoga
Von ähnlicher Art ist der Umgang mit Yoga, wenn er weitergehenden Bedürfnissen gerecht werden soll. Die Erfahrung zeigt, dass immer mehr Menschen im Yoga auch nach Hilfen zur Bewältigung von persönlichen Schwierigkeiten oder gar Unterstützung bei Lebenskrisen suchen. Und:
Welches immer der Anlass gewesen sein mag, weshalb ein Mensch den Weg zum Yoga gefunden hat – für viele entpuppt sich diese Methode als Mittel für eine intensivere Suche nach Sinn und Definition von Verantwortung im Leben.
Manche mögen das einen spirituellen Weg nennen. Es kann aber auch bescheidener formuliert werden und diese Suche als aktives Bedürfnis beschreiben, das eigene Leben mit allen Beziehungen und Verbindungen, in denen es sich lebt, sinnvoll zu gestalten.
Solche Beziehungen und Verbindungen werden im persönlichen Bereich gesehen – Familie, Freunde, soziales Umfeld, oft auch in Bezug auf die Frage, wie wir mit unserer Umwelt umgehen, häufig auch als die Frage danach, welche Verantwortung wir übernehmen wollen, wenn auf der Welt die Menschenrechte mit Füßen getreten werden; vieles könnte hinzugefügt werden.
Gemeint ist, dass viele Menschen in Kontakt mit Yoga kommen, weil sie auf der Suche sind und diese Suche als eine aktive Anstrengung begreifen, die mit einer tiefgreifenden persönlichen Veränderung einhergehen soll.
Für manche stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach einer höheren Kraft, nach Gott, nach Religion. Egal, welches Motiv an eine YogalehrerIn, einen Yogalehrer herangetragen wird, mit der Hoffnung, in ihr oder ihm eine Hilfe, eine Stütze für diesen Prozess zu finden, so stellen sich für die YogalehrerInnen zwei wesentliche Fragen, um deren Beantwortung niemand herumkommt:
- Will ich eine Rolle in einem solchen Prozess spielen?
- Kann ich das?
Die erste Frage wird oft sehr schnell, manchmal zu schnell positiv beantwortet. Viel Attraktivität scheint darin zu liegen, für andere Menschen eine wichtige Bezugsperson zu sein. Tatsächlich ist es aber intensive Arbeit an sich selbst, kontinuierliches Hinterfragen der eigenen Motive und Handlungen in Konfrontation mit einer kompetenten dritten Person, Supervision im eigentlichen Sinne also, was für eine solche Entscheidung und Arbeit Bedingung ist. Einer derartigen Entscheidung sollte immer wieder aufs Neue das bewusste Erinnern zugrunde liegen, dass in dieser SchülerIn-LehrerIn-Beziehung, wie hier beschrieben, der oder die SchülerIn die Hauptperson sein muss und nicht der Yogalehrer, die YogalehrerIn. Das klingt einfach, ist es in der Praxis aber nicht immer.
Die zweite Frage – Kann ich das? Sie berührt hier bei weitem mehr als technisches Können und Erfahrung. Beide sind nötige, aber nicht ausreichende Voraussetzungen, um diese Frage mit Ja zu beantworten. Hier geht es für die Lehrerin, den Lehrer vielmehr um das Thema der eigenen Stabilität, der verfügbaren Ressourcen, aber auch um Fragen wie Zeitaufwand, Verfügbarkeit und Ähnliches.
Die hier beschriebene Beziehung ähnelt vielleicht noch am ehesten dem alten guru-śiśya-Verhältnis, also der Lehrer-Schüler-Beziehung des alten Indiens. Wie eine solche Beziehung hier und heute in einer anderen Zeit und im Kontext anderer Werte und Traditionen als respektvolle und vertrauensvolle Beziehung zwischen zwei Menschen aufzubauen und zu erhalten ist, ist eine Frage, auf die es nicht nur eine Antwort gibt. ▼